- Dein Warenkorb ist leer.
Standort :
Startseite > Infothek > Verfahren > Scheidungsverfahren > Folgesachen > Versorgungsausgleich > Versorgungsausgleich international > Kanzlei für Familienrecht
Die Regeln des Versorgungsausgleichs versteht kaum einer bis ins letzte Detail. Der Wert von Rentenanwartschaften wird über finanzmathematische Formeln und auf Grundlage von Versorgungsverordnungen der Versorgungsträger ermittelt. Richter und Anwälte können diese ohne Renten-Gutachten nur schwer nachvollziehen. Warum das so ist, verdeutlich OLG-Richter Dr. Johannes Norpoth in > FZFam-Editorial (Heft 21/2017). Wir können hier die rechtlichen Grundzüge aufzeigen.
> Wegweiser zum Versorgungsausgleich
Wie > ausländische Rentenanwartschaften im deutschen Versorgungsausgleich berücksichtigt werden, erfahren Sie
> hier
Wenn es zur > Scheidung kommt, wird grundsätzlich jeder Vermögenzuwachs in der Ehe so geteilt, dass am Ende jeder Ehegatte zur Hälfte am Vermögenzuwachs partizipiert (> Halbteilungsgrundsatz). Zusätzlich gilt das > Totalitätsprinzip, d.h. jeder Vermögensgegenstand unterliegt der Halbteilung. Diesen Prinzipien folgen alle Vermögensausgleichmechanismen des Familienrechts anlässlich der Scheidung.Ausnahmen davon gibt es, wenn per Ehevertrag oder per Scheidungsfolgenvereinbarungdie Ehegatten davon abweichen wollen (> Vertragsfreiheit). Der Versorgungsausgleich ist ein besonderer Ausgleichsmechanismus, der speziell die in der Ehezeit vom jeweiligen Ehegatten erworbenen > Anwartschaften zur Altersversorgung erfasst. Anders als die weiteren > Ausgleichssysteme, wie etwa das > Haushaltsverteilungsvefahren oder das > Zugewinnausgleichsverfahren wird das Versorgungsausgleichsverfahren aus Anlass der Scheidung von den Familiengerichten automatisch (von Amts wegen) im sog. > notwendigenScheidungsverbund durchgeführt.
Seit dem 01. September 2009 erfolgt die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach den Vorschriften des Versorgungsausgleichsgesetzes (> VersAusglG). Dabei haben sich die Vorschriften und das System des Versorgungsausgleichs gravierend geändert. Ein Problem des anzuwendenden Rechts stellen die Fälle dar, dass ein Versorgungsausgleich, der nach altem Recht durchgeführt wird, nun nach dem 01.09.2019 abgeändert werden soll: Welches Recht ist dabei anzuwenden? Das Gesetz verlangt eine einheitliche Durchführung des Versorgungsausgleichs entweder nach dem seit 1. September 2009 geltenden oder nach früherem Recht. Sobald auch nur ein Anrecht nach neuem Recht auszugleichen ist, schlägt der Rechtswechsel auf den gesamten Versorgungsausgleich durch. Aus dem Grunde ordnet § 51 Abs.1, 2 VersAusglG im Falle einer Abänderung einer nach früherem Recht getroffenen Entscheidung eine Totalrevision sämtlicher in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechte selbst dann an, wenn sich der Ausgleichswert nur eines Anrechts geändert hat (vgl. BGH, Beschluss v. 21.11.2013 – XII ZB 137/13).
Eine Rentenanwartschaft ist der Zeitraum, der eingehalten werden muss, um überhaupt eine Rente erhalten zu können. Im Regelfall sind das Zeiten, in denen Rentenbeiträge zu einem Rentenversicherungsträger (sog. Versorgungsträger) gezahlt werden. In der gesetzlichen Rentenversicherung können auch beitragsfreie Zeiträume zu einer Rentenanwartschaft führen. Bei den sog. beitragsfreien Zeiten spricht man u.a. von Ersatzzeiten, Anrechnungszeiten oder Kindererziehungszeiten.
Merkblatt des gesetzlichen Versorgungsträgers
zu Ersatzzeiten – Anrechnungszeiten – Kindererziehungszeiten
Der Versorgungsausgleich erfasst alle (> § 3 Abs.2 VersAusglG) auszugleichenden > Rentenanwartschaften (> § 2 VersAusglG), die in der > Ehezeit gebildet wurden. Dabei handelt es sich um Anwartschaften aus der
Erfasst werden die Rentenanwartschaften, die in der Ehezeit gebildet wurden. Wann die Ehezeit beginnt und wann Sie endet, bestimmt
§ 3 Abs.1 VersAusglG
Gesetzestext:
“Die Ehezeit im Sinne dieses Gesetzes beginnt mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen worden ist; sie endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags.”
Anmerkung: Somit kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Trennung nicht an. Dies gilt in der Regel selbst dann, wenn die Ehegatten bereits seit > langer Zeit voneinander > getrennt leben. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass im Sinne des § 3 Abs.1 VersAusglG vom Familiengericht festgestellte Ende der Ehezeit nicht verändert werden darf. Nach dieser Vorschrift ist als Ende der Ehezeit der letzte Tag des Monats bestimmt, der der > Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags vorausgeht, wobei es auf den Scheidungsantrag ankommt, der den zur Rechtshängigkeit führenden Rechtsstreit ausgelöst hat (siehe BGH, Beschluss vom 04.10.1989 – IVb ZB 106/88, FamRZ 1990, 273 und BGH, Beschluss vom 04.10.1989 – IVb ZB 30/88, FamRZ 1990, 384). D.h., dass > Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich keinen Einfluss auf das Ende der Ehezeitund die auf diesen Zeitpunkt zu beziehende Bewertung der Rentenanwartschaften haben. Die Ehegatten haben nur die Möglichkeit zu vereinbaren, dass bestimmte – noch vor dem Ehe-Ende liegende > Anwartschaften vom Versorgungsausgleichausgenommen werden.
§ 3 Abs.3 VersAusglG
Gesetzestext:
“Bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren findet ein Versorgungsausgleich nur statt, wenn ein Ehegatte dies beantragt.”
Leben die Ehegatten bereits seit vielen Jahren voneinander > getrennt, ohne sich scheiden zu lassen, kann es unbillig erscheinen, für die Teilung der in der Ehezeit gebildeten Versorgungsanwartschaften auf den Zeitpunkt der > Zustellung des Scheidungsantrags (§ > 3 Abs.1 VersAusglG) abzustellen. Vielmehr erscheint es interessengerecht, hier abweichend vom Halbteilungsgrundsatz auf den Zeitpunkt der Trennung abzustellen, wenn nach Trennung eine endgültige wirtschaftliche Entflechtung der Ehegatten besteht und die Ehe tatsächlich nur auf dem Papier geführt wird. § > 27VersAusglG bietet dafür eine gesetzliche Grundlage. So hat das OLG Brandenburg vom 23. September 2013 – 3 UF 46/13 hat auch bei langer Trennungsphase keine Verschiebung der Ehezeit vorgenommen, da im zu entscheidenden Fall auch nach der Trennung noch eine wirtschaftliche Verflechtung bestand. Das OLG hat deshalb nicht die nach der Trennung bis zum Scheidungsantrag gebildeten Rentenanwartschaften von den auszugleichenden Anrechten (§ 2 VersAusglG) nach § > 27 VersAusglG ausgeklammert (vgl. auch OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27.05.2016 – 2 UF 25/14).
Der Versorgungsausgleich wird im Fall der Scheidung von Amts wegen durchgeführt. Dazu bedarf es keines Antrags der betroffenen Ehegatten. Man spricht daher vom > Zwangsverbund mit der Scheidungssache, es sei denn der Versorgungsausgleich ist ausgeschlossen. Zum Ausschluss kann es kommen wegen
Auch um zu prüfen, ob ein Grund für den > Ausschluss des Versorgungsausgleichs vorliegt, werden vom Familiengericht die Auskünfte bei den Versorgungsträgern stetseingeholt (§ > 220 FamFG). Zur Vorbereitung des Auskunftsverfahrens übersendet das Familiengericht nach Zustellung des > Scheidungsantrags den Parteien dazu ein amtliches Auskunftsformular (sog. > V10-Formular), mit denen die Ehegatten gegenüber dem Familiengericht Angaben zu ihren jeweiligen Versorgungsträgern machen. Immer wieder muss festgestellt werden, dass der Vordruck zur Beauskunftung der Versorgungsträger der Parteien – Formular „V10“, nicht vollständig oder mangelhaft ausgefüllt wurden, obwohl ein Hinweisblatt zum Ausfüllen des Vordruckes beigefügt ist. Besonderes Augenmerk ist dabei auf Frage 3 des Auskunftsbogens zu richten (Frage nach Betriebsrenten): Bei Bejahung der Frage benötigt das Familiengericht weitere Informationen, ob diese
Leider wurde das Formblatt – trotz mehrmaliger Änderungswünsche der Gerichte – durch die bearbeitende Stelle für das Vordruckwesen noch nicht dementsprechend geändert und ergänzt. In dem vom Familiengericht beigefügten Ausfüllhinweis wird aber auf die ergänzenden, erforderlichen Angaben ausdrücklich hingewiesen. Durch die fehlerhafte bzw. mangelhafte Ausfüllung der Fragebögen entsteht unnötige Mehrarbeit und die Bearbeitungszeit des Verfahrens verlängert sich dementsprechend. Immer wieder muss auch festgestellt werden, dass Parteien nicht wissen, ob sie eine betriebliche Altersvorsorge bei einer ehemaligen Firma haben oder hatten und dies mit einem Fragezeichen, ohne nähere Angaben, beantworten. In diesem Fall sind durch die Parteien o.a. Sachverhalte selbst im Vorfeld zu klären. Diesbezüglich sei auch festgestellt, dass das Familiengericht keine Ermittlungsbehörde ist (> Auskunftsbogen zur betrieblichen Altersversorgung).
Nachdem die Formulare auf gerichtliche Anordnung wieder an das Familiengericht zurückgeschickt wurden, werden vom Familiengericht die von den Ehegatten im Formular genannten Rentenversicherungsträger (BfA, LVA, LBV, Arbeitgeber) angeschrieben und aufgefordert, die in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaftenzu ermitteln. Die Angaben der Versorgungsträger (§ > 5 VersAusglG) bilden die Berechnungsgrundlage für den durchzuführenden Versorgungsausgleich. Wenn die Auskünfte der Rentenversicherungsträger dem Gericht vorliegen, bestimmt das Gericht einen > Scheidungstermin. Dieses Verfahren ist tief mit dem Rentensystem und dem sonstigen Versorgungsrecht (z.B. Betriebsrentengesetz) verwurzelt. Hier stehen die Parteien, Familienanwälte und das Familiengericht vor der nicht immer leichten Aufgabe, die Ehezeitauskünfte der jeweiligen Rentenversicherungsträger sorgfältig zu überprüfen.
Gerichtsbeschluss – MUSTER
Anordnungsbeschluss wegen unvollständiger Auskunft & fehlender Mitwirkung bei Aufklärung
Zeigen sich bei Auskunft des Versorgungsträgers Lücken im Versicherungsverlauf, hat der Versicherte an der Aufklärung dieser Lücken mitzuwirken. Kommt er seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, erlässt das Familiengericht einen entsprechenden > Anordnungsbeschluss mit Hinweis auf mögliches Zwangsgeld bis hin zur Zwangshaft.
Falsche Auskunft
Abänderung des Versorgungsausgleichs?
Stellt sich nach Abschluss des Scheidungsverfahrens heraus, dass im Versorgungsausgleichsverfahren eine Rentenanwartschaft (z.B. zusätzliche private oder betriebliche Altersversorgungen) vergessen oder verschwiegen wurde, kann innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist gegen den Beschluss des Familiengerichts Beschwerde eingelegt werden. Im Beschwerdeverfahren kann und wird dann das „vergessene“ Anrecht berücksichtigt und der Versorgungsausgleich korrigiert. Ist dagegen die Beschwerdefrist bereits abgelaufen, dann bleibt es beim (falschen!) Versorgungsausgleich. Nach BGH, Beschluss vom 24.07.2013 – XII ZB 340/11 kommt ein Abänderungsverfahren nicht in Betracht, da in einem Abänderungsverfahren nur die bereits berücksichtigten Anwartschaften abgeändert werden können. Auch ein schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch kommt nicht in Betracht, da dafür die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 20.09.2012 – 14 UF 96/12; NJW 2012, 3795). Allenfalls bleibt ein Schadensersatzanspruch gegen den anderen Ehegatten in Betracht, falls dieser absichtlich eine Versorgungsanwartschaft verschwiegen hat. Ein solcher Schadensersatzanspruch kann nicht in einem Versorgungsausgleichsverfahren verfolgt werden. Es handelt sich bei einem Schadensersatzanspruch wegen absichtlich verschwiegener Anrechte nach §§ 823 Abs.2, 263 StGB um eine Familienstreitsache (§ 112 Nr. 3 FamFG), womit die Zuständigkeit der Familiengerichte begründet wird (§ 266 Abs.1 Nr.3 FamFG). Im Schadensersatzverfahren muss das betrügerische Verhalten nachgewiesen werden.
Jeder Ehegatte hat grundsätzlich jede einzelne in der Ehe erworbene Versorgungsanwartschaft mit dem anderen Ehegatten zu teilen, wobei die Hälfte (§ > 1VersAusglG) jeder ehezeitlich erworbenen Anwartschaft im Wege der
auf den anderen Ehegatten übertragen wird. Die externe Teilung ist die Ausnahme (§ > 9Abs.3 VersAusglG) und geht nur in den Fällen des § 14 Abs. 2 VersAusglG, § 16 und § 17 VersAusglG.
Jeder Ehegatte hat grundsätzlich jede einzelne in der Ehe erworbene Versorgungsanwartschaft mit dem anderen Ehegatten zu teilen, wobei die Hälfte (§ > 1VersAusglG) jeder ehezeitlich erworbenen Anwartschaft auf den anderen Ehegatten übertragen wird.
BGH, Beschluss vom 09.09.2015 – XII ZB 211/15
Interne Teilung gesetzlicher Rentenanwartschaften bei vorzeitiger Altersrente – Bezugsgröße der Teilung & “Zugangsfaktor”
(Zitat, Rn 10) “Gemäß § 1 Abs. 1 VersAusglG sind die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile) jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. Befindet sich ein Anrecht in der Anwartschaftsphase und richtet sich sein Wert nach einer Bezugsgröße, die unmittelbar bestimmten Zeitabschnitten zugeordnet werden kann, so entspricht der Wert des Ehezeitanteils gemäß § 39 Abs. 1 VersAusglG dem Umfang der auf die Ehezeit entfallenden Bezugsgröße. Diese unmittelbare Bewertung ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG insbesondere bei Anrechten anzuwenden, bei denen für die Höhe der laufenden Versorgung die Summe der Entgeltpunkte oder vergleichbarer Rechengrößen wie Versorgungspunkte oder Leistungszahlen bestimmend ist.”
(Zitat, Rn 11) “Maßgeblich für den Versorgungsausgleich ist das in der Ehezeit tatsächlich erworbene Anrecht des Antragstellers. Die hierfür maßgebliche Bezugsgröße im Sinne von § 5 Abs. 1 VersAusglG sind die während der Ehezeit erworbenen Entgeltpunkte. Demgegenüber bilden weder der Rentenbetrag noch die weiteren für seine Berechnung maßgebenden Faktoren eine den Ehezeitanteil prägende Bezugsgröße.”
(Zitat, Rn 15) “Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, schließt das neue Recht eine Berücksichtigung des Zugangsfaktors ausdrücklich aus. Nach §§ 41 Abs. 1, 39 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG i.V.m. § 109 Abs. 6 SGB VI ergeben sich die zu ermittelnden Entgeltpunkte aus der Berechnung einer Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze. Zur Begründung ist im Gesetzentwurf ausgeführt, dass für die Teilung von Anrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr (fiktive oder tatsächliche) Rentenbeträge, sondern die für das Versorgungssystem maßgebliche Bezugsgröße ausschlaggebend sei, nämlich Entgeltpunkte. Damit sollte die für das frühere Recht begründete Senatsrechtsprechung, die eine Berücksichtigung des Zugangsfaktors bei ehezeitlicher Inanspruchnahme vorgezogenen Altersruhegeldes ausnahmsweise zuließ, ausdrücklich nicht in das neue Recht übertragen werden (BT-Drucks. 16/10144 S. 80).”
Viele Versorgungsträger erheben für die Durchführung der Teilung Gebühren (= Teilungskosten). Oftmals werden diese mit einem Prozentsatz vom auszugleichenden Wert festgesetzt und führt z.T. zu unangemessen hohen Teilungskosten. Tatsächlich sind Teilungskosten nicht etwa an dem auszugleichenden Wert, sondern allein nach den – auch zu pauschalisierenden – tatsächlichen Verwaltungskosten zu orientieren, die den Betrag von insgesamt 1.000,00 € nicht übersteigen dürften. Zur Darlegung der Angemessenheit von Teilungskosten siehe > OLG Koblenz, Beschluss vom 10.6.2015 – 7 UF 179/15.
OLG München, Hinweisbeschluss vom 11.01.2017 – 16 UF 1640/16
(intern vorhanden, Az.: 146/15)
Zu den Voraussetzungen einer externen Teilung
(Zitat) “Hinsichtlich der Höhe der angesetzten Teilungskosten (hier: jeweils 75,00 €) bestehen keine Bedenken (vgl. BGH vom 11.07.2012, Az.: XII ZB 459/11, vom 27.06.2012, Az.: XII ZB 275/11 und vom 04.04.2012, Az.: XII ZB 310/11). Eine Pauschalisierung der Teilungskosten auf 2 – 3 % des Deckungskapitals ist nach den genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu akzeptieren, soweit die pauschalisierten Teilungskosten 500.- € je Anrecht nicht übersteigen”.
(1) Das Familiengericht begründet für die ausgleichsberechtigte Person zulasten des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei einem anderen Versorgungsträger als demjenigen, bei dem das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person besteht (externe Teilung).
(…)
(4) Der Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person hat den Ausgleichswert als Kapitalbetrag an den Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person zu zahlen.
Anmerkung: § > 14 Abs.1 VersAusglG enthält die Legaldefinition für die externe Teilung. Sie bedeutet, dass nach Bestimmung des Zielversorgungsträgers durch das Familiengericht der ausgleichspflichtige Versorgungsträger einen Kapitalbetrag an den Zielversorgungsträger zu bezahlen hat (§ 14 Abs.4 VersAusglG). Bei externer Teilungfließt also Geld von einer Versicherungsgesellschaft zur anderen, bei interner Teilung nicht. Viele private ausgleichspflichtige Versorgungsträger wünschen nicht die > interne Teilung (§ 10 VersAusglG) der Versorgungsanrechte ihrer Versicherungskunden, sondern wollen die externe Teilung. Denn die interne Teilung kostet den Versicherungsgesellschaften Zeit und Geld, was sie nicht umsonst zur Verfügung stellen. Daher werden bei interner Teilung auch sog. > Teilungskosten erhoben. Allein der Wunsch eines Versorgungsträgers nach externer Teilung (Hinweis: Diesen teilen die Versorgungsträger bei Auskunftserteilung dem Familiengericht mit) führt nicht automatisch zur externen Teilung. Es müssen die weiteren Voraussetzungen des § 14 Abs.2 VersAusglG erfüllt sein.
(2) Eine externe Teilung ist nur durchzuführen, wenn
1. die ausgleichsberechtigte Person und der Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person eine externe Teilung vereinbaren oder
2. der Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person eine externe Teilung verlangtund der Ausgleichswert am Ende der Ehezeit bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße höchstens 2 Prozent, in allen anderen Fällen als Kapitalwert höchstens 240 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch beträgt.
(3) § 10 Abs. 3 gilt entsprechend.
(…)
(5) Eine externe Teilung ist unzulässig, wenn ein Anrecht durch Beitragszahlung nicht mehr begründet werden kann.
Anmerkung:
Die externe Teilung erfolgt also in zwei Varianten:
Seit 2013 hatten sich die Stimmen gemehrt, die die hohen Grenzwerte des § 17VersAusglG für verfassungswidrig hielten. Weil die Unterstützungskassen und Direktversorgungen bei bis zu – aktuell – 82.800 EUR je Anrecht einseitig die externe Teilung wählen dürfen, ereignen sich ganz erhebliche Transferverluste für den Ausgleichsberechtigten. Grund dafür ist, dass bei der Berechnung des abzugebenden Kapitalwerts mit einem Zinssatz abgezinst wird, der zeitweise weit über den real am Markt erhältlichen Zinsen lag.
OLG München, Hinweisbeschluss vom 11.01.2017 – 16 UF 1640/16
(intern vorhanden, Az.: 146/15)
zu den Voraussetzungen einer externen Teilung
(Zitat) “Ursprünglich hatte die S [privater Versorgungsträger] die > externe Teilungbeantragt. Das Amtsgericht hat die externe Teilung zu Recht mit der Begründung abgelehnt, der jeweils ausgleichsberechtigte Ehegatte habe der externen Teilung nicht zugestimmt. Nach § > 14 Abs.2 Nr.1 VersAusglG kann die externe Teilung aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem ausgleichsberechtigten Ehegatten und dem Versorgungsträger erfolgen. Ohne Zustimmung des ausgleichsberechtigten Ehegatten ist eine externe Teilung nach § > 14 Abs.2 Nr.2 VersAusglG möglich, wenn der Versorgungsträger die externe Teilung verlangt und der Ausgleichswert eine Obergrenze(zum Zeitpunkt des Endes der Ehezeit 6.804.- €) nicht übersteigt. Im vorliegenden Fall übersteigen die Ausgleichswerte bzgl. beider Ausgleichsvorgänge die Obergrenze.”
Wenn nach §§ 14, 16, 17 VersAusglG die externe Teilung zulässig ist, dann hat der ausgleichsberechtigte Ehegatte ein Wahlrecht (§ 15 VersAusglG). Der ausgleichsberechtigte Ehegatte kann entscheiden, was mit dem Kapitalbetrag geschehen soll. Der Ausgleichsberechtigte kann damit eine bestehende Versorgung weiter ausbauen oder eine neue Versorgung begründen. Eine Auszahlung zur freien Verfügung des Ausgleichsberechtigten ist nicht möglich. Familiengerichte geben dazu entsprechende Hinweise verbunden mit der Aufforderung für den von Amts wegen durchzuführenden Versorgungsausgleich die gewünschte Zielversorgung mitzuteilen. Zugleich muss der Ausgleichsberechtigte dem Gericht nachweisen, dass dieser Versorgungsträger den Kapitalbetrag aufnehmen wird (Einverständniserklärung des Zielversorgungsträgers). Lassen Sie sich von Ihrem Zielversorgungsträger dazu eine schriftliche Bestätigung mit dem Vertragsangebot zur Vorlage bei Gericht aushändigen. Diese muss den Namen und die Anschrift des Zielversorgungsträgers sowie die genaue Bezeichnung der bestehenden bzw. gewünschten Form der Versorgung beinhalten.
Die externe Teilung erfolgt nach folgenden Regeln: Handelt es sich bei dem zu teilenden Anrecht um eine betriebliche Altersversorgung, so erwirbt der Ausgleichberechtigte ein Anrecht in der Versorgungsausgleichskasse. Dieser Versorgungsträger wurde eigens für die externe Teilung von betrieblichen Versorgungen geschaffen. Für weitere Informationen können Sie sich unmittelbar an die Versorgungsausgleichskasse, 10850 Berlin, (www.versorgungsausgleichskasse.de) wenden. In den übrigen Fällen einer externen Teilung wird ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet (§ 15 Abs.5 VersAusglG).
Anmerkung: Der BGH stellt in dieser Entscheidung klar, dass eine Entscheidung eines Familiengerichts zur externen Teilung einer Versorgungsanwartschaft mit Begründung eines Anrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 15 Abs.5 VersAusglG erst ergehen darf, wenn dem Ausgleichsberechtigten eine Frist zur Benennung eines Zielversorgungsträgers gesetzt wurde (§ 222 Abs.1 FamFG); Anmerkung zur Entscheidung von Torsten Obermann, in: > NZFam 2018, 174.
Erst mit der rechtskräftigen Entscheidung des Familiengerichts über die externe Teilung entsteht ein Versicherungsverhältnis auf der Grundlage des Vertragsangebots. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte muss also keinen Vertrag mit der Zielversorgung abschließen. Die vom Ausgleichsberechtigten zu bestimmende Zielversorgung muss eine angemessene Altersversorgung gewährleisten. Dies ist bei Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung, Anrechten im Sinne des Betriebsrentengesetzes oder Anrechten aus sog.,,Riester-Verträgen” und “Rürup-Renten” immer der Fall. Unter Umständen muss der Ehegatte der Wahl des Ausgleichsberechtigten zustimmen, weil die Entscheidung steuerliche Folgen für den Ehegatten haben kann. Eine Zustimmung des Ehegatten ist nicht erforderlich, wenn der Ausgleichsberechtigte
als Zielversorgung wählt. Wählt der Ausgleichsberechtigte ein anderes Anrecht, insbesondere eine steuerlich nicht begünstigte private Rentenversicherung, sollte der Ausgleichsberechtigte steuerrechtlichen Rat einholen und seine Wahl mit dem Ehegatten abstimmen.
(1) Das Familiengericht soll beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist.
(2) Einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert soll das Familiengericht nicht ausgleichen.
(3) Ein Wertunterschied nach Absatz 1 oder ein Ausgleichswert nach Absatz 2 ist gering, wenn er am Ende der Ehezeit bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße höchstens 1 Prozent, in allen anderen Fällen als Kapitalwert höchstens 120 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch beträgt.
Bezugsgröße Ost: Im Bereich der Renten- und Arbeitslosenversicherung gibt es für die Rechtskreise West und Ost noch bis Ende 2024 unterschiedliche bzw. getrennte Werte. Durch das Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz vom 17.07.2017 gilt ab dem 01.01.2025 allerdings nur noch eine Bezugsgröße, welche dann für Gesamtdeutschland maßgebend. Die Unterscheidung zwischen Bezugsgröße West und Ost wird es dann nicht mehr geben bzw. wird ab dem 01.01.2025 keine Bezugsgröße Ost mehr bestimmt (> Bezugsgröße).
Die Anwendung der Bagatellgrenze kann zu ungerechten Ergebnissen führen. Wenn z.B. ein Ehegatte nur eine gesetzliche Rente hat, die geteilt wird, während der andere Ehegatte evtl. mehrere verschiedene Anwartschaften hat, die einzeln betrachtet jeweils unter die Bagatellgrenze fallen. Hier sollte das Familiengericht aufgefordert werden, eine sog. “Billigkeitsentscheidung” zu treffen. Dies dürfte dann dazu führen, dass der Richter entweder die eigentlich geringfügigen Anwartschaften dennoch ausgleicht oder bei der Übertragung der anderen Entgeltpunkte eine Verrechnung vornimmt. Die Billigkeitsentscheidung kann freilich vom Oberlandesgericht überprüft werden.
Ein Anrecht ist nicht ausgleichsreif,
1. wenn es dem Grund oder der Höhe nach nicht hinreichend verfestigt ist, insbesondere als noch verfallbares Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes,
2. soweit es auf eine abzuschmelzende Leistung gerichtet ist,
3. soweit sein Ausgleich für die ausgleichsberechtigte Person unwirtschaftlich wäre oder
4. wenn es bei einem > ausländischen , zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträger besteht.
In der Praxis sind davon häufig Betriebsrenten, private Lebensversicherungen und > Renten von ausländischen Versorgungsträgern betroffen. Erteilt ein Versorgungsträger eine Auskunft dahin gehend, dass noch keine Unverfallbarkeit vorliegt, muss das FamG nachfragen, wann dies der Fall sein wird. Tritt vor Ausspruch der Scheidung noch Unverfallbarkeit ein, ist die Anwartschaft noch zu berücksichtigen § > 5 Abs. 2VersAusglG und unterfällt nicht dem schuldrechtlichen Ausgleich (§§ > 20 ff . VersAusglG).
Ausgenommen vom Versorgungsausgleich sind alle Anrechte, denen zum Zeitpunkt der Scheidung die Ausgleichsreife fehlt und deshalb im Scheidungsverbund dazu keine Entscheidung getroffen wird. Die fehlende Ausgleichsreife ist nicht im Tenor des Endbeschluss zur Scheidung aufzunehmen. Das jeweilige Anrecht muss aber in den Entscheidungsgründen (§ > 224 Abs. 4 FamFG) genannt werden, da es nur dann später nach den §§ > 20 ff. VersAusglG (schuldrechtlicher Versorgungsausgleich) berücksichtigt werden kann.
Für einen von Amts wegen bei Scheidung durchzuführenden öffentlich-rechtlichen Wertausgleich von Rentenanwartschaften müssen diese Anwartschaften ausgleichsreif sein. Ist des nicht der Fall, verweist das Familiengericht die Beteiligten wegen der nicht ausgleichsreifen Anwartschaften im Tenor seiner Entscheidung zum öffentlich-rechtlichen Wertausgleich auf den schuldrechtlichen Wertausgleich (§§ 20 ff VersAusglG). Der schuldrechtliche Ausgleich bietet weitaus geringere Sicherheit, dass man hieraus in den Genuss einer Altersrente kommt. Daher sollte man stets bestrebt sein, die Möglichkeit einer Abfindung nach § 23 VersAusglG in Betracht zu ziehen. Es ist folgende Prüfungsabfolge zu empfehlen:
OLG Frankfurt, Beschluss vom 31.01.2020 – 4 UF 42/19
Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich nach Scheidung
oder schuldrechtliche Abfindung nach § 23 VersAusglG mit Scheidung?
(Zitat) “ Liegen die Voraussetzungen für eine schuldrechtliche Abfindung des auszugleichenden Anrechts nach §§ 23, 24 VersAusglG vor, kann der Abfindungsanspruch bereits im Scheidungsverbundverfahren als Folgesache geltend gemacht werden. Die erstmals im zweiten Rechtszug hilfsweise für den Fall der Unwirtschaftlichkeit des öffentlich-rechtlichen Wertausgleichs bei der Scheidung erfolgte Geltendmachung des Abfindungsverlangens durch die Antragsgegnerin begegnet dabei keinen Bedenken im Hinblick auf ihre Zulässigkeit.“
Anmerkung: Die Auffassung des OLG Frankfurt a.M. hat der > BGH mit seiner Entscheidung vom 05.10.2022 – XII ZB 74/20 im Ergebnis bestätigt. Als Alternative zum schuldrechtlichen (späteren) Versorgungsausgleich (§§ > 20 ff. VersAusglG) kann eine zweckgebundene Abfindung (§§ > 23 ff. VersAusglG) verlangt werden. Über den Abfindungsanspruch nach §§ 23 f. VersAusglG kann bereits bei der Scheidungentschieden werden. § 23 VersAusglG, der die Möglichkeit der Sicherung eines noch nicht ausgeglichenen Anrechts verbessern und der besseren sozialen Absicherung des Ausgleichsberechtigten gegenüber der bisherigen Regelung des § 1587 l BGB a. F. dient (vgl. hierzu Borth, Versorgungsausgleich, 6. Aufl., Rn. 782), gewährt einen Anspruch auf Abfindung künftiger schuldrechtlicher Ausgleichsansprüche gegen den Ausgleichspflichtigen. Die Geltendmachung einer Abfindung kann insbesondere geboten sein, um im Hinblick auf § 31 Abs. 3 Satz 1 VersAusglG (Erlöschen des Anspruchs auf schuldrechtlichen Versorgungsausgleich mit dem Tod des Ehegatten) das Risiko des Vorversterbens des Ausgleichspflichtigen zu vermeiden. Das kann vor allem gegeben sein, wenn ein größerer Altersunterschied zwischen den Ehegatten besteht (vgl. Borth, Versorgungsausgleich, Rn. 783). Damit nimmt § 23 VersAusglG den eigentlichen schuldrechtlichen Ausgleich vorweg und schafft die Möglichkeit, Anrechte bereits in der Anwartschaftsphase endgültig auszugleichen, obwohl eine externe oder interne Teilung nach §§ 9 – 18 VersAusglG nicht möglich ist. Da die Abfindung die künftigen schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche gegen den Ausgleichspflichtigen umfasst und bereits im Scheidungsverbundverfahren verlangt werden kann, wird eine spätereAuseinandersetzung der Ehegatten über schuldrechtliche Ausgleichszahlungen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 oder § 22 Satz 1 VersAusglG vermieden (vgl. zum Ganzen z.B. Borth, a.a.O., Rn. 782 ff; Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, § 23 VersAusglG, Rn. 1).
Die Vorschrift des § 23 VersAusglG regelt die Voraussetzungen für eine Abfindung , die als zweckgebundene Zahlung an einen von der ausgleichsberechtigten Person zu bestimmenden Versorgungsträger zu leisten ist.
Voraussetzung für eine Abfindung ist, dass es sich um ein dem Grund und der Höhe nach gesichertes Anrecht handelt. Wann das der Fall ist hat der BGH entscheiden:
BGH, Beschluss vom 17. April 2013 – XII ZB 371/12
Zum Abfindungsanspruch nach §§ 23 f. VersAusglG bei nicht ausgleichsreifen aber gesicherten Anrechten
(Zitat) “Gemäß § 19 Abs. 1 VersAusglG findet, wenn ein Anrecht nicht ausgleichsreif ist, insoweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt. Nicht ausgleichsreif ist ein Anrecht insbesondere, wenn es dem Grund oder der Höhe nach nicht hinreichend verfestigt ist (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG). Hinreichend verfestigt ist ein Anrecht insoweit, als der Versorgungswert dem Grund und der Höhe nach durch die künftige betriebliche oder berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers nicht mehr beeinträchtigt werden kann und somit bereits endgültig gesichert ist (FAKomm-FamR/Wick 5. Aufl. § 19 VersAusglG Rn. 11; Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl. § 19 VersAusglG Rn. 5; 8 Hoppenz Familiensachen 9. Aufl. § 19 VersAusglG Rn. 5; vgl. auch Senatsbeschluss vom 12. April 1989 – IVb ZB 146/86 – FamRZ 1989, 844, 845 mwN). Ebenfalls zutreffend hat das Oberlandesgericht entschieden, dass eine Abfindung des noch nicht ausgleichsreifen Anrechts gemäß §§ 23 f. VersAusglG nicht in Betracht kommt.
aa) Zwar kann über eine > schuldrechtliche Abfindung eines Anrechts bereits bei der Scheidung entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass die Anspruchsgrundlage (§ 23 Abs. 1 VersAusglG) in einem Gesetzesabschnitt geregelt ist, der sich mit Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung befasst. Denn entgegen der systematischen Einordnung will die Vorschrift, die dem früheren § 1587 l Abs. 1 BGB nachgebildet ist, eine Möglichkeit zum Ausgleich entweder in der Anwartschaftsphase oder in der Leistungsphase schaffen (BT-Druck. 16/10144 S. 65). Anders als bei der schuldrechtlichen Ausgleichsrente (§ 20 VersAusglG) ist der tatsächliche Rentenbezug daher kein Anknüpfungspunkt (Hoppenz Familiensachen § 24 VersAusglG Rn. 2). Leitet sich die Abfindbarkeit aus der Art des Anrechts und seiner fehlenden internen oder externen Ausgleichsreife bei der Scheidung her und liegen die Voraussetzungen für eine schuldrechtliche Abfindung bereits bei der Scheidung vor, kann der Abfindungsanspruchwie nach früherem Recht (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Februar 1984 IVb ZB 915/80 FamRZ 1984, 668, 669) bereits im > Scheidungsverbund geltend gemacht werden (Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl. § 23 VersAusglG Rn. 1; FAKomm-FamR/Wick 5. Aufl. § 23 VersAusglG Rn. 13; Borth Versorgungsausgleich 6. Aufl. Rn. 797; Hoppenz Familiensachen 9. Aufl. § 24 VersAusglG Rn. 2).
bb) Voraussetzung eines Abfindungsanspruchs nach § 23 VersAusglG ist jedoch, dass es sich bei dem noch nicht ausgeglichenen Anrecht um ein dem Grund und der Höhe nach gesichertes Anrecht handelt (FAKomm-FamR/Wick 5. Aufl. § 23 VersAusglG Rn. 4; Borth Versorgungsausgleich 6. Aufl. Rn. 706; MünchKommBGB/Glockner 6. Aufl. § 23 VersAusglG Rn. 2; Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl. § 23 VersAusglG Rn. 1; Hoppenz Familiensachen 9. Aufl. § 24 VersAusglG Rn. 10; vgl. auch Senatsbeschluss vom 29. Februar 1984 IVb ZB 915/80 FamRZ 1984, 668, 669).”
Der Anspruch auf Abfindung nach § 23 Abs. 1 VersAusglG besteht allerdings nur dann, wenn der Ausgleichspflichtige eine solche Zahlung zumutbar ist (§ 23 Abs.2 VersAusglG). Die Regelung will eine unverhältnismäßig starke wirtschaftliche Belastungdes Ausgleichspflichtigen durch die Abfindungszahlung vermeiden. Es kommt daher hier nur auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit an (vgl. Borth, Versorgungsausgleich, Rn. 782; Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, § 23 VersAusglG, Rn. 7). Dabei sind die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Ausgleichspflichtigen zu berücksichtigen. Die Möglichkeit, die Einmalzahlung durch eine Kreditaufnahme aufzubringen, ist ebenso in die Abwägung einzubeziehen wie eine Ratenzahlung (§ 23 Abs.3 VersAusglG). Die Inanspruchnahme eines Darlehens zur Finanzierung der Abfindung ist jedenfalls dann zumutbar, wenn es dem Verpflichteten angesichts seiner sonstigen Einkommensverhältnisse möglich ist, dieses ohne Beeinträchtigung des eigenen angemessenen Unterhalts und der materiell-rechtlich bestehenden Unterhaltsansprüche Dritter abzutragen (vgl. hierzu Borth, a.a.O., Rn. 792; OLG Zweibrücken, FamRZ 2007, 1178). Zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen nach § 23 Abs. 1 VersAusglG hat der Ausgleichspflichtige grundsätzlich auch seinen Vermögensstamm anzugreifen (vgl. hierzu Borth, a.a.O., Rn. 791). Der Anspruch auf eine Abfindung der schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche scheidet nur dann aus, wenn der Ausgleichspflichtige dadurch nicht mehr in der Lage wäre, seinen eigenen angemessenen Unterhalt i.S.v. § 1581 Satz 1 BGB und den gesetzlichen Unterhaltsanspruch der ihm gegenüber Unterhaltsberechtigten zu erfüllen (vgl. hierzu Johannsen/Henrich/Holzwarth, a.a.O., § 23 VersAusglG, Rn. 7). Um diese Hürde für den Abfindungsanspruch bei einem isolierten Verfahren zu entgehen, sollte bei der Scheidung an die Alternativen bei > ausländischen Anwartschaften zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gedacht werden (Stichworte: Verrrechnung – Teilausschluss des Versorgungsausgleichs)
Für die Höhe der Abfindung ist gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG der Zeitwert des Ausgleichswerts maßgeblich. Hierbei handelt es sich bei Anrechten, deren Ausgleichswert nicht bereits als Kapitalwert bestimmt ist, um den korrespondierenden Kapitalwert des Ausgleichswerts im Sinne des § 47 VersAusglG einschließlich der darauf bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bzw. der voraussichtlichen Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung entfallenden Wertentwicklung (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2013, 1039, m.w.N.; Münchener Kommentar zum BGB/Ackermann-Sprenger, 8. Aufl. 2019, § 24 VersAusglG, Rdnr. 4 ff.; BeckOGK-BGB/Fricke, Stand 1.8.2019, § 24 VersAusglG, Rdnr. 9 f.).
Wie der BGH mit Beschluss vom 05.10.2022 – XII ZB 74/20 bestätigt, kann der gesetzliche Rentenversicherungsträger Ziel- und Auffangversorgungsträger für die Abfindungszahlung sein (Ausnahme bei Abfindung von betrieblichen Versorgungsanwartschaften). Dort wird für die ausgleichsberechtigte Person ein bestehendes Versorgungsanrecht ausgebaut oder ein neues Versorgungsanrecht begründet. Die für die Aufnahme der Abfindung in der gesetzlichen Rentenversicherung notwendige gesetzliche Voraussetzung hatte der Gesetzgeber ausdrücklich erst zum 1.8.2021 mit § 187 I Nr. 2 c) SGB VI nF geschaffen.
Die Entscheidung des Gerichts zum Wertausgleich wird mit Rechtskraft wirksam (§ 224 Abs.1 FamFG). Beginnt die Rente, nachdem der Beschluss des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich rechtskräftig und wirksam geworden ist, wird die Erhöhung oder Minderung aus dem Versorgungsausgleich ab Rentenbeginn berücksichtigt. Wer zu diesem Zeitpunkt schon Rentner ist, erhöht oder mindert sich die Rente von dem Monat an, zu dessen Beginn die Gerichtsentscheidung rechtskräftig und wirksam ist. Bekommen beide Ehepartner bei der Scheidung bereits eine Rente, ist es aus technischen Gründen meist nicht möglich, die Rente des belasteten Ehepartners rechtzeitig zu mindern. Damit der Rentenversicherungsträger nicht doppelt zahlt, darf er diesem Ehepartner die ungekürzte Rente noch bis zum Ende des nächsten Monats nach dem Monat, in dem der Rentenversicherungsträger die Rechtskraftmitteilung erhielt, weiterzahlen (§ 29 VersAusglG). Erst danach wird die Rente des anderen Ehepartners erhöht. Ein Verstoß macht nach § 823 Abs.2 BGB den Versorgungsträger schadensersatzpflichtig.
Nach dem Versorgungsausgleich richtet sich die Höhe der Rente nach dem Wert der verbliebenen Rentenanwartschaft beim Versorgungsträger. Über die zu erwartende Rente erteilt der jeweilige Versorgungsträger Auskunft.
Vor der Versorgungsausgleichsreform am 1.9.2009 galt die Grundregel: Wer zum Zeitpunkt der Scheidung bereits Rentner oder Pensionist war, behielt trotz eines zu seinem Nachteil durchgeführten Versorgungsausgleichs seinen Anspruch auf ungekürzte Rentenzahlung, solange der andere Ehegatte noch nicht in den Ruhestand ging und damit rentenbezugsberechtigt wurde. Das Rentner- /Pensionisten-Privileg gilt nach neuem Recht nicht mehr, und zwar für sämtliche Scheidungsverfahren, die nach dem 01.09.2009 eingeleitet wurden. Auch bleibt es nach neuem Recht bei der Pensionskürzung, wenn der bezugsberechtigte geschiedene Ehegatte vor Erreichen des Rentenalters verstirbt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.2015 – 2 C 20/14 ; BVerwG > Pressemitteilung)
Muster–Antrag
Aussetzung des Versorgungsausgleichs nach §§ 33, 34 VersAusglG.
Wenn nun die Durchführung des Versorgungsausgleichs beim Unterhaltspflichtigen zu einer erheblichen Reduzierung seines > Einkommens führt, so hat dies für den Unterhaltsberechtigten generell die Auswirkung, dass dementsprechend sich der Unterhaltsanspruch kürzt. Zur Vermeidung dieser Rechtsfolge gilt §§ > 33 ff VersAusglG. Auf Antrag des Unterhaltsberechtigten oder des Unterhaltspflichtigen kann es zur Aussetzung Rentenkürzung kommen. Über die Anpassung und deren Abänderung entscheidet das Familiengericht (§ > 34 Abs.1 V ersAusglG ). Da die Anpassung erst ab Folgemonat nach Antragstellung wirkt, §§ 38 Abs. 2, 34 Abs. 3 VersAusglG, sollte sie schnellstmöglich geltend gemacht werden.
OLG Oldenburg, Beschluss v. 30.04.2012 – 13 UF131/11
Anpassung und Aussetzung des Versorgungsausgleichs wegen laufender Unterhaltszahlungen nach §§ 33, 34 VersAusglG
AG Augsburg, Beschluss vom 27.06.2013 – 405 F 2413/12
Aussetzung des Versorgungsausgleichs nach einem Vergleich über nachehelichen Unterhalt
(1) Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbilligwäre.
(2) Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.
OLG München, Beschluss vom 02.01.2023 – 12 UF 1116/22
(intern vorhanden; unser Az.: 84/22)
§ 27 VersAusglG: Wirtschaftlich fragwürdige Ergebnisse sollen verhindert werden
(Zitat) “Nach § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich nur dann ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre, was nur dann der Fall ist, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es – anders als hier – rechtfertigen, von der Halbteilung der während der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte abzuweichen. Die Vorschrift ist zum 1.9.2009 an die Stelle des § 1587c BGB a.F. getreten. Eine inhaltliche Änderung der zu einem teilweisen oder vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs führenden Tatbestände gegenüber der bis zum 31.8.2009 geltenden Rechtslage ist damit nicht verbunden (vgl. BT-Drucks. 16/10144, S. 68).Durch die Härteklausel sollen weiterhin wirtschaftlich fragwürdige Ergebnisse verhindert werden, welche mit der bisherigen und fortwirkenden Versorgungsgemeinschaft der geschiedenen Ehegatten nicht zu rechtfertigen sind und welche der Gerechtigkeit in unerträglicher Weise widersprechen (vgl. BVerfG FamRZ 1984, 653; BVerfG FamRZ 1992, 405, 406; BGH FamRZ 2013, 1200; FamRZ 1989, 1062, 1063). In die erforderliche Gesamtabwägung sind sämtliche Lebensumstände der Ehegatten einzubeziehen, die für ihren gegenwärtigen oder zukünftigen wirtschaftlichen Stand von Bedeutung sind (vgl. BGH FamRZ 2013, 1200; FamRZ 1982, 475, 477). Nach der noch zu § 1587c BGB a.F. entwickelten Rechtsprechung kommt ein vollständiger oder teilweiser Ausschluss des Versorgungsausgleichs insbesondere dann in Betracht, wenn der Versorgungsausgleichsein Ziel, zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit der Ehegatten für den Fall des Alters oder der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit beizutragen, nicht erreichen kann, sondern im Gegenteil zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führen würde, z.B. wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich klar abzusehen ist, dass der Ausgleichsberechtigte bei Erreichen der Altersgrenze über eine im Verhältnis zum Ausgleichspflichtigen unverhältnismäßig hohe Altersversorgung verfügen wird oder bereits anderweitig angemessen abgesichert ist, während der Ausgleichspflichtige auf die von ihm in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (vgl. BGH FamRZ 2005, 1238; 1996, 1540, 1542; 1988, 489, 490; OLG Hamm FuR 2021, 488; Senat FamRZ 2020, 1637; OLG Frankfurt am Main FamRZ 2014, 132; MüKoBGB/Weber, 9. Aufl. 2022, § 27 VersAusglG, Rn 19 m.w.N.). Daher sind bei der Entscheidung insbesondere die gegenwärtige und zukünftige wirtschaftliche Situation der Eheleute zu berücksichtigen und alle bereits bekannten oder vorhersehbaren Lebensumstände in Betracht zu ziehen, die ihre Versorgungslage beeinflussen (MüKoBGB/Weber, aaO., Rn 10).
Die bisherigen Feststellungen zur gegenwärtigen und zukünftigen wirtschaftliche Situation der Eheleute, wie sie durch das Amtsgericht getroffen wurden, reichen nicht aus, um einen auch nur teilweisen, Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG zu rechtfertigen. Weder wurden die aktuellen Einkommensverhältnisse, noch die Vermögensverhältnisse, wie sie sich nach der Trennung darstellen, festgestellt. Im Versorgungsausgleichsverfahren gilt der Grundsatz der Amtsermittlung (§ 26 FamFG); die für die Anwendung der Härteregelung des § 27 VersAusglG erheblichen Tatsachen sind daher von Amts wegen zu berücksichtigen; liegen Hinweise auf eine ungleichgewichtige Verteilung des in der Ehe Erworbenen vor, hat das Gericht den Sachverhalt auch insoweit von Amts wegen aufzuklären. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Tatrichter nach Umständen zu forschen hätte, die Anlass zur Anwendung der Härteklausel geben könnten; es ist vielmehr Sache des Ausgleichspflichtigen, Umstände vorzutragen, mit denen er eine erstrebte Herabsetzung des Ausgleichs begründen will. Die Grundsätze der materiellen Feststellungslast bleiben hiervon unberührt, so dass es zu Lasten des Ausgleichspflichtigen geht, wenn sich die Voraussetzungen der Härteklausel nicht feststellen lassen (MüKoBGB/Weber, aaO., Rn 73).”
KG, Beschluss vom 02.03.2020 – 13 UF 184/19
(veröffentlich in FF 2020, 498)
Auflösung und Erlöschen einer Lebensversicherung vor Zustellung des Scheidungsantrags (illoyales Verhalten)
Kernaussagen:
1. Ein Ehegatte, der etwa zwei Wochen bevor ihm der Scheidungsantrag zugestellt wird das in seinem > Lebensversicherungsvertrag vereinbarte Kapitalwahlrecht ausübt, sich den Policenwert auszahlen lässt und auf diese Weise bewirkt, dass seine Rentenversicherung erlischt mit der Folge, dass das (aufgelöste) Anrecht im Versorgungsausgleich nicht (mehr) zu berücksichtigen ist, handelt illoyal. In diesem Fall ist ein Anrecht des anderen Ehegatten in dem Umfang, in dem der Ehegatte auf sein Anrecht eingewirkt hat, nach § 27 VersAusglG vom Versorgungsausgleich auszunehmen, weil das Handeln des Ehegatten dazu führt, dass sich die Verteilungsgerechtigkeit unter den Ehegatten verschiebt.
2. Unbillig und treuwidrig ist es dabei nicht, dass der Ehegatte das eigene Anrecht dem Versorgungsausgleich entzogen hat, sondern dass er damit die Erwartung verbunden hat, gleichwohl in unverminderter Höhe an den Anrechten des anderen Ehegatten beteiligt zu werden (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 1.4.2015 – XII ZB 701/ 13, FamRZ 2015, 998). Diese Erwartung ist illoyal und rechtfertigt es, das Verhalten des Antragsgegners als grob unbillig anzusehen. Auf die Beweggründe, weshalb der Ehegatte sein Anrecht aufgelöst hat, kommt es deshalb nicht weiter an.
3. In einer derartigen Konstellation verlangt § 27 VersAusglG keinen „centgenauen “Ausgleich von „Minimalanrechten “, sondern Beträge, die bereits nach § 18 VersAusglG nicht auszugleichen wären, sind vorbehaltlich besonderer Umstände auch dann nicht auszugleichen, wenn in illoyaler Weise auf ein Anrecht eingewirkt wurde und deshalb Anrechte des anderen Ehegatten nach § 27 VersAusglG vom Ausgleich auszunehmen sind.
AG Ludwigsburg, Beschluss vom 30.12.2016 – 4 F 1272
(intern vorhanden)
Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG nur bei grober Unbilligkeit (außergewöhnlichen Härtefall)
(Zitat) “Der Antragsteller hat beantragt, den Versorgungsausgleich auszuschließen, da dieser zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht führen würde, insbesondere deshalb, weil die Antragsgegnerin mit einem großen Erbe zu rechnen habe und über Eigentumswohnungen verfügen würde, von denen sie im Rentenalter profitieren würde. Im übrigen könne die Antragsgegnerin ihre Rentenansprüche bis 2034 weiter ausbauen, was dem Antragsteller nur bis 2027 möglich sei. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin. Ein außergewöhnlicher Härtefall liege nicht vor. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG liegen nicht vor. Demnach kommt ein Ausschluss nur dann in Betracht, wenn die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig wäre. Eine grobe Unbilligkeit setzt voraus, dass die rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Umständen des Falles den Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise wider spricht (BGH FamRZ 2005, 1238). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr verwirklicht sich im vorliegenden Fall der Grundgedanke des Versorgungsausgleichs, da die Beteiligten in traditioneller Ehe gelebt haben und die Antragsgegnerin daraus resultierend deutlich geringere Anwartschaften erworben hat. Die wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung der Beteiligten werden dem Grundgedanken aller Voraussicht nach nicht in unerträglicher Weise widersprechen, da der Antragsteller durch sein höheres Einkommen weiterhin deutlich mehr Anwartschaften wird hinzu erwerben können. Kindesunterhalt wird mit Erreichen des Rentenalters nicht mehr zu zahlen sein. Hingegen wird die Antragsgegnerin private Altersvorsorge betreiben müssen. Die Aussicht auf Mieteinnahmen aus den Eigentumswohnungen, die die Antragsgegnerin zur Hälfte schenkweise von ihren Eltern erhalten hat, ist ungewiss, da zum einen ein Nießbrauchsrecht der Eltern auf dem Eigentum lastet, dessen Dauer nicht absehbar ist, und erfahrungsgemäß die Rendite mit zunehmendem Alter von Immobilien aufgrund notwendiger Investitionsmaßnahmen sinkt. Zudem kann der Argumentation des Antragstellers nicht gefolgt werden, dass er ab 2027 keine Rentenansprüche mehr hinzu erwerben könne. Abgesehen von der Tatsache, dass die Befristung seines Arbeitsvertrages auf den Tag seines 60. Geburtstages nach §§ 14 Tz BfG unwirksam sein dürfte, geht das Gericht davon aus, dass der Antragsteller mit seiner Ausbildung und Berufserfahrung auch im Alter von 60 noch eine abhängige oder selbständige Beschäftigung finden kann, die ihm weitere Altersvorsorge ermöglicht. Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs kommt daher nicht in Betracht.”
OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.09.2019 – 9 UF 51/19
Kein Ausschluss oder Herabsetzung des Versorgungsausgliches nach § 27 VersAusglG trotz langen Getrenntlebens bei alleiniger Kinderbetreuung
Anmerkung: Eine lange Trennungszeit der Ehegatten kann Anlass sein, den Ausschluss oder die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit in Betracht zu ziehen. Allerdings darf eine Billigkeitskorrektur nicht vorgenommen werden, soweit Trennungszeiten betroffen sind, in denen der ausgleichsberechtigte Ehegatte in schutzwürdiger Weise auf eine spätere Teilhabe an den Anrechten des ausgleichspflichtigen Ehegatten vertraut hat. Ein solches Vertrauen besteht für Zeiten des Getrenntlebens, in denen der ausgleichsberechtigte Ehegatte die gemeinschaftlichen Kinder alleine betreut und erzieht, wobei es nicht darauf ankommt, ob und inwiefern der Ausgleichspflichtige durch die Kindererziehung tatsächliche Nachteile im Aufbau einer eigenen Altersversorgung hinnehmen musste.
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 4. Juni 2013 – 6 UF 50/12
zu den Voraussetzungen des § 27 VersAusglG
(Zitat, Rn 17) “Gem. § > 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nach Satz 2 der genannten Vorschrift nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. § 27 VersAusglG erlaubt eine Korrektur, wenn die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widerspricht(BGH, Beschluss vom 13.02.2013 – XII ZB 527/12 , FamRZ 2013, 690 ; FamRB 2013, 135mit Anmerkung Schwamb; Rn 14 zitiert nach juris; Beschluss vom 19.09.2012 – XII ZB 649/11 , FamRZ 2013, 106, Rn 19 m.w.N.; Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/10144S. 67). Obwohl die Formulierung des § 27 VersAusglG von den bisherigen Härteregelungen abweicht, ist mit dieser Änderung keine Änderung des materiellen Rechts verbunden und es kann auf die bislang entwickelten Fallgruppen der Härtefälle und die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden (siehe Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/10144, S. 68; Glockner/Hoenes/Weil, Der neue Versorgungsausgleich, 2009, § 8 Rn 74). Die Entscheidung darüber, ob ein Härtefall vorliegt, ist anhand der gegenwärtigen und zukünftigen wirtschaftlichen, persönlichen und sozialen Situation der Eheleute zu treffen (BGH, Beschluss vom 13.02.2013 – XII ZB 527/12, FamRZ 2013, 690 ; FamRB 2013, 135mit Anmerkung Schwamb; Rn 14 zitiert nach juris; Beschluss vom 19.09.2012 – XII ZB649/11, FamRZ 2013, 106, Rn 19 m.w.N.). Maßgeblich sind alle bereits bekannten und vorhersehbaren Lebensumstände, die die Versorgung beeinflussen, was eine Würdigung z.B. des Alters der Eheleute, ihres Gesundheitszustands, ihrer Ausbildung, ihrer Beschäftigungssituation, der Ehedauer und der Aufgabenverteilung während der Ehe insbesondere bei der Kindererziehung einschließt (Ruland, Versorgungsausgleich, 3. Aufl. 2011, Rn 784). Für die hier einzig in Betracht kommenden Fallgruppen eines Härtefalls aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten oder aufgrund einer Pflichtverletzung eines Ehegatten gilt Folgendes (für eine zusammenfassende Darstellung der Kasuistik siehe Ruland, Versorgungsausgleich, Rn 814 ff und 805 ff.): Der Versorgungsausgleich ist ganz oder teilweise auszuschließen, wenn die Inanspruchnahme des ausgleichspflichtigen Ehegatten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung grob unbillig wäre. Allerdings kann ein zu einer Unbilligkeit führendes Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen nur angenommen werden, wenn die Altersversorgung des Ausgleichsberechtigten aufgrund seines vorhandenen Vermögens uneingeschränkt abgesichert ist, während der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (BGH, Beschluss vom 25.05.2005 – XII ZB 135/02, FamRZ 2005, 1238, Rn 10 zitiert nach juris; Beschluss vom 24.02.1999 – XII ZB 47/96 , FamRZ1999, 714, Rn 14 zitiert nach juris). Die Verletzung einer Unterhaltspflicht oder einer Betreuungspflicht durch einen Ehegatten kann zu einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs nur führen, wenn die Pflicht für längere Zeit gröblich (BGH, Beschluss vom 09.07.1986 – IVb ZB 4/85 , FamRZ 1987, 49, Rn 12 zitiert nach juris) bzw. in schwerwiegender Weise oder beharrlich (OLG Köln, Beschluss vom 23.06.2008 – 12 UF 46/08 , FamRZ 2008, 2282,Rn 16 zitiert nach juris) verletzt wird. Dass ein Ehegatte für einen Zeitraum die Dreifachbelastung durch Haushalt,Kindererziehung und Erwerbstätigkeit auf sich genommen hat, kann zu einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs führen (BGH, Beschluss vom 09.07.1986 – IVb ZB 4/85, FamRZ 1987, 49, Rn 12), der Ausschluss ist jedoch nicht zwingend und hängt von den übrigen Umständen des Einzelfalls ab (OLG Hamm, Beschluss vom 05.03.2004 – 11 UF 186/03 , Rn 11 ff., zitiert nach juris). Notwendig ist eine gröbliche Pflichtverletzung durch den Ausgleichsberechtigten,die voraussetzt, dass der andere Ehegatte und ggf. gemeinsame Kinder nachhaltig in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht wurden (BGH, Beschluss vom 09.07.1986 – IVb ZB 4/85, FamRZ 1987, 49, Rn 12; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 16.07.2008 – 10 UF 22/07, FamRZ 2009, 1414, Rn 21 zitiert nach juris).
BGH, Beschluss vom 09.09.2015 – XII ZB 211/15
Zur Beschränkung des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit (lange > Trennungsphase )
BGH, Beschluss vom 01.04.2015 – XII ZB 701/13
Zur Beschränkung des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG wegen vorzeitiger Auflösung einer Lebensversicherung
Anmerkung: Private > Lebensversicherungen mit Renten-/Kapiatlwahlrecht können dem Versorgungsausgleich entzogen werden, indem das Kapitalwahlrecht ausgeübt wird. In diesem Fall wird der Wert die Lebensversicherung in der > Zugewinnbilanz dem > Endvermögen zugerechnet. Doch was ist, wenn die Ehegatten in Gütertrennung leben oder aus anderem Grund der Wert der Lebensversicherung dem (Zugewinn-)Ausgleich entzogen wird? Mit Beschluss vom 01.04.2015 erklärt der BGH, wann aus diesem Grund die Auflösung der Lebensversicherung ein grob unbilliges Verhalten i.S.d. § 27 VersAusglG darstellen kann. Die Verteilungsgerechtigkeit ist gem. § 27 VersAusglG dadurch wiederherzustellen, dass ein Anrecht des anderen Ehegatten um den ursprünglichen Ausgleichswert der gekündigten Lebensversicherung vor der Teilung zu Gunsten desjenigen, der sein Anrecht dem Versorgungsausgleich entzogen hat, verringert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 16.12.2015 – XII ZB 450/13; OLG Bremen, Beschluss vom 29.10.2015 – 4 UF 102/15: Anmerkung dazu von Margarethe Bergmann, in NZFam 2016, 79).
(1) Die Ehegatten können Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich schließen. Sie können ihn insbesondere ganz oder teilweise
1. in die Regelung der ehelichen Vermögensverhältnisse einbeziehen,
2. ausschließen sowie
3. Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung gemäß den §§ 20 bis 24 vorbehalten.
(2) Bestehen keine Wirksamkeits- und Durchsetzungshindernisse, ist das Familiengericht an die Vereinbarung gebunden.
(1) Eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich, die vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung geschlossen wird, bedarf der notariellen Beurkundung.
(2) § 127a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
(3) Für eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich im Rahmen eines Ehevertrags gilt die in § 1410 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmte Form.
(1) Die Ehegatten können ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Vertrag (Ehevertrag)regeln, insbesondere auch nach der Eingehung der Ehe den > Güterstand aufheben oder ändern.
(2) Schließen die Ehegatten in einem Ehevertrag Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich , so sind insoweit die §§ 6 und 8 des Versorgungsausgleichsgesetzes anzuwenden.
Bereits vor der > Scheidung können in Form einer notariellen Vereinbarung (§ > 1408 Abs.2 BGB) nach Maßgabe der § > 6 VersAusglG (Grundsatz der > Vertragsfreiheit) und § > 8 VersAusglG (> Grenzen durch Inhalts- und Ausübungskontrolle) individuelle Regelungen zum Versorgungsausgleich getroffen oder der Ausschluss der Durchführung des Versorgungsausgleichs bestimmt werden. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs in -> Eheverträgen nach dem 01.09.2009 führt nicht mehr automatisch zur > Gütertrennung. Im Scheidungstermin kann im Wege einer sog. Scheidungsfolgevereinbarung individuelle Regelungen zum Versorgungsausgleichabgeschlossen werden, die > gerichtlich protokolliert werden. Im letzten Fall müssen beide Parteien durch Anwälte vertreten sein. Soweit wegen entsprechender Regelung der Eheleute ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet, stellt das Familiengericht dies durch Beschluss fest (§ > 224 Abs.3 FamFG).
OLG Köln, Beschluss vom 02.04.2019 – 10 UF 26/19
Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei mangelnden Sprachkenntnissen – Verständnisproblem
Leitsatz: Wer bei einer notariellen Beurkundung auf Nachfrage des Notars die (nach seinem Vortrag unrichtige) Behauptung ausreichender Deutschkenntnisse aufgestellt hat, kann aus einer solcherart eigenen falschen Angabe in einem nachfolgenden Rechtsstreit keine Rechte gegen die Wirksamkeit des Notarvertrags herleiten. (Zitat, Rn 21) “wenn der Erklärende eine Willenserklärung in dem Bewusstsein abgibt, deren Inhalt nicht oder nicht vollständig zu kennen oder wenn er sich über den Erklärungsinhalt keine Gedanken macht, unterliegt er keinem zur Anfechtung berechtigenden Irrtum (OLG Köln, Urt. v. 01.07.1998 – 27 U 6/98, VersR 2000, 243; Staudinger-Hertel (2017), Beurkundungsgesetz, § 16 BeurkG, Rn. 544).” (Zitat, Rn 24) “Der Versorgungsausgleichwirkt sich wie ein vorweggenommener Altersunterhalt aus und zählt daher zwar zum Kernbereich der gesetzlichen Scheidungsfolgen. Er steht aber auch dem Zugewinnausgleich nahe, weswegen er grundsätzlich auch vertraglich vereinbart werden(vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2005 – XII ZR 296/01).”
Anmerkung: Das OLG Köln geht ausführlich auf die > Inhalts- und Ausübungskontrollevon VA-Vereinbarungen ein.
> mehr
BGH, Beschluss vom 29.01.2014 – XII ZB 303/13
Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei Alleinverdiener-Ehe?
Anmerkung: Der vollständige Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann auch bei einer Alleinverdiener-Ehe der ehevertraglichen > Wirksamkeitskontrolle standhalten, wenn die wirtschaftlich nachteiligen Folgen dieser Regelung für den belasteten Ehegatten durch die ihm gewährten Kompensationsleistungen (hier: Finanzierung einer privaten Kapitalversicherung; Übertragung einer Immobilie) ausreichend abgemildert werden. Kompensation des Versorgungsausgleichsauschlusses über Verschaffung von Immobilienvermögen: (BGH, Zitat Rn 31): “Kann nicht festgestellt werden, dass der mit ehebedingten Versorgungsnachteilen belastete Ehegatte auch ohne die Ehe ein vergleichbares Immobilienvermögen hätte bilden können, ist in der Überlassung einer Immobilie grundsätzlich eine geeignete Kompensation für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich zu erblicken (vgl. schon BT-Drucks.16/10144 S.51), weil eine Immobilie für ihren Eigentümer -sei es durch den Vorteil mietfreien Wohnens, sei es durch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung – über den Vermögenswert hinaus typischerweise die nachhaltige Erzielung von unterhaltssichernden Alterseinkünften gewährleistet.”
Hinweis : Der BGH nimmt mit dieser Entscheidung auch Stellung zur Frage der Nichtigkeit des gesamten Vertrages wegen Teilnichtigkeit einer Vertragsklausel.
> mehr
BGH, Beschluss vom 27.05.2020 – XII ZB 447/19
Ausschluss des Versorgungsausgleichs in Scheidungsfolgenvereinbarung bei Wohnungseigentum
Anmerkung: Lutz Milzer, in NZFam 2020, 772
OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.08.2015 – 13 UF 102/14
Ausschluss des Versorgungsausgleichs im Ehevertrag
Anmerkung: Die in § > 8 Abs.1 VersAusglG angeordnete gerichtliche Kontrolle, ob eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich eine evident einseitige und unzumutbare Lastenverteilung herbeiführt (> Kernbereichslehre), hat der Tatrichter durchzuführen, wenn und soweit das Vorbringen der Beteiligten oder die Sachverhaltsumstände dazu Veranlassung geben (> Veranlassungsprinzip). Eine solche Prüfung ist jedenfalls dann veranlasst, wenn die Umstände des Sachverhalts (hier: langjährige Betreuung gemeinsamer Kinder und erhebliche Einkommensunterschiede der Ehegatten) auf eine typische Fallgruppe der Unwirksamkeit hindeuten. Zur Wahrung einer einheitlichen > Verbundentscheidung kann es geboten sein, den angefochtenen Beschluss insgesamt, also einschließlich des > Ausspruchs der Ehescheidung aufzuheben, auch wenn die > Voraussetzungen für eine Scheidung vorliegen und mit dem Rechtsmittel ausschließlich eine verfahrensfehlerhafte Nichtbeachtung von § 8 Abs. 1 VersAusglG gerügt wird.
Anmerkung: Die Beteiligten heirateten im Juni 2011 und trennten sich im Juni 2019. Im Juni 2022 wurde das Scheidungsverfahren eingeleitet. 2013 kam ein Sohn zur Welt, 2017 Zwillinge. Seit Herbst 2021 leben die Kinder überwiegend beim Vater. Eine Woche vor der Hochzeit haben die Beteiligten in der Schweiz einen Ehevertrag beurkunden lassen. Dadurch wurde die modifizierte Zugewinngemeinschaft vereinbart. Die Teilhabe güterrechtlicher Art an gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen des Ehemannes durch die Ehefrau wurde ausgeschlossen. Ein etwaiger Zugewinnausgleich wurde mit mindestens 400.000 € und maximal 2,5 Mio. € vereinbart. Auch die Durchführung des Versorgungsausgleichs schlossen die Beteiligten aus. Zum Nachscheidungsunterhalt wurde eine Regelung getroffen, wonach die Frau 100.000 € pauschal erhält, wenn bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags Kinder vorhanden sind mit weniger als drei Lebensjahren, und ebenfalls 100.000 €, wenn sie älter als drei Jahre sind, dann aber in Anrechnung auf einen Zugewinnausgleich über 400.000 €, d.h. mit der Folge, dass ab einem Zugewinnausgleich von mehr als 500.000 € faktisch kein Unterhalt (bzw. ein um diesen Betrag reduzierter Unterhalt) zu zahlen ist. Für den Fall einer mindestens 50%igen Berufsunfähigkeit der Frau sollte sie den gesetzlichen Unterhalt erhalten, maximal 350.000 €.
Die Frau macht im Scheidungsverbund einen Auskunftsanspruch betreffend den Nachscheidungsunterhalt und den Zugewinnausgleich geltend. Der Mann stellt Widerantrag auf Feststellung, dass der Ehevertrag wirksam ist und die Auskunftsanträge deshalb nicht bestehen.
Der Vertrag hält auch der gerichtlichen Wirksamkeitskontrolle nach Maßgabe des § 138 BGB stand:
Anmerkung: Im ursprünglichen > Ehevertrag haben die Ehegatten den Versorgungsausgleich ausgeschlossen und gingen davon aus, dass die Ehe kinderlos bleiben würde. Dies blieb jedoch nicht der Fall. Daraufhin hatten die Ehegatten einen weiteren modifizierten Ehevertrag geschlossen, jedoch am Ausschluss des Versorgungsausgleichs (mit Kompensationsleistungen) festgehalten. Dennoch erklärte das OLG Brandenburg den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach der > Kernbereichslehre im Wege der > Ausübungskontrolle für unzulässig; Kritik dazu von Christian Breuers, in > NZFam 2016, 987.
OLG München, Beschluss vom 12. 01. 2012 – 11 WF 2265/11
Einigungsgebühr bei gegenseitigem Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs
(Zitat) “Im vorliegenden Fall wurde die Vereinbarung der Parteien, mit der diese wechselseitig auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet haben, im Termin vom 28.07.2011 protokolliert. Zum Zeitpunkt des Termins lagen die Auskünfte der Versorgungsträger dem Gericht und den Parteien vor. Danach wäre nach der bisherigen Rechtsprechung die Einigungsgebühr nicht festsetzbar. (…) Nach neuem Recht ist dagegen ein Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs, wenn beide Beteiligte – wie hier – Versorgungsanwartschaften erworben haben, immer wechselseitig, da nach den §§ 10ff VersAusglG kein “Einmalausgleich”, sondern ein “Hin- und Herausgleich” der jeweiligen Anrechte vorzunehmen ist (so auch OLG Hamm, FamRZ 2011,1974). (…) Ein einseitiger Verzicht ist deshalb nur noch dann gegeben, wenn nur einer der Ehegatten Versorgungsanwartschaften erworben hat. (…) Hinzu kommt noch, dass hier mit dem Vergleich gemäß VV 1000 Absatz 1 RVG auch Streit und Ungewißheit der Parteien über den Ausgang des Versorgungsausgleichsverfahrens beendet wurde.”
Wenn mit Ausschluss der Durchführung des Versorgungsausgleichs eine Abfindungsleistung verbunden ist, stellt dies keinen steuerrelevanten Vorgang dar. Dies bestätigt der Anwendungserlass des Bundesfinanzministeriums vom 09.04.2010 – dort C IV -. Der Wortlaut hier wie folgt:
“Verlangt der Ausgleichsberechtigte vom Ausgleichsverpflichteten für ein noch nicht ausgeglichenes Anrecht eine zweckgebundene Abfindung (§ 23 VersAusgIG), scheidet beim Ausgleichsverpflichteten ein Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG aus. Der Ausgleichsberechtigte muss die Leistungen nicht als Einkünfte nach § 22 Nr. 1c EStG versteuern. Gleiches gilt für Abfindungszahlungen, die im Rahmen eines Scheidungsfolgenvergleichs gezahlt werden, um den Versorgungsausgleich auszuschließen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 VersAusgIG).”