Kindesunterhalt
Regelbedarf mithilfe der Düsseldorfer Tabelle ermitteln

  • Gesamtbedarf
    des Kindes

    Maßstab für den Gesamtbedarf des Kindes ist seine Lebensstellung (> § 1610 BGB). Die Bedarfsermittlung findet auf der zweiten Prüfungsebene im > Prüfungsschema zum Kindesunterhalt statt
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  • Regelbedarf
    nach Düsseldorfer Tabelle

    Im Regelfall wird der Kindesunterhalt mit Hilfe der Düsseldorfer Tabelle (DT) ermittelt. Dafür muss der > Anwendungsbereich der DT eröffnet sein. Dies ist nur der Fall, wenn der Regelbedarf für Kinder mit sog. > abgeleiteter Lebensstellung ermittelt wird. Die DT bietet > keine Hilfestellung, wenn ein > Mehr- oder Sonderbedarf zu bestimmen ist oder wenn Kinder bereits eine > eigene Lebensstellung besitzen. Selbst wenn der Kindesunterhalt mit der Düsseldorfer Tabelle zu ermitteln ist, können Korrekturen am Ergebnis veranlasst sein.
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Düsseldorfer Tabelle
Anwendungsbereich

Die wichtigste Weichenstellung zur richtigen > Bedarfsermittlungsmethode und damit zur Bestimmung der Höhe des > Kindesunterhalts ist die Frage, ob das Kind eine eigene oder > abgeleitete Lebensstellung besitzt. Nur bei abgeleiteter Lebensstellung kommt die > Düsseldorfer Tabelle zur Anwendung. Diese Weichenstellung gilt völlig unabhängig davon, ob das Kind > minderjährig oder > volljährig ist.


Düsseldorfer Tabelle
Aufbau | Struktur 

» Kalkulationsgrundlagen der Düsseldorfer Tabelle


Vier Altersstufen


Die Altersstufen werden von § > 1612a Abs.1 S.3 BGB gesetzlich vorgegeben. Insgesamt unterscheidet die Düsseldorfer Tabelle vier Altersstufen. Hintergrund dieser Klassifizierung ist die Entwicklung der Kinder (Vorschulkind -> Schulkind -> Teenager > volljähriges Kind), die mit einem wachsenden Unterhaltsbedarf verbunden ist.

  • 1. Altersstufe: Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres (§ > 1612a Abs.1 S.3 Ziff.1 BGB)
  • 2. Altersstufe: Kinder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres (§ > 1612a Abs.1 S.3 Ziff.2 BGB)
  • 3. Altersstufe: Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (§ > 1612a Abs.1 S.3 Ziff.2 BGB)
  • 4. Altersstufe: Gilt für > volljährige Kinder mit abgeleiteter Lebensstellung


Mindestunterhalt 2023
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Unterhaltszahlbetrag der > Einkommensgruppe 1
Die Anrechnung des hälftigen > Kindergeldes (50 % von 250 €) ist berücksichtigt

312 €

erste Altersstufe (0 - 5 Jahre)

377 €

zweite Altersstufe (6 - 11 Jahre)

463 €

dritte Altersstufe (12 - 17 Jahre)

378 €

 ab 18 Jahren: Kindergeld wird > in voller Höhe angerechnet


Die Tabelle zeigt den Zahlbetrag des Mindestunterhalts ab 2023. Der Tabellenbedarf entspricht der ersten Einkommensgruppe bis zu einem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils von 1.900 € p.m. Bei höherem Einkommen steigen die Tabellensätze. Übersteigt das unterhaltsrelevante Einkommen nicht den Höchstwert der 1. Einkommensgruppe, ergibt sich für das Kind nur ein Tabellenwert, der betragsmäßig den > Mindestbedarf des Kindes nach § 1612a BGB zum Ausdruck bringt. Um wenigstens den Mindestbedarf der Kinder zu decken, trifft die Eltern eine > gesteigerte Erwerbsobliegenheit.
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Fünfzehn Einkommensgruppen


OLG Hamm, Urteil vom 11.07.2012 - II-12 UF 319/11
Fortschreibung der Tabellenwerte nach der Prozentsatz-Methode bedeutet (Mindest-)Bedarfsdeckung auf höherem Niveau


(Zitat) "Dabei ist davon auszugehen, dass auch den Mindestunterhalt übersteigende Unterhaltsbeträge grundsätzlich keinen wesensverschiedenen Aufwand abdecken, sondern aufgrund der > abgeleiteten Lebensstellung des Kindes auf eine Bedarfsdeckung auf höherem Niveau zielen (BGH FamRZ 2009, 962)."

Anmerkung: Die Tabellenwerte oberhalb der 1. Einkommensgruppe bringen in Form eines Einkommensrankings der Eltern den Bedarf des Kindes nach seiner > abgeleiteten Lebensstellung zum Ausdruck. Seit dem Jahr 2022 wurde die Düsseldorfer Tabelle von 10. Einkommensgruppen auf 15. Einkommensgruppen erweitert (> mehr). Die insgesamt 15 Einkommensgruppen basieren auf einer Erhöhung des Mindestbedarfs (§ > 1612a BGB) nach steigenden Prozentsätzen (> mehr). Seit dem 01.01.2009 ist der > Mindestunterhalt die Bezugsgröße zur Anwendung der Prozentsätze (§1612a Abs.2 BGB) zur Errichtung > dynamischer Unterhaltstitel. Davor war Bezugsgröße der sog. Regelbetrag. Somit sind dynamische Alttitel für die Zeit ab dem 01.01.2009 nach § 36 Nr.3 EGZPO > umzurechnen. Nach diesem System bauen also alle Tabellenwerte stets auf den vier Mindestbedarfsätzen der jeweiligen > Altersstufe des Kindes auf und schreiben diese Grundwerte nach der Prozentsatz-Methode für weitere Tabellenwerte fort. Damit wird klar, dass die Tabellenwerte nach Einkommensgruppe 2. bis 15 keine anderen Bedarfspositionen enthält als die vier Mindestbedarfssätze nach der 1. Einkommensgruppe. Die Werterhöhungen sind ausschließlich auf die Teilhabe des Kindes an der Einkommensentwicklung des unterhaltspflichtigen Elternteils zurückzuführen. Die Befriedigung gleichbleibender Bedarfspositionen erfolgt lediglich auf einem höheren finanziellen Niveau. Ergeben sich für das Kind zusätzliche Bedarfspositionen, die von den Tabellenwerten nicht erfasst sind, geht es um > Mehr- oder Sonderbedarf.


Einkommen der Eltern
Welches Einkommen ist für die Eingruppierung maßgebend?


BGH, Urteil vom 21.12. 2005 - XII ZR 126/03
Welches Elterneinkommen ist maßgebend?


(Zitat) "Wird das Kind von einem Elternteil versorgt und betreut (Naturalunterhalt) und leistet der andere Teil > Barunterhalt, so bestimmt sich die Lebensstellung des Kindes grundsätzlich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des > barunterhaltspflichtigen Elternteils (Senatsurteil vom 6. Februar 2002 - XII ZR 20/00 - FamRZ 2002, 536, 537).

Achtung: Das obige BGH-Zitat, das man in der Rechtsprechung und Literatur immer wieder antrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 9.07.2014 – XII ZB 661/12 Rn 37; BGH, Beschluss vom 28.02.2007 –XII ZR 161/04 und BGH vom 9.07.2003 - XII ZR 83/00), wird vielfach dahingehend falsch verstanden, die Lebensstellung des Kindes würde ausgerechnet von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Elternteils ableitet, bei dem das Kind nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 

BGH, Beschluss vom 11.01.2017 - XII ZB 565/15
Ableitung der Lebensstellung von beiden Elternteilen - Einkommen des nicht betreuenden Elternteils als Bedarfsmaßstab | Begrenzung des Barunterhalts


(Zitat) "Dass sich die Lebensstellung des Kindes von beiden Eltern ableitet, gilt auch beim > Residenzmodell. Denn auch ein im Residenzmodell betreutes Kind genießt, wenn der allein oder überwiegend betreuende Elternteil ebenfalls Einkommen erzielt, regelmäßig einen höheren Lebensstandard als bei einem alleinverdienenden Elternteil (vgl. Wendl/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 206 mwN). Zwar hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung wiederholt ausgesprochen, dass sich der Bedarf des minderjährigen Kindes vom barunterhaltspflichtigen Elternteil ableitet (Senatsbeschluss vom 9. Juli2014 -XII ZB 661/12 - FamRZ 2014, 1536 Rn.37; Senatsurteile vom 28. Februar 2007 - XII ZR 161/04 - FamRZ 2007, 707, 708f. und vom 9. Juli 2003 -XII ZR 83/00 - FamRZ 2003, 1471,1472f.). Dies steht aber vor dem Hintergrund, dass nur dieser Elternteil für den Barunterhalt aufzukommen hat. Da dessen Haftung aber ohne dies auf den sich aus seinem Einkommen ermittelten Tabellenbedarf begrenzt ist, stellt die Bemessung des Unterhalts der Sache nach eine abgekürzte Unterhaltsermittlung dar, indem der geschuldete Unterhalt sogleich nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Barunterhaltspflichtigen festgesetzt wird."

Anmerkung: Der BGH hat zwischenzeitlich in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass das Kind immer seine Lebensstellung von beiden Elternteilen ableitet (vgl. Wendl/Klinkhammer, Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 206 mwN). Minderjährige Kinder leiten ihren Unterhaltsbedarf von ihren Eltern ab, weil sie bis zum Abschluss einer Ausbildung regelmäßig noch keine > eigene Lebensstellung erreicht haben (BGH, Urteil vom 15. Februar 2006 – XII ZR 4/04 , Rn 9). Dabei wird die für den Unterhaltsbedarf relevante Lebensstellung grundsätzlich von beiden unterhaltspflichtigen Eltern abgeleitet (BGH, Beschluss vom 15. Februar 2017 – XII ZB 201/16, Rn 113). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bestimmt sich der Bedarf an Barunterhalt des Kindes immer nach dem > Gesamteinkommen beider Elternteile. Eine Besonderheit für den Unterhaltsbedarf minderjähriger Kinder knüpft allerdings an § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB an, wonach der betreuende Elternteil seinen Teil der Unterhaltspflicht in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt (§ 1606 Abs.3 S.2 BGB: > mehr). Weil dann der andere Elternteil allein barunterhaltspflichtig ist, ist seine Barunterhaltspflicht auf den allein von seinem Einkommen abgeleiteten Barunterhaltsbedarf begrenzt. Auf dem restlichen Barbedarf des Kindes nach den gemeinsamen Einkünften beider Eltern bleibt der betreuende Elternteil „sitzen“, während im Gegenzug der barunterhaltspflichtige Elternteil durch sein Umgangsrecht aber auch Aufgaben der Betreuung übernimmt (vgl. auch Wendl/Dose/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. § 2 Rn. 113). Das Phänomen des "Sitzenbleibens" des kinderbetreuenden Elternteils auf einem Anteil nicht ausgeglichenen Barunterhalts für das Kind wird immer dann relevant, wenn der kinderbetreuende Elternteil ebenfalls Einkommen bezieht, die Barunterhaltspflicht aber nur nach Maßgabe des Einkommens des barunterhaltspflichtigen Elternteils geschuldet wird. Bei der Ermittlung des Ehegattenunterhalts kann der kinderbetreuende Ehegatte den nicht vom barunterhaltspflichtigen Elternteil ausgeglichenen Anteil des Barunterhalts für das Kind von seinem Einkommen in Abzug bringen (> Einkommensbereinigung).

Sobald beide Elternteile > anteilig barunterhaltspflichtig sind oder werden, ist für die Bedarfsbemessung nach Düsseldorfer Tabelle immer das gemeinsame Elterneinkommen maßgebend.

Soweit ein volljähriges Kind noch im Haushalt eines Elternteils lebt und noch keine Ausbildung abgeschlossen hat, leitet es seine Lebensstellung allerdings weiterhin von den Eltern ab. Entsprechend ergibt sich der nach der Lebensstellung zu bemessende Unterhaltsbedarf aus der vierten Altersstufe der > Düsseldorfer Tabelle (BGH, Urteil vom 31. Oktober 2007 – XII ZR 112/05 ). Weil mit der Volljährigkeit des Kindes zugleich dessen Betreuungsbedarf entfällt, schulden ihm ab dann beide Eltern nur noch Barunterhalt (BGH, Urteil vom 17. Januar 2007 – XII ZR 166/04, Rn. 10 und vom 26. Oktober 2005 – XII ZR 34/03, Rn. 13: > mehr). Auch dann bemisst sich der abgeleitete Barunterhaltsbedarf des Kindes nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Eltern (> mehr). Weil auf den Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder die Vorschrift des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB wegen des entfallenen Betreuungsbedarfs nicht mehr anwendbar ist, haften die Eltern gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB für den verbleibenden Barunterhaltsbedarf anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Solange beide Eltern leistungsfähig sind, bleibt es deswegen bei einem Barunterhalt, der sich nach den Einkommensverhältnissen beider Eltern bemisst. Nur wenn ein Elternteil nicht leistungsfähig ist und es deswegen bei der alleinigen Haftung des anderen Elternteils verbleibt, bemisst sich der nach der abgeleiteten Lebensstellung ermittelte Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes nicht mehr nach dem Einkommen beider Eltern, sondern – wie regelmäßig beim Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder - nur noch nach dem Einkommen des allein barunterhaltspflichtigen Elternteils. Jeder Elternteil muss also maximal den Unterhaltsbetrag der vierten Altersstufe leisten, der sich nach seinem eigenen Einkommen errechnet (BGHZ 164, 375, 378 = FamRZ 2006, 99, 100 Rn. 13).

 


Weiterführende Links


  • Welcher Elternteil ist wegen 1606 Abs.3 S.2 BGB ganz oder teilweise von der Barunterhaltspflicht befreit?
    >
    mehr
  • Welche Auswirkungen und Bedeutung hat das für die Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt?
    > mehr
  • Kann fiktives Einkommen der Eltern den Bedarf bestimmen?
    > mehr
  • Musterfall zum Regelbedarf des minderjährigen Kindes
    > hier


Musterfall
Regelbedarf des minderjährigen Kindes bei Kinderbetreuung nach Residenzmodell

Sachverhalt


Aus der Ehe von M und F ist ein Kind K (jetzt 8 Jahre alt) hervorgegangen. Die Eltern haben sich getrennt. Das minderjährige Kind lebt im Haushalt der F (Mutter), F hat kein eigenes Einkommen und kümmert sich um den Haushalt und die Kindererziehung. M erzielt ein > unterhaltsrelevantes Einkommen in Höhe von 2.500,- €. M will nun wissen, wie viel Kindesunterhalt (> Barunterhalt) er für K zu bezahlen hat. Die Düsseldorfer Tabelle ist anwendbar, weil das Kind > keine eigene Lebensstellung besitzt.

Lösung
mithilfe der Düsseldorfer Tabelle


  • Nach der > Düsseldorfer Tabelle ist M mit seinem Einkommen der 3. Einkommensgruppe zuzuordnen. K ist 8 Jahre alt. Danach gilt die 2. Altersstufe. Für diesen Fall weist die Düsseldorfer Tabelle einen Tabellenbedarf des Kindes in Höhe von 553 € (2023) pro Monat aus (Tabellenbetrag).
  • Bezieht F für das Kind K > Kindergeld (2023: 250 €/Monat) ist dieses zur Hälfte auf den Bedarf anzurechnen. Diese Anrechnung wird in der "Tabellen-Zahlbeträge" (Anhang zur DT) berücksichtigt. Für K ergibt sich danach ein Zahlbetrag in Höhe von 428 € (DT 2023) monatlich. Diesen Zahlbetrag hat M zu Händen der F für das Kind K an Barunterhalt monatlich zu leisten.


Düsseldorfer Tabelle
Richtlinie für den Regelfall |
Abweichungen

Hilfsmittel
für den Regelfall


Die Düsseldorfer Tabelle hat lediglich > Hilfscharakter und gibt keinesfalls für alle möglichen Fälle den korrekten Bedarf des Kindes nach § 1610 BGB wieder (> BGH, Urteil vom 18.4.2012), nimmt also keine Rücksicht auf individuelle besondere Lebensumstände des Kindes. Selbst in ihrem > Anwendungsbereich stößt die DT auf Grenzen. In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Regelbedarf nach DT um > weitere Bedarfspositionen zu ergänzen ist. Die Tabellenwerte der DT sind nicht für alle individuellen Lebenslagen der Kinder mit abgeleiteter Lebensstellung geeignet, den > vollständigen Lebensbedarf (Bedarf an finanziellen Mitteln) korrekt anzugeben.
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Abweichungen

vom Regelfall


Die Tabellenwerte der Düsseldorfer Tabelle basieren auf einer Kalkulationsgrundlage, die sich aus § 6 RBEG ableitet. (> mehr). Entspricht der konkrete Fall nicht dem Regelfall der Kalkulationsgrundlage, sind Abweichungen von den Vorgaben angezeigt und zulässig.

Abweichungen
wegen Betreuungsmodell


BGH, Beschluss vom 12.03.2014 - XII ZB 234/13
Umgangskosten beim unechten Wechselmodell


(Zitat, Rn 37 ) "Nimmt der barunterhaltspflichtige Elternteil ein weit über das übliche Maß hinaus gehendes Umgangsrecht wahr, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert (> unechtes Wechselmodell), kann der Tatrichter bei der Ausübung seines Ermessens im Rahmen der Angemessenheitskontrolle die wirtschaftliche Belastung des Unterhaltspflichtigen insbesondere mit zusätzlichen Fahrtkosten und den Kosten für das Vorhalten von Wohnraum in rechtsbeschwerderechtlich unbedenklicher Weise zum Anlass dafür nehmen, den Barunterhaltsbedarf unter Herabstufung um eine oder mehrere > Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen oder wie hier auf eine nach den maßgebenden unterhaltsrechtlichen Leitlinien ansonsten gebotene Hochstufung in eine höhere Einkommensgruppe zu verzichten."


Abweichungen
wegen mehrerer Unterhaltsberechtigter


Die 40 Tabellenwerte der Düsseldorfer Tabelle weisen den monatlichen Unterhaltsbedarf aus, bezogen auf zwei Unterhaltsberechtigte, ohne Rücksicht auf den > Rang (§ 1609 BGB). Also werden auch nachrangige Unterhaltsgläubiger mitgezählt (BGH, FamRZ 2008, 2189). Bei einer größeren oder geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter können Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in eine niedrigere/höhere > Einkommensgruppe angemessen sein. Anmerkung 6 der > Düsseldorfer Tabelle ist zu beachten. Zur Deckung des notwendigen Mindestbedarfs aller Beteiligten – einschließlich des Ehegatten – ist gegebenenfalls eine > Herabstufung bis in die unterste Tabellengruppe vorzunehmen. Reicht das verfügbare Einkommen auch dann nicht aus, setzt sich der Vorrang der Kinder im Sinne von Anm. 5 Abs. 1 der Düsseldorfer Tabelle durch. Gegebenenfalls erfolgt zwischen den erstrangigen Unterhaltsberechtigten eine > Mangelberechnung.

Beispiel


Es stehen für einen seit fünf Jahren verheirateten Vater Unterhaltsansprüche von insgesamt drei Kindern im Raum. Sein unterhaltsrelevantes Einkommen beträgt 3000,- €. Zwei Kinder (10 und 13 Jahre alt) sind aus der Ehe hervorgegangen. Ein Kind (1 Jahr alt) stammt aus einer Außenbeziehung. Der Vater schuldet neben dem > Kindesunterhalt für drei minderjährige Kinder grundsätzlich seiner Ehefrau > Familienunterhalt und der Mutter des unehelichen Kindes > Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB.

Rangfolge
mehrerer Unterhaltsberechtigter


Nach § 1609 Ziff.1 BGB befinden sich die ehelichen Kinder und das uneheliche Kind gleichberechtigt auf > Rang 1 (§ 1609 Ziff.1 BGB). Auf Rang 2 (§ 1609 Ziff.2 BGB) befindet sich die Mutter des nichtehelichen Kindes. Die Ehefrau befindet sich auf Rang 3 (§ 1609 Ziff.3 BGB), weil sie zwar als Ehefrau, aber nicht wegen Kinderbetreuung als unterhaltsberechtigt gilt. Anders wäre der Fall zu beurteilen, bei Ehe von langer Dauer oder die Kinder der Ehefrau gelten als betreuungsbedürftig. Nach § 1570 BGB besteht eine (private) Betreuungsbedürftigkeit der Kinder durch ihre Eltern oder einen Elternteil > bis zum Abschluss des dritten Lebensjahres. Danach kann und soll die Kinderbetreuung durch öffentliche Einrichtungen übernommen werden (z.B. Kindergarten; Kinderhort: so die politische Idee des Unterhaltsrechts). Deshalb ist auch der > Unterhaltsanspruch der Mutter des unehelichen Kindes (§ 1615 l BGB) grundsätzlich zeitlich bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes begrenzt, wenn keine Verlängerungsgründe ersichtlich sind.

Verschiebung
der Einkommensgruppe


Das unterhaltsrelevante Einkommen des Vaters ist der 5. Einkommensgruppe zuzuordnen. Dabei würde es bleiben, wenn der Vater nur zwei Unterhaltsansprüchen ausgesetzt wäre. Hier stehen aber insgesamt 5 Unterhaltsansprüche im Raum (3 x Kindesunterhalt, 1 x Familienunterhalt 1x Betreuungsunterhalt aus Anlass der Geburt). Da unabhängig vom Rang alle 5 Unterhaltsansprüche bei der Herabstufung zu beachten sind, wird eine Herabstufung um drei Einkommensgruppen (5 -2) erfolgen. Damit ist für den Bedarf der Kinder nicht die 5. sondern die 2. Einkommensgruppe einschlägig.

Bedarfskontrollbetrag


Der Bedarfskontrollbetrag des Unterhaltspflichtigen ab Einkommensgruppe 2 ist nicht identisch mit dem Eigenbedarf. Er soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den unterhaltsberechtigten Kindern gewährleisten. Wird er unter Berücksichtigung anderer Unterhaltspflichten unterschritten, ist der Tabellenbetrag der nächst niedrigeren Gruppe, deren Bedarfskontrollbetrag nicht unterschritten wird, anzusetzen.

Zahlbetrag


§ > 1612 b BGB bestimmt ausdrücklich, dass > Kindergeld auf den Bedarf des Kindes angerechnet wird (> mehr). Die Tabellenbeträge der Düsseldorfer Tabelle berücksichtigen die > Kindergeldanrechnung nicht. Erst im Anhang zur Düsseldorfer Tabelle befindet sich die sog. Tabelle Zahlbeträge. Diese gibt die um die Kindergeldanrechnung bereinigten Bedarfswerte (= Zahlbeträge) wieder.

Grenzen
der Düsseldorfer Tabelle


Die Düsseldorfer Tabelle stößt an Ihre Grenzen, wenn der > barunterhaltspflichtige Elternteil > unterhaltsrelevantes Einkommen erzielt, das über dem Maximalwert der 15. > Einkommensgruppe liegt. Seit Entscheidung des BGH im Jahr 2020 (BGH, Beschluss vom 16.09.2020 - XII ZB 499/19) wurden die Werte der Düsseldorfer Tabelle 2021 bis zu einem Gesamteinkommen der Eltern in Höhe von 11.000 € fiktiv fortgeschrieben werden. Die Düsseldorfer Tabelle 2022 hat die Vorgaben des BGH umgesetzt.
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BGH, Urteil v. 6.02.2002 - XII ZR 20/00
Zum Existenzminimum des Kindes

Anmerkung: Beim Kindesunterhalt für minderjährige Kinder wird der Mindestbedarf nach Maßgabe des § > 1612a BGB als Tabellenbetrag nach der ersten Einkommensgruppe und differenziert nach vier Altersstufen zum Ausdruck gebracht. § 1612a BGB formuliert damit das > Existenzminimum der Kinder. Übersteigt das Einkommen des > barunterhaltspflichtigen Elternteils nicht den Höchstwert der 1. Einkommensgruppe, gilt als Mindestbedarf des Kindes dennoch der Tabellenwert der 1. Einkommensgruppe als angemessener Bedarf. Denn diese Tabellenwerte entsprechen dem Existenzminimum des Kindes. Und ein unter dem Existenzminimum liegender Bedarf kann niemals ein "angemessener" Bedarf sein (vgl. BGH vom 04.08.2010 - XII ZR 7/09).
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Links & Literatur



Links



In eigener Sache


  • Bedarfsermittlung mit Düsseldorfer Tabelle beim Volljährigenunterhalt mit nur einem leistungsfähigen Elternteil, unser Az.: 9/ 16 (D3/137- 16)
  • Bedarfsermittlung beim Kindesunterhalt nach dem Erwerbseinkommen der Eltern im öffentlichen Dienst (unterhaltsrelevante Teile der Besoldung), unser Az.: 93/ 16 (D3/725- 16)
  • Bedarfsermittlung zum Kindesunterhalt bei unterhaltspflichtigen Eltern ohne Einkommen, aber mit Vermögen, unser Az.: 456/ 13 (D3/719- 14)