Zugewinn ausgleichen
Gerichtliches Verfahren


Das Wichtigste in Kürze

  1. Drei Etappen sind zu bewältigen: Zugewinn ermitteln, Ausgleichsanspruch feststellen und Zugewinnausgleich durchsetzen.
  2. In jeder Etappe sind etlichen Hürden zu überwinden, wenn die Ehegatten sich über den Vermögensausgleich intensiv streiten.
  3. Der Streit beginnt bereits um die Auskunft zum Vermögen und deren Bewertung. Die Angelegenheit kann zu einer "never ending story" ausufern. Nach Jahren eines Zugewinnausgleichsverfahrens führt am Ende nicht selten  Streitmüdigkeit zum Verfahrensabschluss mit einer Vereinbarung.
  4. Wir bei Dr. Schröck sind spezialisiert auf die professionelle Vertretung und Lösung von Zugewinnausgleichsverfahren. Wir verstehen die Komplexität des Verfahrens und sind bestrebt, Ihnen zu helfen, Ihren Streit schnell und effizient zu lösen. Lassen Sie sich von uns beraten. Nehmen Sie noch heute Kontakt mit uns auf und erfahren Sie mehr!

  • Zugewinnausgleich
    durchsetzen

    Wer den Zugewinnausgleichsanspruch nach § 1378 BGB gerichtlich durchsetzen will, muss dazu ein Verfahren in einer Güterrechtssache (§§ 261 FamFG) anstreben. Güterrechtssachen zählen wiederum den sog. Familienstreitsachen (§ 112 Ziff. 2 FamFG). Das bedeutet, dass wesentliche Verfahrensregeln sich aus der ZPO (Verfahrensvorschriften für allgemeine Zivilverfahren) ergeben. Den Einstieg in die ZPO regelt § 113 Abs.1 FamFG. 

    > Wegweiser zum Zugewinnausgleichsverfahren


Zugewinnausgleichsverfahren
Eine "never ending story"?

Zugewinnausgleichsverfahren sind von einer hohen Komplexität und langer Verfahrensdauer geprägt.

Es braucht seine Zeit, bis die Auskunftspflichten zum Bestand des Vermögens der Ehegatten an den maßgeblichen Stichtagen ordnungsgemäß erfüllt sind. Kein Ehegatte neigt dazu, sich im Zugewinnverfahren besonders "reich" dazustellen; da kann schon mal was "vergessen" werden. Oder ein Ehegatte hat schlicht keine Ahnung vom Vermögensbestand des anderen Ehegatten. Hier hilft dann das Wissen um die Auskunftsansprüche so wie um die Regeln der Beweislastverteilung weiter.

Oft wird daraufhin vom anderen Ehegatten vorgehalten, das Vermögensverzeichnis sei nicht vollständig oder leide an einem sonstigen(Form-)Mangel. Wer hier der Gegenseite misstraut, wird evtl. ein (Zwischen-)Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung anstreben. Damit soll die Gegenseite zur Wahrheit angehalten werden (§ 260 Abs.2 BGB). Allein die Auskunftsstufe kann Jahre dauern. Hinzu kommen verfahrensrechtliche Fallstricke, die ein Stufenantragsverfahren mit sich bringt. Und dann ist immer noch die Frage offen: "Was ist ein Vermögensgegenstand zum Stichtag tatsächlich wert?" In der Praxis kann die Erstellung der Vermögensbilanzen z. T. erhebliche Probleme und Kopfzerbrechen bereiten: Zum einen kann der (wahre) Vermögensbestand zum exakten Stichtag schwer zu ermitteln sein.

Wer hier anlässlich des Scheidungsverfahrens ein Zugewinnausgleichsverfahren betreibt, muss u.U. mit aufwendigen (kostspieligen) Gutachten zu Immobilien- oder Unternehmenswerten. Wer will, kann u.U. über den Wertansatz eines antiken Bauernschranks in der Vermögensbilanz heftig streiten und ein Scheidungsverfahren zu einer "never ending story" machen.

Wer das nicht will, sollte – wenn möglich – eine einvernehmliche Scheidung anstreben oder gut überlegen, ob das Zugewinnverfahren im Scheidungsverbund oder in einem isolierten Verfahren betrieben werden soll. Beide Verfahrensvarianten haben Ihre Vor- und Nachteile. Um nicht im Sumpf von Streitigkeiten zu ersticken, ist fachlich qualifizierte Beratung zum taktischen Vorgehen im Güterrechtsverfahren sehr wichtig.

  • Weiterführende Literatur:
    Walter Kogel,
    die endlose Dauer der Verfahren, in: NZFam 2018, 1120 


Ausgleichsverfahren
Im Scheidungsverbund oder isoliert?

Viele machen sich in der Verfahrenspraxis kaum Gedanken, welche Verfahrensart für die Zugewinnausgleichsforderung besser ist: im Scheidungsverbund oder in einem isolierten Verfahren?

Doch wegen der Masse an Streitpotential, die ein Zugewinnverfahren bietet, ist anlässlich eines Scheidungsverfahrens gut zu überlegen, ob der Zugewinnausgleich im Scheidungsverbund oder in einem isolierten Verfahren gefordert wird. Das hängt selbstverständlich davon ab, welches Interesse man vertritt bzw. verfolgt. Die möglichen Verfahrensvarianten zeigen erhebliche Unterschiede in Bezug auf


Verfahrensbeschleunigung


Wenn nach üblicher Art der Zugewinnausgleich im Verbund geltend gemacht wird, ist der Rechtsstreit auf Jahre blockiert. Einmal im Verbund bedeutet oft immer im Verbund.

Die Chance, eine Abtrennung (§ 140 Abs.2 FamFG) der Zugewinnausgleichssache vom Scheidungsverbund zu erreichen, ergab sich nach der Rechtsprechung gem. der früher maßgeblichen Vorschrift des § 628 ZPO in der Regel frühestens nach einer zweijährigen Verfahrensdauer. Zusätzlich müsste der Aufschub eine unzumutbare Härte darstellen. Die Rechtsprechung war bei diesem Tatbestandsmerkmal sehr restriktiv. So hat das OLG Hamm (FamRZ 2009, 710) eine vierjährige Verfahrensdauer und den erneuten Heiratswunsch des Antragstellers nicht ausreichen lassen. Ohnehin ist die (Abtrennungs-)Regelung nach § 140 Abs.2 FamFG eine "Kann"-Bestimmung. Mancher Richter nutzte gerade die Abhängigkeit der Rechtskraft der Scheidung von der Zugewinnausgleichsentscheidung aus, um die Parteien zu einer vergleichsweisen Regelung zu „bewegen“. Schon nach der bisherigen Rechtsprechung war ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung, welche die Abtrennung ablehnte, nicht zulässig. Die gleiche Rechtslage ergibt sich jetzt aus § 140 Abs. 6 FamFG. Vielfach wird in der Praxis von den Gerichten einem Abtrennungsantrag nicht stattgegeben. 

Verzinsung
der Zugewinnausgleichsforderung


Die Folgen für den Zugewinnausgleichsberechtigten sind fatal: Die Ausgleichsforderung wird erst mit Rechtskraft der Scheidung fällig. Erst ab diesem Zeitpunkt greift der Zinssatz von 5 % über dem Basisdiskontsatz der EZB (§ 291 BGB). Die Verzinsung der Zugewinnausgleichsforderung ab Rechtskraft der Scheidung spricht eindeutig für eine Vermögensauseinandersetzung außerhalb des Scheidungsverbunds.

Die Zugewinnforderung kann durch einen Vermögensverfall bis zur Rechtskraft der Scheidung nicht mehr (negativ) beeinflusst werden, da es nunmehr selbst für die Höhe der Forderung auf die Rechtshängigkeit ankommt (vgl. BGH NJW 2012, 2657).

Verfahrenskosten


Die Ermittlung der Verfahrensgebühren für ein isoliertes Verfahren folgt völlig anderen Regeln als für ein Scheidungsverbundverfahren.

Rechtsprechung


OLG Rostock, Urteil vom 12.12.2019 - 25 U 1/16
Anwaltspflicht zur Aufklärung über Vor- und Nachteile des isolierten Zugewinnausgleichsverfahrens - Mandatskündigung wegen pflichtwidrigen Verhaltens im Mandatsverhältnis


Anmerkung: das OLG geht in seiner Entscheidung ausführlich auf die Vor- und Nachteile des Zugewinnausgleichsverfahrens im Verbundverfahren oder im isolierten Verfahren ein und stellt die Auswirkungen gegenüber. Hintergrund dafür war die Frage, ob der beratende Anwalt dabei eine anwaltliche Pflichtverletzung begangen hat und somit eine Mandatskündigung mit Rückerstattung von Anwaltskosten hinnehmen musste. Das OLG erkannte zwar eine Anwaltspflichtverletzung. Doch hielt es die notwendige haftungsausfüllende Kausalität (vgl. BGH NJW 2015, 3447, Rn 14) einer schadensverursachenden Pflichtverletzung nicht für erwiesen. Weiter beschäftigte sich das OLG mit den Voraussetzungen einer Gebührenerstattungspflicht des Anwalts nach § 628 Abs.1 S.2 und S.3 BGB. Diese ist gegeben, wenn das pflichtwidrige Verhalten des Anwalts die Mandatskündigung veranlasst. Zwischen dem vertragwidrigen Verhalten und der Kündigung muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen (BGH, NJW 2019, 1870, Rn 14). Das Gleiche gilt, wenn der Anwalt ohne Anlass eines vertragswidrigen Verhaltens des Mandanten das Mandat kündigt.

Praxistipp


Im Zweifel ist – entgegen der gängigen Praxis – ist ein Vorgehen zum Zugewinnausgleichsanspruch im Verbund nicht angebracht. Meist werden die Vorteile eines isolierten Verfahrens die Nachteile des Verbundverfahrens überwiegen. Kogel bezeichnet den "Zugewinn im Verbund" als juristisches "Bermudadreieck" (Kogel, in: FF 2018, 146 ff). Stellt sich im laufenden Scheidungsverfahren heraus, dass das Zugewinnverfahren die Scheidung zu einer lästigen "never ending story" werden lässt, sollte die (weitgehend unbekannten) Möglichkeiten des Wechsels zum isolierten Zugewinnverfahren kennen. Damit erscheint eine Lösung des Zugewinnverfahrens aus der Klammer des Verbundes nicht möglich. Doch weit gefehlt.

Vier Möglichkeiten 
für ein isoliertes Zugewinnausgleichsverfahren


Es gibt vier verschiedene Varianten, bei denen der Zugewinn außerhalb des Verbundes im isolierten Verfahren geltend gemacht werden kann.
Es ist ansonsten nicht möglich, neben dem Scheidungsverfahren einen selbständigen Antrag auf Zugewinnausgleich zu verfolgen. Liegen die Voraussetzungen des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG vor, tritt der aus Scheidungs- und Folgesache bestehende Verbund kraft Gesetzes ein. Allenfalls ein selbständiger Auskunftsantrag – nicht Stufenantrag! – ist zulässig (Kogel Zugewinnausgleich, Rn. 1424, beck-online).


Wechsel
vom Scheidungsverbund zum isolierten Verfahren

Im laufenden Scheidungsverbundverfahren (> Verbund) kann sich herausstellen, dass ein isoliertes Verfahren für den Zugewinnausgleich > vorteilhafter wäre. Dies führt zu der Frage, wie ein Wechsel vom laufenden Verfahren im Verbund in ein isoliertes Güterrechtsverfahren möglich ist?


Zugewinnverfahren
vom Verbund abtrennen


Loewe

AG Kaufbeuren, Beschluss vom 10.12.2018 - 3 F 1156/15 (intern vorhanden)
Abtrennung des Zugewinnverfahrens vom Scheidungsverbund wegen vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft


Anmerkung: Die Chancen eines auf  § 140 Abs.2 FamFG gestützten > Abtrennungsantrags, um ein Zugewinnausgleichsverfahren aus dem Scheidungsverbund zu lösen, sind in der Praxis als eher gering einzustufen.
Das Gericht kann jedoch zu einem Abtrennungsbeschluss gezwungen werden, wenn der > gesetzliche Güterstand auf Antrag vorzeitig gem. §§ 1385, 1386 BGB aufgehoben werden muss. Das war im Fall des AG Kaufbeuren gegeben. Denn bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft gibt es einen vorzeitigen Zugewinnausgleich (d.h. vor Rechtskraft der Scheidung) und nicht einen Zugewinnausgleich nur für den Fall der Scheidung. Damit ist eine Grundvoraussetzung für ein Folgesacheverfahren (d.h. Einscheidung für den Fall der Scheidung) entfallen. Es gibt für die vorzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft zwei Varianten:
  • Der zum Zugewinnausgleich berechtigte Ehegatte kann gemäß § 1385 BGB den vorzeitigen Zugewinnausgleich bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen oder
  • Jeder Ehegatte kann gemäß § 1386 BGB auch (nur) die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen.
In beiden Varianten kann dadurch indirekt die Abtrennung des Güterrechtsverfahrens vom Scheidungsverbund erzwungen werden.
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Folgesacheantrag
zurücknehmen?


Als strategischer Weg für den Ehegatten, der den ursprünglichen Folgesacheantrag gestellt hat, bietet sich die Rücknahme des > Folgesacheantrags wegen "Zugewinnausgleich" mit anschließend neuem Antrag im isolierten Verfahren an.

Rechtsfolgen
der Antragsrücknahme


Nimmt der Antragsteller einen Folgesacheantrag zurück, äußert er sich nicht zum Bestand des mit dem Antrag geltend gemachten Rechts. Er bringt dadurch nicht zum Ausdruck, dass er der Ansicht sei, das geltend gemachte Recht existiere nicht. Mit der Antragsrücknahme bringt er lediglich zum Ausdruck, dass er sein Gesuch um Gewährung von Rechtsschutz durch das Gericht zurückzieht. Nach Rücknahme eines Folgesacheantrags ist der Antragsteller daher nicht gehindert, das zunächst im Verbund gemachte Recht wieder in einem neuen isolierten Verfahren gerichtlich geltend zu machen. Darin liegt der Unterschied zum materiellen Klageverzicht.

Voraussetzungen
der Antragsrücknahme


Güterrechtssachen (wie Zugewinnausgleichsverfahren) sind sog. Familienstreitsachen. Für diese gilt § 22 FamFG zur Antragsrücknahme nicht. Die Voraussetzungen für die Antragsrücknahme ergeben sich vielmehr über den Verweis des § 113 Abs.1 FamFG aus der ZPO. Dort regelt § 269 ZPO die Voraussetzungen für eine wirksame Klagerücknahme. Nach § 269 Abs.1 ZPO kann ein Verfahrensantrag ohne Einwilligung der Gegenseite bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache zurückgenommen werden.

Rücknahme eines Stufenantrags
aus dem Verbund?


  • In aller Regel wird der Zugewinnausgleich in Form eines Stufenantrags gelten gemacht. § 113 Abs.1 FamFG i.V.m. § 254 ZPO regelt die Voraussetzungen und das Verfahren zur Stufenklage (Stufenantrag). Beim Stufenantragsverfahren i.S.d. 254 ZPO wird über jede Stufe (Einzelantrag) des Verfahrens gesondert entschieden, und zwar grundsätzlich erst nach Erledigung der vorherigen Stufe (nach h.M. nur auf Antrag des Klägers). Zu jeder Stufe ergehen also Teil-Entscheidungen (oder Teil-Erledigungserklärungen) zu jeder Stufe in der Reihenfolge 1. Auskunftsantrag (Auskunftsverfahren), 2. Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, 3. bezifferter Leistungsantrag (Leistungsverfahren). Jede Stufe hat damit ihren eigenen, gesonderten Verfahrensgegenstand, über den gesondert verhandelt wird.
  • Bevor der bezifferte Leistungsantrag auf Zugewinnausgleich gestellt ist, ist die Rücknahme des Stufenantrags im Verbundverfahren ohne Zustimmung der Gegenseite (§ 269 Abs.1 ZPO) möglich, weil vor Beendigung der vorherigen Stufen i.d.R. keine Verhandlung zur Hauptsache gem. § 269 Abs.1 ZPO zu den nachfolgenden Stufen (hier zum Verfahrensgegenstand der Leistungsstufe) stattgefunden hat (RR Köln 1992,1480). Nicht zu Verhandlungen zur Hauptsache zählen Güteverhandlungen vor dem Streitgericht (§ 278 Abs.2 ZPO) oder Verhandlungen im Güterrichterverfahren vor dem Güterichter (§§ 113 FamFG, 278 ZPO).


Vorzeitige Aufhebung
der Zugewinngemeinschaft

§ 1385 BGB
Gesetzestext


Der ausgleichsberechtigte Ehegatte kann vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen, wenn
1. die Ehegatten seit mindestens > drei Jahren getrennt leben,
2. Handlungen der in > § 1365 oder > § 1375 Absatz 2 bezeichneten Art zu befürchten sind und dadurch eine erhebliche Gefährdung der Erfüllung der Ausgleichsforderung zu besorgen ist,
3. der andere Ehegatte längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat und anzunehmen ist, dass er sie auch in Zukunft nicht erfüllen wird, oder
4. der andere Ehegatte sich ohne ausreichenden Grund beharrlich weigert oder sich ohne ausreichenden Grund bis zur Stellung des Antrags auf Auskunft beharrlich geweigert hat, ihn über den > Bestand seines Vermögens zu unterrichten.

§ 1386 BGB
Gesetzestext


Jeder Ehegatte kann unter entsprechender Anwendung des § 1385 die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen.

 

Vorzeitige Aufhebung des gesetzlichen Güterstandes
führt zum isolierten Zugewinnverfahren


BGH, Beschluss vom 26.06.2019 - XII ZB 299/18
Wechsel zum vorzeitigen Zugewinnausgleich


Leitsatz: Vorzeitiger Zugewinnausgleich gemäß § 1385 BGB und Zugewinnausgleich nach der Ehescheidung sind verschiedene Streitgegenstände. Die gerichtliche Antragserhebung bezüglich eines dieser Ansprüche führt nicht zur Hemmung der Verjährung auch des anderen (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 24. Mai 2012 -IX ZR 168/11, FamRZ 2012, 1296). Zum Wechsel vom Anspruch auf Zugewinnausgleich nach der Scheidung zum Anspruch auf vorzeitigen Zugewinnausgleich bedarf es - wie auch im umgekehrten Fall - einer wirksamen Antragsänderung.

Anmerkung: Bis es letztendlich zum > Zugewinnausgleichsanspruch (§ 1378 Abs.1 BGB) kommt, kann es sehr lange dauern. Denn wird der Güterstand nicht vorzeitig aufgehoben, > entsteht die Ausgleichsforderung erst mit Rechtskraft der Scheidung. Bei > sehr langen Scheidungsverfahren kann das eine halbe Ewigkeit sein. Zwischenzeitlich kann der Vermögensbestand des Ausgleichspflichtigen (absichtlich) verbraucht worden sein. Damit kann sich der Ausgleichspflichtige auf die > Begrenzung des Ausgleichsanspruchs wegen fehlenden Vermögensbestandes berufen. All das soll die vorzeitige Aufhebung des Güterstandes nach § 1385 BGB verhindern. Die möglichen Varianten (Voraussetzungen) für einen vorzeitigen Ausgleich sind in § > 1385 Ziff. 1. bis 4. BGB aufgeführt.
Leben die Ehegatten bereits seit mindestens drei Jahren getrennt (§ 1385 Ziff.1 BGB), ist der vorzeitige Zugewinnausgleich ohne weiteres möglich. Ein Antrag auf vorzeitigen Zugewinnausgleich kann > keine Folgesache sein, weil der Zugewinnausgleich eben nicht für den Fall der Scheidung, sondern bereits für die Zeit davor beantragt wird (Brudermüller, in: Palandt, 76. Aufl. §§ 1385/1386 BGB Rn 9). Der Antrag eröffnet ein isoliertes Verfahren und kann nicht zu einem Aktenzeichen des Verbundverfahrens gestellt werden. Folge davon ist: das Gericht muss - und nicht wie "kann" (wie z.B. bei Abtrennungsantrag nach § 140 FamFG) - das Zugewinnverfahren vom Scheidungsverbundverfahren abtrennen. Dabei entstehende Verfahrenskostennachteile können verhindert werden, wenn vorab die Gegenseite aufgefordert wird, der Durchführung des vorzeitigen Zugewinnausgleichs per notarieller Urkunde oder alternativ in einem gerichtlichen Zwischenvergleich zur Ehesache das Einverständnis zu erklären.

Vorzeitige Aufhebung des gesetzlichen Güterstandes
und vorzeitigen Zugewinnausgleich beantragen


Muster - Antrag
vorzeitiger Zugewinnausgleich wegen drei Jahre Trennung
(§ 1385 Ziff.1 BGB)


Muster - Antrag
wegen beharrlicher Verweigerung der Unterrichtung über den Vermögensbestand
(§ 1385 Ziff.4 BGB)


§ 1385 Ziff. 4 BGB betrifft nur den Unterrichtungsanspruch, der aus § 1353 Abs.1 S.2 BGB abgeleitet wird. Seine beharrliche Verletzung kann mit vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft sanktioniert werden. Achtung: Der Unterrichtungsanspruch bedeutet ein Minus gegenüber den Auskunftsansprüchen zum Trennungsvermögen ab Trennung (§ 1379 Abs. 2 BGB) oder zum Anfangs- und Endvermögen (§ 1379 Abs.1 BGB). Wegen der Nichterfüllung des Auskunftsanspruchs nach § 1379 Abs. 2 BGB (Trennungsvermögen) kann der vorzeitige Ausgleich des Zugewinns oder die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft jedoch nicht verlangt werden (BGH FamRZ 2015, 32). Die Sanktion wegen Verletzung des Unterrichtungsanspruchs nach § 1385 Nr. 4 BGB ist deshalb ganz besonders für diejenigen Fälle von Bedeutung, in denen die Ehegatten noch nicht getrennt leben. (s. Bergschneider FamRZ 2009, 1713; Palandt/Siede BGB § 1386 Rn. 8; OLG Köln FamRZ 2020, 1716).


Stichtag für Endvermögen
bei Verlangen nach vorzeitigem Zugewinnausgleich



§ 1387 BGB
Gesetzestext


In den Fällen der §§ 1385 und 1386 tritt für die > Berechnung des Zugewinns und für die Höhe der Ausgleichsforderung an die Stelle der Beendigung des Güterstands der Zeitpunkt, in dem die entsprechenden Anträge gestellt sind.

Anmerkung


Am Fall des Zugewinnausgleichs für den Fall der Ehescheidung ist maßgeblicher Stichtag für das > Endvermögen der Tag der Zustellung des Scheidungsantrags (§ 1384 BGB > mehr).  Beim vorzeitigen Zugewinnausgleich verschiebt sich der maßgebliche Stichtag auf den Tag der Rechtshängigkeit des Antrags auf vorzeitigen Zugewinnausgleich. War an diesem Tag bereits das Scheidungsverfahren rechtshängig, so bleibt für den Stichtag zum Endvermögen der § 1384 BGB maßgebend (OLG Hamm, Beschluss vom 2. April 1982 – 5 WF 147/82 –, juris).

Verzinsung des Ausgleichsanspruchs
ab Rechtshängigkeit des Zugewinnausgleichsverfahrens



Der Zugewinnausgleichsanspruch entsteht mit Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft, § 1378 Abs. S.1 BGB und ist damit sofort fällig (§ 271 Abs.1 BGB).

Wird der Zugewinnausgleich als Folgesache im Scheidungsverbund geltend gemacht, sind Prozesszinsen ab Rechtskraft der Scheidung zu beantragen (BGH, NJW-RR 1986, 226). Im isolierten Verfahren - insbesondere nach vorzeitiger Beendigung der Zugewinngemeinschaft nach § 1385 BGB - können Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit des isolierten Zugewinnausgleichsverfahren geltend gemacht werden (§ 291 S.1 BGB).

Beweislastverteilung
Prozessrisiken

Die Einschätzung des Prozessrisikos ist bei Zugewinnausgleichsverfahren besonders wichtig, da es meist um hohe Gegenstandswerte geht. Vorwiegend neigen die Beteiligten dazu, ihre eigenen Vermögenswerte zu verschweigen. Der Erfolg vor Gericht hängt maßgebend von der Kenntnis der Beweislastregeln ab.
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Links & Literatur



Literatur


  • Walter Kogel, Zehn Jahre Reform des Zugewinnausgleichs, in: NZFam 2019, 701
  • Andreas Kohlenberg, Der vorzeitige Zugewinnausgleich (§§ 1385, 1386 BGB) - Häufig nützlich, aber dennoch gemieden (mit Musterantrag), in: NZFam 2018, 356 ff
  • Walter Kogel, Zugewinn im Verbund, Teilbeschluss und Teilantrag - das juristische Bermudadreieck des gesetzlichen Güterstandes, in: FF 2018, 146 ff
  • Carolin Kaiser, Der Streitwert des Zugewinnausgleichs im Scheidunsverbund, in: RVG professionell 2001, 88

In eigener Sache


  • Mandanteninformation: Immobilienlasten im Zugewinn und vorzeitige Beendigung des Güterstandes (D3/368-18)
  • Kostentragungspflicht bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft, unser Az.: 11/17 (D3/353-18)
  • AG Stuttgart-Bad Cannstatt - 1 F 1610/17, Widerantrag zur Auskunft im Zugewinnausgleichsverfahren, unser Az.: 443/17 (D3/D465-18)
  • AG Tostedt - NZS 14 F 263/14, Abtrennung oder Antrag auf vorzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft bei laufendem Scheidungsverbundverfahren, unser Az.: 5/17 (D3/336-18)
  • AG Kaufbeuren - 003 F 1156/15, Wechsel vom Zugewinnausgleich im Verbund zum isolierten Verfahren, unser Az.: 11/17 (D3/272- 18)
  • AG Brandenburg a.d. Havel - 45 F 40/13, Zahlungsantrag wegen Zugewinn, unser Az.: 206/15 (D3/22- 16)