Kindesunterhalt
Wie hoch ist der Geldbedarf des Kindes?

  • Bedarf des Kindes
    § 1610 BGB

    Auf der > zweiten Prüfungsebene im > Prüfungsschema zum Kindesunterhalt wird der Bedarf des Kindes bestimmt. Dieser ergibt sich aus der Lebensstellung des Kindes (§ > 1610 BGB). Wie nach dieser gesetzlichen Vorgabe der Bedarf des Kindes ermittelt, erfahren Sie
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  • Bedarf ermitteln
    Methoden

    Der Geldbedarf des Kindes wird in der Regel mithilfe der > Düsseldorfer Tabelle (DT) ermittelt. Außerhalb des Anwendungsbereichs der DT gelten alternative Bedarfsermittlungsmethoden
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Bedarf
Das Maß des Unterhalts


§ 1610 BGB
Gesetzestext


(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der > Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt).

(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten > Lebensbedarf, einschließlich der Kosten einer angemessenen > Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.


Rechtsprechung


zu § 1610 BGB > hier


Lebensbedarf
des Kindes

Die Eltern schulden ihren Kindern Unterhalt in Höhe des Betrages, der zur Deckung des gesamten Lebensbedarfs (§ > 1610 Abs.2 BGB) erforderlich ist. Dazu hat der Gesetzgeber > keine Bedarf-Pauschalsätze vorformuliert. Der Bedarf i.S.d § 1610 Abs.2 BGB muss individuell bestimmt werden. Welche Bedarfspositionen zum gesamten Lebensbedarf des Kindes zählen, hängt von folgenden Fragestellungen ab:


Fragen

zum gesamten Lebensbedarf des Kindes


  1. Welchem Interesse dient der Kostenaufwand?
  2. Entspricht der Kostenaufwand der Lebensstellung?
  3. Sind die Kosten unterhaltsrechtlich relevant?
  4. Ist die Bedarfsposition in der Düsseldorfer Tabelle enthalten?
  5. Grundsätze zum Regelbedarf, Mehrbedarf & Sonderbedarf
  6. Formel zum Gesamtbedarf


Welchem Interesse ist gedient?


Dienen die Ausgaben für die Kinderbetreuung dem Interesse des Kindes oder den Interessen der Eltern? Dient der Aufwand vorwiegend erzieherischen Zwecken, dient er dem Kind und somit zur Deckung des individuellen > Bedarf des Kindes (§ > 1610 BGB). In der logischen Folge können solche Kosten zum Zusatzbedarf des Kindes führen. Soweit die z.B. Kinderbetreuungskosten vorwiegend die berufliche Tätigkeit eines Elternteils ermöglichen sollen, stellen sie > berufsbedingte Aufwendungen der Eltern dar (BGH, Versäumnisurteil vom 05.03.2008 - XII ZR 150/05, Rn 19).
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Stehen die Kosten der Bedarfsposition im angemessenen Verhältnis zur Lebensstellung?


Aber nicht alle Kosten, die dem Interesse des Kindes dienen, erfüllen den > Lebensbedarf des Kindes. Der Aufwand muss zur (individuellen) Lebensstellung des Kindes "passen", d.h. (wie Juristen sagen) "angemessen" sein. Er muss im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Eltern liegen, von denen die Kinder ihre Lebensstellung > ableiten. So kann nicht jedes Luxusinternat zum > Mehrbedarf gehören, auch wenn der Besuch einer solchen Privatschule den erzieherischen Zwecken des Kindes - ohne Frage - optimal dienen kann.
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I
st die Bedarfsposition unterhaltsrechtlich relevant?


Die Frage stellt sich vor allem bei > Kinderbetreuungskosten. Mit Betreuungskosten, die beim umgangsberechtigten und barunterhaltspflichtigen Elternteils entstehen (> Umgangskosten), wird anders umgegangen wird, als mit denen aufseiten des kinderbetreuenden Elternteils. Umgangskosten sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich aufseiten des barunterhaltspflichtigen Elternteils unterhaltsrechtlich neutral zu behandeln. Das kann sich erst ändern, je mehr sich die Ausübung des Umgangsrechts des barunterhaltspflichtigen Elternteils einer > Mitbetreuung des Kindes annähert.
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Ist die Bedarfsposition bereits im Regelbedarf nach Düsseldorfer Tabelle enthalten?


Leiten Kinder ihre Lebensstellung von den Eltern ab (> abgeleitete Lebensstellung), wird zur Bedarfsermittlung zunächst der Regelbedarf mithilfe der >Düsseldorfer Tabelle (DT) festgestellt. Für das entscheidende > Maß des geschuldeten Kindesunterhalts enthalten die Tabellenwerte der DT aber keine abschließenden Beträge. Lässt sich eine Bedarfsposition feststellen, die zwar zum > gesamten Lebensbedarf des Kindes (§ > 1610 Abs.2 BGB) gehört, aber nicht im Regelbedarf der DT enthalten ist, kommt es zum Zusatzbedarf. Im Anwendungsbereich der Düsseldorfer Tabelle gilt damit die > Formel: Gesamtbedarf = Regelbedarf + Mehrbedarf + Sonderbedarf. Mit dieser Formel wird die Lücke zum gesamten Lebensbedarf (§ > 1610 Abs.2 BGB) geschlossen. Ob eine Bedarfslücke vorliegt, hängt davon ab, welche Bedarfspositionen der Regelbedarf nach DT erfasst. Um zu bestimmen, welche Bedarfsposition zur Kategorie Mehrbedarf oder Sonderbedarf zählt und welche zum Regelbedarf gehört, muss bekannt sein, auf welcher Grundlage die Tabellenwerte der DT kalkuliert sind: hier zur
> Kalkulationsgrundlage.


Formel
zum Gesamtbedarf


  1. > Regelbedarf
  2. zzgl. > Mehrbedarf
  3. zzgl. > Sonderbedarf

= Gesamtbedarf gem. § > 1610 BGB



Bedarfsermittlungsmethoden


  • Der Unterhaltsbedarf von Kindern mit abgeleiteter Lebensstellung wird mithilfe der Düsseldorfer Tabelle bestimmt.
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  • Der Unterhaltsbedarf von Kindern mit eigener Lebensstellung wird nicht mithilfe der Düsseldorfer Tabelle bestimmt.
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Bedarfsermittlung
bei abgeleiteter Lebensstellung

Bedarfsermittlung
mithilfe der Düsseldorfer Tabelle


Merksätze:



Abgeleitete Lebensstellung
des Kindes


Muss das Kind versorgt und betreut werden, so sind alle Merkmale für eine abgeleitete Lebensstellung gegeben. Ob die Betreuung und Versorgung von einem Elternteil höchstpersönlich erbracht wird oder vielmehr das Kind > fremdbetreut wird, ändert nichts an der Tatsache, dass eine abgeleitete Lebensstellung gegeben ist, solange das Kind nicht > selbsterhaltungsfähig ist. Ob das Kind volljährig ist oder nicht, spielt für die Frage nach der abgeleiteten Lebensstellung keine Rolle. Zur abgeleiteten Lebensstellung einer 38-jährigen > Studentin, deren Studienabschluss sich krankheitsbedingt immer wieder verzögert hat: OLG München v. 06.09.2006 - 1 W 2126/06 (FamRZ 2007, 911). Was im Gegensatz dazu eine eigene Lebensstellung ausmacht, erfahren Sie
> hier


Abgeleitete Lebensstellung

auch bei Fremdbetreuung des Kindes


BGH, Urteil vom 06.12.2006 - XII ZR 197/04
Unterhaltsbedarf bei Heimunterbringung

Anmerkung: Es ist aber allgemein anerkannt, dass von einer eigenen Lebensstellung des Kindes nicht gesprochen werden kann, solange es entweder von einem Elternteil oder von Dritten tatsächlich betreut wird. Daraus wird umgekehrt geschlossen, dass eine Fremdbetreuung die Bedarfsermittlungsgrundsätze zur abgeleiteten Lebensstellung nicht aufhebt. Somit verbleibt es auch bei Kindern, die extern im Internat, Heim oder sonstiger Einrichtung mit betreutem Wohnen untergebracht sind und dort fremdbetreut werden, bei der Bedarfsermittlung nach Maßgabe des Einkommens des barunterhaltspflichtigen Elternteils und den Bedarfssätzen der Düsseldorfer Tabelle. Besonderheiten bestehen insoweit, als bei auswärtiger Unterbringung kein Elternteil mehr vollständig für den Naturalunterhalt des Kindes aufkommt. Welche Folgen hat eine > auswärtige Fremdbetreuung des Kindes für die Unterhaltsbemessung?
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Bedarfsermittlung
bei eigener Lebensstellung


Kriterien
der eigenen Lebensstellung


Eine eigene Lebensstellung besitzt das Kind, wenn folgende Kriterien erfüllt sind

    • Das Kind lebt nicht (zumindest) bei einem Elternteil
    • Das Kind mit eigenem Hausstand wird nicht betreut
    • Für eine eigene Lebensstellung ist nicht erforderlich, dass das Kind volljährig ist.


Bedarfsermittlung
bei eigener Lebensstellung


Rechtsprechung

OLG Koblenz, Beschluss vom 26.09.2012 - 13 UF 413/12
Bedarf eines minderjährigen Kindes mit eigenem Hausstand


OLG Brandenburg, Urteil vom 11.03.2004 - 10 UF 176/03
Bedarf eines volljährigen behinderten Kindes mit eigenem Hausstand & pauschalierter Bedarf

(Zitat) "Danach ist im Bereich des Volljährigenunterhalts zur Ermittlung des angemessenen Unterhalts ebenfalls auf die in den Unterhaltstabellen enthaltenen Eigenbedarfssätze eines unterhaltsberechtigten Ehegatten abzustellen und als Untergrenze derjenige Betrag pauschal als Bedarf anzusetzen, welcher der jeweiligen konkreten Lebenssituation des unterhaltsberechtigten Kindes entspricht (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2003, 860/861 betreffend den Elternunterhalt). Insoweit bleibt das Gericht auch bei einer pauschalierenden Betrachtung an das generelle Gebot gebunden, den Unterhalt individuell und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bemessen (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1982, 587/589).
Anmerkung: Bei > Studenten mit eigener Lebensstellung wird in der Regel der Unterhaltsbedarf pauschal bestimmt. 

BGH, Urteil v. 18.07.2012 - XII ZR 91/10
Familienselbstbehalt gegenüber volljährigem Kind mit bereits erreichter wirtschaftlicher Selbständigkeit (= eigene Lebensstellung)


Volljähriger Sohn (Jahrgang 1969), der bereits eine eigene Lebensstellung erworben hatte, wird wegen Depressionen und Alkoholabhängigkeit wieder unterhaltsbedürftig. Er bezieht Sozialhilfe. Der Sozialhilfeträger will nach § > 94 Abs.1 S. 1 SGB XII die Eltern (Rentner) in Regress nehmen. Hier nimmt der BGH dazu Stellung, welcher Selbstbehalt den Eltern gegenüber dem volljährigen Sohn zusteht. Der BGH billigt hier den > Familienselbstbehalt zu, der auch Kindern gegenüber ihren Eltern zusteht. (BGH: Zitat) "Zwar müssen Eltern regelmäßig damit rechnen, ihren Kindern auch über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus zu Unterhaltsleistungen verpflichtet zu sein, bis diese ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben und wirtschaftlich selbständig sind. Haben die Kinder danach aber eine eigene Lebensstellung erlangt, in der sie auf elterlichen Unterhalt nicht mehr angewiesen sind, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass sie diese Elternunabhängigkeit auch behalten. Darauf dürfen sich, wenn nicht bereits eine andere Entwicklung absehbar ist, grundsätzlich auch die Eltern einstellen (Senatsurteil vom 18. Januar 2012 - XII ZR 15/10 - FamRZ 2012, 530 Rn. 17)."

Hat das volljährige Kind – z.B. als > Student - hingegen schon einen eigenen Hausstand begründet, leitet es seine Lebensstellung nicht mehr von den Eltern ab, sondern hat eine eigene Lebensstellung erlangt. Diese Lebensstellung richtet sich – wie sonst beim Verwandtenunterhalt – nach der konkreten Lebenssituation des Berechtigten. Für volljährige Kinder in der Ausbildung gehen die Oberlandesgerichte in ihren > Leitlinien (vgl. Ziff. 13.1.2) deswegen von einem festen Unterhaltsbedarf aus, der zuzüglich ev. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und von Studiengebühren bemessen wird (> mehr). Auch für diesen festen Unterhaltsbedarf haften die Eltern anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen.
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Ist das volljährige Kind erwerbsfähig, richtet sich die Lebensstellung nach dem Erwerbseinkommen, ist er krank und erwerbsunfähig, kann nur auf Erwerbsunfähigkeitsrente abgestellt werden. Ein Student oder ein volljähriger Auszubildender wiederum hat eine Lebensstellung aus dieser Lebenssituation. Nach dieser eigenen Lebensstellung richtet sich dann auch sein Unterhaltsanspruch gegen beide Eltern (BGH, Urteil vom 23. Mai 2007 – XII ZR 245/04, Rn. 28).


Links & Literatur



Links



Literatur


  • Axel Weiss, Kostenfaktor Kind, Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV Bremen, 23.11.2012