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Die wichtigste Weichenstellung zur richtigen > Bedarfsermittlungsmethode und damit zur Bestimmung der Höhe des > Kindesunterhalts ist die Frage, ob das Kind eine eigene oder > abgeleitete Lebensstellung besitzt. Nur bei abgeleiteter Lebensstellung kommt die > Düsseldorfer Tabelle zur Anwendung. Diese Weichenstellung gilt völlig unabhängig davon, ob das Kind > minderjährig oder > volljährig ist.
Die Altersstufen werden von § > 1612a Abs.1 S.3 BGB gesetzlich vorgegeben. Insgesamt unterscheidet die Düsseldorfer Tabelle vier Altersstufen. Hintergrund dieser Klassifizierung ist die Entwicklung der Kinder (Vorschulkind -> Schulkind -> Teenager > volljähriges Kind), die mit einem wachsenden Unterhaltsbedarf verbunden ist.
Die Tabellenwerte oberhalb der 1. Einkommensgruppe bringen in Form eines Einkommensrankings der Eltern den Bedarf des Kindes nach seiner > abgeleiteten Lebensstellung zum Ausdruck. Seit dem Jahr 2022 wurde die Düsseldorfer Tabelle von 10. Einkommensgruppen auf 15. Einkommensgruppen erweitert (> Mehr). Die insgesamt 15 Einkommensgruppen basieren auf einer Erhöhung des Mindestbedarfs (§ > 1612a BGB) nach steigenden Prozentsätzen (> Mehr). Seit dem 01.01.2009 ist der > Mindestunterhalt die Bezugsgröße zur Anwendung der Prozentsätze (§1612a Abs.2 BGB) Zur Errichtung > dynamischer Unterhaltstitel. Davor war Bezugsgröße der sog. Regelbetrag. Somit sind dynamische Alttitel für die Zeit ab dem 01.01.2009 nach § 36 Nr.3 EGZPO > umzurechnen. Nach diesem System bauen also alle Tabellenwerte stets auf den vier Mindestbedarfsätzen der jeweiligen > Alterstufe des Kindes auf und schreiben diese Grundwerte nach der Prozentsatz-Methode für weitere Tabellenwerte fort. Damit wird klar, dass die Tabellenwerte nach Einkommensgruppe 2. bis 15 keine anderen Bedarfspositionen enthält als die vier Mindestbedarfssätze nach der 1. Einkommensgruppe. Die Werterhöhungen sind ausschließlich auf die Teilhabe des Kindes an der Einkommensentwicklung des unterhaltspflichtigen Elternteils zurückzuführen. Die Befriedigung gleichbleibender Bedarfspositionen erfolgt lediglich auf einem höheren finanziellen Niveau. Ergeben sich für das Kind zusätzliche Bedarfspositionen, die von den Tabellenwerten nicht erfasst sind, geht es um > Mehr- oder Sonderbedarf.
OLG Hamm, Urteil vom 11.07.2012 - II-12 UF 319/11
Fortschreibung der Tabellenwerte nach der Prozentsatz-Methode bedeutet (Mindest-)Bedarfsdeckung auf höherem Niveau
(Zitat) "Dabei ist davon auszugehen, dass auch den Mindestunterhalt übersteigende Unterhaltsbeträge grundsätzlich keinen wesensverschiedenen Aufwand abdecken, sondern aufgrund der > abgeleiteten Lebensstellung des Kindes auf eine Bedarfsdeckung auf höherem Niveau zielen (BGH FamRZ 2009, 962)."
Anmerkung: Übersteigt das unterhaltsrelevante Einkommen nicht den Höchstwert der 1. Einkommensgruppe, ergibt sich für das Kind nur ein Tabellenwert, der betragsmäßig den > Mindestbedarf des Kindes nach § 1612a BGB zum Ausdruck bringt. Um wenigstens den Mindestbedarf der Kinder zu decken, trifft die Eltern eine > gesteigerte Erwerbsobliegenheit.
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BGH, Urteil vom 21.12.2005 - XII ZR 126/03
Abgeleitete Lebensstellung des Kindes
(Zitat) "Wird das Kind von einem Elternteil versorgt und betreut (Naturalunterhalt) und leistet der andere Teil > Barunterhalt, so bestimmt sich die Lebensstellung des Kindes grundsätzlich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des > barunterhaltspflichtigen Elternteils (Senatsurteil vom 6. Februar 2002 - XII ZR 20/00 - FamRZ 2002, 536, 537).
Achtung: Das obige BGH-Zitat, das man in der Rechtsprechung und Literatur immer wieder antrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 9.07.2014 – XII ZB 661/12 Rn 37; BGH, Beschluss vom 28.02.2007 –XII ZR 161/04 und BGH vom 9.07.2003 - XII ZR 83/00), wird vielfach dahingehend falsch verstanden, die Lebensstellung des Kindes würde ausgerechnet von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Elternteils ableitet, bei dem das Kind nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der BGH hat zwischenzeitlich in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass das Kind immer seine Lebensstellung von beiden Elternteilen ableitet (vgl. Wendl/Klinkhammer, Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 206 mwN). Nur in dem Fall, dass ein Elternteil allein barunterhaltspflichtig ist, wird dessen Unterhaltspflicht auf den Betrag begrenzt ist, den er auf der Grundlage seines Einkommens zu zahlen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 11.01.2017 - XII ZB 565/15, Rn 25). Sobald beide Elternteile > anteilig barunterhaltsplicht sind oder werden, ist für die Bedarfsbemessung nach Düsseldorfer Tabelle das gemeinsame Elterneinkommen maßgebend.
BGH, Beschluss vom 12.03.2014 - XII ZB 234/13
Umgangskosten beim unechten Wechselmodell
(Zitat, Rn 37) "Nimmt der barunterhaltspflichtige Elternteil ein weit über das übliche Maß hinaus gehendes Umgangsrecht wahr, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert (> unechtes Wechselmodell), kann der Tatrichter bei der Ausübung seines Ermessens im Rahmen der Angemessenheitskontrolle die wirtschaftliche Belastung des Unterhaltspflichtigen insbesondere mit zusätzlichen Fahrtkosten und den Kosten für das Vorhalten von Wohnraum in rechtsbeschwerderechtlich unbedenklicher Weise zum Anlass dafür nehmen, den Barunterhaltsbedarf unter Herabstufung um eine oder mehrere > Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen oder wie hier auf eine nach den maßgebenden unterhaltsrechtlichen Leitlinien ansonsten gebotene Hochstufung in eine höhere Einkommensgruppe zu verzichten."
Die 40 Tabellenwerte der Düsseldorfer Tabelle weisen den monatlichen Unterhaltsbedarf aus, bezogen auf zwei Unterhaltsberechtigte, ohne Rücksicht auf den > Rang (§ 1609 BGB). Also werden auch nachrangige Unterhaltsgläubiger mitgezählt (BGH, FamRZ 2008, 2189). Bei einer größeren oder geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter können Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in eine niedrigere/höhere > Einkommensgruppe angemessen sein. Anmerkung 6 der > Düsseldorfer Tabelle ist zu beachten. Zur Deckung des notwendigen Mindestbedarfs aller Beteiligten – einschließlich des Ehegatten – ist gegebenenfalls eine > Herabstufung bis in die unterste Tabellengruppe vorzunehmen. Reicht das verfügbare Einkommen auch dann nicht aus, setzt sich der Vorrang der Kinder im Sinne von Anm. 5 Abs. 1 der Düsseldorfer Tabelle durch. Gegebenenfalls erfolgt zwischen den erstrangigen Unterhaltsberechtigten eine > Mangelberechnung.
Es stehen für einen seit fünf Jahren verheirateten Vater Unterhaltsansprüche von insgesamt drei Kindern im Raum. Sein unterhaltsrelevantes Einkommen beträgt 3000,- €. Zwei Kinder (10 und 13 Jahre alt) sind aus der Ehe hervorgegangen. Ein Kind (1 Jahr alt) stammt aus einer Außenbeziehung. Der Vater schuldet neben dem > Kindesunterhalt für drei minderjährige Kinder grundsätzlich seiner Ehefrau > Familienunterhalt und der Mutter des unehelichen Kindes > Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB.
Nach § 1609 Ziff.1 BGB befinden sich die ehelichen Kinder und das uneheliche Kind gleichberechtigt auf > Rang 1 (§ 1609 Ziff.1 BGB). Auf Rang 2 (§ 1609 Ziff.2 BGB) befindet sich die Mutter des nichtehelichen Kindes. Die Ehefrau befindet sich auf Rang 3 (§ 1609 Ziff.3 BGB), weil sie zwar als Ehefrau, aber nicht wegen Kinderbetreuung als unterhaltsberechtigt gilt. Anders wäre der Fall zu beurteilen, bei Ehe von langer Dauer oder die Kinder der Ehefrau gelten als betreuungsbedürftig. Nach § 1570 BGB besteht eine (private) Betreuungsbedürftigkeit der Kinder durch ihre Eltern oder einen Elternteil > bis zum Abschluss des dritten Lebensjahres. Danach kann und soll die Kinderbetreuung durch öffentliche Einrichtungen übernommen werden (z.B. Kindergarten; Kinderhort: so die politische Idee des Unterhaltsrechts). Deshalb ist auch der > Unterhaltsanspruch der Mutter des unehelichen Kindes (§ 1615 l BGB) grundsätzlich zeitlich bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes begrenzt, wenn keine Verlängerungsgründe ersichtlich sind.
Das unterhaltsrelevante Einkommen des Vaters ist der 5. Einkommensgruppe zuzuordnen. Dabei würde es bleiben, wenn der Vater nur zwei Unterhaltsansprüchen ausgesetzt wäre. Hier stehen aber insgesamt 5 Unterhaltsansprüche im Raum (3 x Kindesunterhalt, 1 x Familienunterhalt 1x Betreuungsunterhalt aus Anlass der Geburt). Da unabhängig vom Rang alle 5 Unterhaltsansprüche bei der Herabstufung zu beachten sind, wird eine Herabstufung um drei Einkommensgruppen (5 -2) erfolgen. Damit ist für den Bedarf der Kinder nicht die 5. sondern die 2. Einkommensgruppe einschlägig.
Der Bedarfskontrollbetrag des Unterhaltspflichtigen ab Einkommensgruppe 2 ist nicht identisch mit dem Eigenbedarf. Er soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den unterhaltsberechtigten Kindern gewährleisten. Wird er unter Berücksichtigung anderer Unterhaltspflichten unterschritten, ist der Tabellenbetrag der nächst niedrigeren Gruppe, deren Bedarfskontrollbetrag nicht unterschritten wird, anzusetzen.
§ > 1612 b BGB bestimmt ausdrücklich, dass > Kindergeld auf den Bedarf des Kindes angerechnet wird (> Mehr). Die Tabellenbeträge der Düsseldorfer Tabelle berücksichtigen die > Kindergeldanrechnung nicht. Erst im Anhang zur Düsseldorfer Tabelle befindet sich die sog. Tabelle Zahlbeträge. Diese gibt die um die Kindergeldanrechnung bereinigten Bedarfswerte (= Zahlbeträge) wieder.
Die Düsseldorfer Tabelle stößt an Ihre Grenzen, wenn der > barunterhaltspflichtige Elternteil > unterhaltsrelevantes Einkommen erzielt, das über dem Maximalwert der 15. > Einkommensgruppe liegt. Seit Entscheidung des BGH im Jahr 2020 (BGH, Beschluss vom 16.09.2020 - XII ZB 499/19) wurden die Werte der Düsseldorfer Tabelle 2021 bis zu einem Gesamteinkommen der Eltern in Höhe von 11.000 € fiktiv fortgeschrieben werden. Die Düsseldorfer Tabelle 2022 hat die Vorgaben des BGH umgesetzt.
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