Mit Volljährigkeit des Kindes verändert sich die Höhe des Unterhalts: Was passiert mit vorhandenen Unterhaltstiteln?



Das Wichtigste in Kürze

  1. Ihr Kind wird 18 Jahre alt – und das hat Auswirkungen auf den Kindesunterhalt. Was sollten Sie jetzt tun? Viele Eltern überlegen sofort, die Zahlungen zumindest teilweise einzustellen. Doch das ist keine gute Idee, wenn es einen Unterhaltstitel gibt.
  2. Auch nach erreichter Volljährigkeit bleibt ein Unterhaltstitel aus Zeiten der Minderjährigkeit für das Kind durchsetzbar. Es besteht das Risiko von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wie Lohn- oder Kontopfändungen. Ein Antrag auf Vollstreckungsabwehr hilft hier nicht.
  3. Der bestehende Unterhaltstitel muss an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. Wenn Sie sich von Ihren Zahlungsverpflichtungen befreien möchten, sollten Sie über ein Abänderungsverfahren in Kombination mit einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung nachdenken (§ 242 FamFG).
  4. Wir helfen Ihnen, die Zahlungen durch ein effektives Abänderungsverfahren anzupassen oder einzustellen. Lassen Sie sich beraten. Kontaktieren Sie uns jetzt!


Alt-Titel
bleiben vollstreckbar

Unterhaltstitel
aus Zeiten der Minderjährigkeit


Unterhaltstitel, die für das minderjährige Kind zur Zeit der Minderjährigkeit des Kindes geschaffen wurden, verlieren mit Erreichen der Volljährigkeit nicht automatisch ihre Wirkung. Ist ein vollstreckbarer Unterhaltstitel in der Welt, dann bleibt er vollstreckbar, bis ihm die Vollstreckbarkeit entzogen wird. Ob der Inhalt des Unterhaltstitels der aktuellen Rechtslage entspricht oder ob er falsch ist, interessiert für die Vollstreckbarkeit nicht. Ein Gerichtsvollzieher muss sich nicht dafür interessieren, ob der vollstreckungsfähige Inhalt des Unterhaltstitels korrekt ist oder falsch. Konsequenz: Selbst wenn sich der Kindesunterhalt mit Erreichen der Volljährigkeit gravierend verändert, der (falsche) Unterhaltstitel aus Zeiten der Minderjährigkeit bleibt zugunsten des volljährigen Kindes vollstreckbar.

Wurde vom ehemals klagebefugten Elternteil, für das seinerzeit minderjährige Kind ein Unterhaltstitel erwirkt (sog. Alt-Titel), lautet dieser entweder auf den Namen des Kindes oder auf den Namen des vertretungsberechtigen Elternteils. Nicht selten vollstrecken volljährige Kinder ihre Unterhaltsansprüche aus Unterhaltstiteln weiter, die zu Zeiten errichtet wurden, als sie noch minderjährig waren. Dies ist unproblematisch möglich, wenn das Kind in dem Unterhaltstitel als Unterhaltsgläubiger bezeichnet ist (Titel lautet auf den Namen des Kindes). Das ist bei Jugendamtsurkunden regelmäßig der Fall. Daher kann aus Jugendamtsurkunden, die für das minderjährige Kind erstellt wurden, vom jetzt volljährigen Kind weiterhin vollstreckt werden.

Lautet der Alt-Titel nicht auf den Namen des Kindes, kann das zwischenzeitlich volljährig gewordene - nun selbst klagebefugte - Kind nicht ohne weiteres die Zwangsvollstreckung aus dem Alt-Titel betreiben. Was ist in solch einem Fall zu tun? 

Unterhaltstitel
auf den Namen eines Elternteils


OLG Stuttgart, Beschluss vom 23.10.2000 - 15 WF 386/00
Unterhaltstitel lautet
auf den Namen eines Elternteils


Will ein volljähriges Kind Unterhalt für sich aus einem Titel vollstrecken, der auf den Namen eines Elternteils lautet, muss dafür die Umschreibung des Titels gem. § 727 ZPO erfolgen (vgl. BGH v. 7.5.1992 - IX ZR 175/91, MDR 1992, 1084 = NJW 1992, 2159 f; OLG Köln v. 16.8.1994 - 25 WF 172/94. OLGR Köln 1995. 131 = FamRZ 1995, 308 f).

Anmerkung: Vollstreckt ein volljähriges Kind einen Unterhaltstitel, der nicht auf seinen eigenen Namen, sondern auf den Namen eines seiner Eltern lautet (Unterhaltstitel von einem Elternteil im Wege der gesetzlichen Verfahrensstandschaft erwirkt), ist die Vollstreckung im Wege der Erinnerung nach § 766 ZPO angreifbar.

Um dies zu verhindern, muss das volljährige Kind den Alt-Titel gem. § 120 Abs.1 FamFG i.V.m. § 727 ZPO auf seinen eigenen Namen umschreiben lassen. Erfolgt die Titelumschreibung auf den Namen des Kindes nicht, könnte der Elternteil, auf den der Alt-Titel lautet, die Vollstreckung betreiben.

Will dies der barunterhaltspflichtige Elternteil verhindern, kann er zunächst außergerichtlich zur Abgabe eines  Titelverzichts aufzufordern (vgl. außergerichtliche Lösungsansätze). Wird außergerichtlich nicht zum Titelverzicht aufgefordert, so droht ein sofortiges Anerkenntnis der Gegenseite mit der negativen Kostenfolge, dass die Verfahrenskosten – trotz gewonnenen Verfahrens – komplett zu tragen sind (dazu in eigener Sache, unser Az.: 394/14).

Kommt es nicht zum Titelverzicht, ist Antrag auf Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung zu stellen. Ein Abänderungsantrag wäre in diesem Fall das falsche Rechtsmittel. 

Notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung
mit Kindesunterhaltsregelung


Haben die Eltern den Kindesunterhalt in einer notariellen Scheidungsvereinbarung geregelt, ist fraglich, ob das Kind ein eigenes Antragsrecht im Fall der Veränderung von Umständen hat. Aktivlegitimiert ist derjenige, dem der Anspruch zusteht. Formulieren die Eltern daher den Unterhaltstitel im Sinne eines echten Vertrags zugunsten Dritter, dem ein eigenes Forderungsrecht des Kindes innewohnt, ist das Kind im Falle der Abänderung zutreffend Antragsteller oder Antragsgegner (KG, Beschluss vom 26.6.2019 – 13 UF 89/17, NZFam 2019, 718). Dies ist dann der Fall, wenn der Titel eine Verpflichtung zur Zahlung an das Kind zu Händen der Mutter begründet.

Vollstreckung aus Alt-Titeln
nach Volljährigkeit des Kindes


OLG Hamm, Beschluss vom 23.12.2015 – II-2 WF 198/15
Zur Vollstreckung aus Alttiteln nach Volljährigkeit des Kindes


Leitsätze:

  1. Der Eintritt der Volljährigkeit des Kindes verbunden mit dem Wegfall der Vollstreckungsbefugnis ist jedenfalls dann ein zulässiger Einwand im Vollstreckungsabwehrverfahren gegen den die Vollstreckung weiterhin betreibenden Elternteil, wenn der Titel auf Zahlung an den betreuenden Elternteil selbst lautet.
  2. Bei einer Verurteilung zu wiederkehrenden Leistungen ist der von einem Elternteil im Wege der Verfahrensstandschaft erstrittene Titel auf Zahlung von Kindesunterhalt jedenfalls dann in entsprechender Anwendung des § 371 BGB von diesem herauszugeben, wenn dem Kind mittlerweile eine vollstreckbare Teilausfertigung des Titels erteilt worden ist. (Leitsätze des Gerichts)

Anmerkung: Die Titelumschreibung ist für offene Unterhaltsrückstände aus der Zeit der Minderjährigkeit und für künftige Unterhaltsansprüche ab Volljährigkeit durchzuführen. (OLG Hamm, Zitat, Rn 16) „Keinen Unterschied macht es hierbei, ob der nicht mehr legitimierte Elternteil wegen eines laufenden Unterhalts oder auch noch wegen Unterhaltsrückständen aus der Zeit der Minderjährigkeit des Kindes die Zwangsvollstreckung betreibt, da maßgebend für den Erfolg des Vollstreckungsabwehrantrags allein auf den Wegfall der Vollstreckungsbefugnis abzustellen ist (vgl. zum Vorstehenden: OLG Koblenz, Beschluss vom 06.02.2007, AZ: 11 WF 1211/06, bei juris Langtext Rn 4; OLG Nürnberg, FamRZ 2002, 407, 408; OLG München, FamRZ 1997, 1493, 1494: zum Obhutswechsel des Kindes; B. Hamdan, in: jurisPK-BGB, Band 4, 7. Auflage 2014, Stand: 24.09.2015, § 1629 BGB Rn 80, 84; Jaeger, in: Johannsen/Henrich, 6. Auflage 2015, § 1629 BGB Rn 12f; Schmitz, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Auflage 2015, § 10 Rn 52 m.w.N.). Der Eintritt der Volljährigkeit des Kindes verbunden mit dem Wegfall der Vollstreckungsbefugnis ist jedenfalls dann ein zulässiger Einwand im Vollstreckungsabwehrverfahren, wenn der Titel auf Zahlung an den betreuenden Elternteil selbst lautet (vgl. OLG Thüringen, FamRZ 2014, 867, 868, bei juris Langtext Rn 26; OLG Nürnberg, FamRZ 2010, 1010, 2011, bei juris Langtext Rn 35; OLG München, FamRZ 1997, 1493, 1494 m.w.N.; B. Hamdan, in: jurisPK-BGB, a.a.O., § 1629 BGB Rn 84f, 87; Peschel-Gutzeit, in: Staudinger, a.a.O., § 1629 BGB Rn 386f; Schmitz, in: Wendl/Dose, a.a.O., § 10 Rn 154, 304 m.w.N.).

Praxishinweis


Soll für das volljährige Kind weiterhin aus einem Alt-Tilel vollstreckt werden, können und müssen diese u.U. auf den Namen des Kindes umgeschrieben werden. Wenn das geschieht, ist es für den Vollstreckungsschuldner (barunterhaltspflichtiger Elternteil) höchste Zeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ist eine außergerichtliche Klärung nicht möglich, hilft meist nur ein gerichtliches > Unterhaltsabänderungsverfahren. Achtung! : Gefährlich ist es, die Unterhaltszahlungen einfach einzustellen. Manche anwaltliche Vertreter reagieren darauf nicht nur mit Vollstreckung, sondern zusätzlich mit Strafanzeige wegen Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 StGB). Die Folge sind polizeiliche Ermittlungen mit Recherchen in den Einkommensverhältnissen; eine unangenehme und peinliche Prozedur. Dass es am Ende zu einem Strafverfahren kommt, ist eher unwahrscheinlich. Allerdings sollten Sie sich > fachanwaltlich beraten und erklären lassen, wann die Einstellung von Unterhaltszahlungen risikolos möglich ist.


Wann verlieren Alt-Titel
ihre Vollstreckbarkeit?


Um Alt-Titeln die Vollstreckbarkeit zu nehmen, muss der unterhaltspflichtige Elternteil folgende Möglichkeiten bedenken


Rechtsbehelf
gegen Vollstreckung aus Alt-Titel


Für den barunterhaltspflichtigen Elternteil, der aus einem Alt-Titel zu Unrecht und zu hoch vom volljährigen Kind in Anspruch genommen wird, gilt es jetzt mit einem Abänderungsverfahren zur Unterhaltsherabsetzung kombiniert mit einem Vollstreckungschutzantrag, die drohende Zwangsvollstreckung abzuwenden und den evtl. Unterhaltsanspruchs des volljährigen Kindes gerichtlich prüfen zu lassen. 


Abänderungsverfahren
des bisher allein barunterhaltspflichtigen Elternteils

Abänderungsantrag


Muster
Abänderungsantrag


Für ein Abänderungsverfahren ist die erste Frage: Was muss in der Antragsschrift vorgetragen werden?

Dies richtet sich nach der Darlegungs- und Beweislast des unterhaltsplichtigen Elternteils. Ist der Abänderungsantrag des Antragstellers (Elternteil) schlüssig formuliert, ist es nun Aufgabe des Antragsgegners (volljähriges Kind) dagegen erfolgversprechend vorzutragen. Auch hier richten sich die Anforderungen an den Erwiderungsschriftsatz an der Darlegungs- und Beweislast zum Bedarf und Bedürftigkeit des volljährigen Kindes aus.

Was die Darlegungs- und Beweislast zum Abänderungsgrund angeht, befindet sich der antragstellende Elternteil in einer komfortablen Situation: allein die Tatsache, dass ein Alt-Titel vorhanden ist und nach Volljährigkeit die Berechnung des Kindesunterhalts völlig anderen Regeln folgt, ist ein ausreichender Abänderungsgrund.

 

Schlüssiger Vortrag
zum Abänderungsgrund


OLG Celle, Urteil vom 02.05.2000 - 17 UF 236/99
Abänderung des Kindesunterhalts wegen Erreichen der Volljährigkeit


Als Abänderungsgründe kommen u. a. in Betracht:

Beispiel:

Ein minderjähriges unterhaltsbedürftiges Kind in Schulausbildung wird volljährig. Wenn der Vater bisher den Unterhalt für das Kind allein bezahlt hat, kann er seinen Antrag auf Unterhaltsabänderung wie folgt begründen:

    • Regeln der Unterhaltsermittlung haben sich verändert.
    • Ab Volljährigkeit des Kindes ist der Vater grundsätzlich nicht mehr allein barunterhaltspflichtig. Die Mutter, bei der das volljährige Kind lebt, hat sich jetzt grundsätzlich am Barunterhalt des Kindes zu beteiligen.

OLG Brandenburg Urteil v. 14.01.2003 - 10 UF 302/01
Darlegung des Abänderungsgrundes


(Zitat) "Der Kläger hat auch, was für die Zulässigkeit der Abänderungsklage ausreicht, eine Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse behauptet, indem er auf die am 3.10.1999 eingetretene Volljährigkeit der Beklagten, die zu einer Barunterhaltspflicht auch der Mutter führt, hingewiesen hat. Er hat zudem behauptet, die Beklagten befänden sich nicht mehr in einer Ausbildung bzw. seien nicht mehr bedürftig". [...] "Zwar trifft den Abänderungskläger die Darlegungs- und Beweislast für eine wesentliche Veränderung derjenigen Umstände, die für die Unterhaltsfestsetzung im vorausgegangenen Verfahren maßgeblich waren (vgl. BGH, FamRZ 1987, 259 f, 260). Dieser Grundsatz kommt aber nicht zur Anwendung, wenn der abzuändernde Titel Minderjährigenunterhalt regelt, das unterhaltsberechtigte Kind inzwischen volljährig geworden ist und nunmehr als Volljähriger Ausbildungsunterhalt verlangt. Dann muss das Kind > dartun und beweisen, dass der Unterhaltsanspruch fortbesteht, insbesondere welche > Haftungsquote auf den jeweiligen Elternteil entfällt, § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB (vgl. KG; FamRZ 1994, 765; OLG Hamm, FamRZ 2000 904; Wendl/ Scholz, Unterhaltsrecht, 5. Auflage, § 2, Rz. 451 a.E.; abweichend zur Darlegungs- und Beweislast betreffend den Haftungsanteil des anderen Elternteils OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 249 f).

Anmerkung: Der Antragsteller (Elternteil) muss zur Höhe seines möglichen Haftungsanteils am Kindesunterhalt nichts substantielles Vortragen, solange das volljährige Kind keine Angaben zum Einkommen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des anderen Elternteils macht.


Darlegungs- und Beweislast
des volljährigen Kindes

Wenn der bisher allein barunterhaltspflichtige Elternteil einen schlüssigen Abänderungsantrag stellt, kommt nun das volljährige unterhaltsbedürftige Kind massiv unter Druck.

Das volljährige Kind ist, obgleich Antragsgegner, darlegungs- und beweispflichtig für alle Tatsachen, die den Fortbestand des Unterhaltsanspruchs rechtfertigen sollen und auf die es bei der Erstellung des Ausgangstitels noch nicht angekommen ist.

Der Elementarunterhalt des Kindes bemisst sich nicht mehr allein nach dem Einkommen eines Elternteils, sondern nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Eltern. Dies allein kann die Abänderbarkeit des Alt-Titels rechtfertigen (> BGH, Beschluss vom 07.12.2016 - XII ZB 422/15, Rn 30). Wegen der anteiligen Barunterhaltspflicht beider Eltern muss zur Haftungsquotenbestimmung die jeweilige Höhe des Elterneinkommens bekannt sein.

Wenn dem Abänderungsantrag nicht stattgegeben werden soll, muss das volljährige Kind jetzt schlüssig zum Einkommen beider Elternteile vortragen. Dafür trägt es die volle > Darlegungs- und Beweislast.


Darlegungs- und Beweislast
unterhaltspflichtiger Eltern

Ein Fall
der Einkommensverschleierung


Wenn Eltern nicht nur wegen Erreichen der Volljährigkeit, sondern zusätzlich wegen Einkommensminderung im Wege eines Abänderungsverfahrens die Herabsetzung ihrer bisherigen titulierten Barunterhaltspflicht anstreben, haben sie ihre Einkommensminderung darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen.  Es ist eine Differenzbetrachtung zwischen den ehemaligen und den aktuellen Einkommensverhältnissen darzustellen und vorzutragen.

In einem Fall des OLG Karlsruhe wurde einem Vater die Abänderung einer Jugendamtsurkunde versagt, weil er seinen angeblichen Einkommensrückgang nicht beweisen konnte. Der Sohn hatte substantiiert behauptet, dass der Vater erheblich mehr Einkommen bezieht, als er in dem Verfahren offengelegt hat. Es wurde als Einwand vorgetragen, der Vater erziele er weiter noch Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit. Er sei zusammen mit seiner Ehefrau Gesellschafter der GA-Vertrieb GbR. Mit seiner Ehefrau betreibe er die Fa. G-Marketing, die damit beworben werde, dass 70.000 EUR jährlich bei einem Zeitaufwand von 2 bis 3 Stunden täglich eingenommen würden. Der Antragsgegner betreibe außerdem eine Autovermietung in der Rechtsform einer GbR. Schließlich trete der Antragsgegner im Internet mit seiner Ehefrau als „Leiter“ eines „T-Teams“ auf. Für ein entsprechend hohes monatliches Einkommen des Antragsgegners spreche auch sein Lebensstil. Er habe zusammen mit seiner Frau ein stattliches Anwesen mit Swimmingpool gebaut und fahre einen PKW Audi Q 7. Der Antragsgegner habe sein Einkommen nicht vollständig angegeben.

Er verschleiere sein Einkommen und verschiebe es an seine Ehefrau. Diesem Vortrag ist der Vater nicht mit Gegenbeweisen ausreichend entgegengetreten.

Praxistipp: Je mehr man konkrete Anhaltspunkte für ein zu vermutendes Einkommensniveau der Gegenseite vortragen kann, desto stärker bringt man die Gegenseite unter Druck, wahrheitsgemäß zum Einkommen vorzutragen. Dies folgt aus dem Beibringungsgrundsatz des § 138 ZPO.  So kann mit geschicktem Vortrag und konkreten Anhaltspunkten zum gepflegten Lebensstil mithilfe der Geständnisfiktion ein hohes – wenn auch verschleiertes – Einkommen zur Bemessungsgrundlage werden.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.08.2015 – 5 UF 238/13
Beweislast für die Höhe des Einkommens im Abänderungsverfahren wegen Einkommensrückgang des antragstellenden Elternteils


(Zitat)

"(2) Die Höhe des monatlichen Einkommens des Antragsgegners ist streitig geblieben und wurde von keinem der Beteiligten nachgewiesen. Die vorliegende entscheidende Frage, ob nach Volljährigkeit des Kindes für die Herabsetzung der mit Jugendamtsurkunde titulierten Unterhaltspflicht der sie begehrende Unterhaltsschuldner oder der Unterhaltsberechtigte darlegungs- und beweispflichtig für die Höhe des Einkommens ist, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet.

(3) Der Bundesgerichtshof hat sich in der vom Antragsgegner in Bezug genommenen Entscheidung (BGH vom 04.05.2011 - XII ZR 70/09, juris) nicht mit der Frage der Beweislast auseinandergesetzt. Die Einkommensverhältnisse der unterhaltspflichtigen Mutter standen fest. Die obergerichtliche Rechtsprechung hält überwiegend das volljährig gewordene Kind darlegungs- und beweispflichtig sowohl dafür, dass der Unterhaltsanspruch fortbesteht, als auch für den Umfang der Mithaftung des anderen Elternteils (OLG Köln vom 30.07.2012 - II-4 UF 49/12, juris Rn. 19; so auch OLG Sachsen-Anhalt vom 10.09.2014 - 4 UF 43/14, juris Rn. 5; OLG Brandenburg vom 15.01.2007 - 10 UF 169/06, juris Rn. 8). In den dort entschiedenen Fällen ging es aber nie um die Höhe des Einkommens des auch schon früher barunterhaltspflichtigen Elternteils, sondern um das Einkommen des bisher nicht barunterhaltspflichtigen Elternteils oder um die fehlende Darlegung des Kindes, dass weiterhin überhaupt noch ein Unterhaltsanspruch besteht. Nach anderer Auffassung soll der Eintritt der Volljährigkeit des Unterhaltsberechtigten alleine gerade nicht zur Folge haben, dass das Kind wie in einem Erstverfahren über den Unterhalt wieder für alle Voraussetzungen zur Höhe des Unterhaltsanspruchs darlegungs- und beweispflichtig wird. Der titulierte Unterhaltsanspruch gelte über die Volljährigkeit hinaus fort. Die „Abänderungslast“ für die > Herabsetzung liege beim Unterhaltspflichtigen (OLG Hamm vom 28.10.2011 - II-8 WF 160/11, juris Rn. 1). In einem Fall, der nicht eine mit > Jugendamtsurkunde titulierte Unterhaltspflicht betraf, wurde generell ausgeführt, dass in derartigen Fällen der Unterhaltsschuldner auch seinen Haftungsanteil darlegen und beweisen müsse (OLG Zweibrücken vom 15.12.1999 - 5 UF 114/99, juris Rn. 1). In der Literatur wird generell die Beweislast für die Abänderbarkeit von Titeln nach Volljährigkeit nach einer Meinung beim unterhaltsbegehrenden Kind (Wendl/Dose/Schmitz, Unterhaltsrecht, 9. Auflage 2015, § 10 Rn. 247), nach anderer Meinung beim Unterhaltspflichtigen (Gerhardt, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 9. Auflage 2013, Kap. 6 Rn. 973; Heiß/Born, Unterhaltsrecht Stand 01.07.2014, Kap. 23 Rn. 224 m.w.N.) gesehen. Für die Abänderung einer vollstreckbaren Urkunde wird dagegen die Meinung vertreten, der Unterhaltspflichtige sei uneingeschränkt für alle Umstände darlegungs- und beweispflichtig, aus denen er eine nachträgliche Abänderung einer einseitigen Verpflichtungserklärung zu seinen Gunsten ableite (Wendl/Dose/Schmitz, a.a.O., § 10 Rn. 280 und 282).
 
(4) Nach Auffassung des Senats liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des Einkommens des die Herabsetzung einer mit Jugendamtsurkunde titulierten Unterhaltspflicht begehrenden Unterhaltsschuldners bei diesem. Ausgehend von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 04.05.2011 ist im Abänderungsverfahren nach § 239 FamFG die Bindungswirkung des Schuldanerkenntnisses bei einseitig errichteter Jugendamtsurkunde zu beachten. Durch die Erklärung in der Jugendamtsurkunde hat sich der Antragsgegner verpflichtet und zugleich anerkannt, ab dem 01.01.2008 monatlich 128 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe zu bezahlen. Er hat diese Verpflichtung nicht auf die Zeit bis zur Volljährigkeit des Kindes beschränkt. Sowohl die Tatsache, dass aus der Jugendamtsurkunde vollstreckt werden kann, als auch § 239 FamFG, der besondere Voraussetzungen für die Abänderbarkeit der beurkundeten Verpflichtung fordert, könnten dafür sprechen, dass der die Herabsetzung der Unterhaltspflicht Begehrende insgesamt beweisen muss, ein Unterhaltsanspruch in der anerkannten Höhe bestehe nicht mehr. Reichte hierfür aus, alleine auf den Eintritt der Volljährigkeit des Unterhaltsberechtigten zu verweisen, ließe man die bloße Möglichkeit ausreichen, dass sich die ab Volljährigkeit entstehende Barunterhaltspflicht beider Eltern auf die Höhe der Unterhaltspflicht auswirkt. Steht nämlich das Einkommen des bisher barunterhaltspflichtigen und die Abänderung begehrenden Elternteils nicht fest, kann die Höhe des von ihm nach Eintritt der Volljährigkeit geschuldeten Unterhalts und die Haftungsquote, mit der er für den Bedarf des Antragstellers haftet, nicht ermittelt werden. Ein Vergleich mit dem laut Jugendamtsurkunde anerkannten Unterhalt ist demnach nicht möglich. Vorliegend kommt es nicht darauf an, ob entgegen der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung in diesen Fällen die Beweislast insgesamt beim Unterhaltsschuldner liegt. Jedenfalls hat der Unterhaltspflichtige darzulegen, dass sich tatsächliche Veränderungen auf die Höhe seiner Unterhaltspflicht insoweit ausgewirkt haben, als es um das ausschließlich in seiner Sphäre liegende Einkommen geht. Hat der Unterhaltspflichtige nämlich einen konkreten Unterhaltsanspruch in einer bestimmten Höhe anerkannt – hier die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt nach der dritten Altersstufe der Einkommensgruppe 6 der Düsseldorfer Tabelle abzüglich hälftigem Kindergeld -, so ergibt sich der Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Zahlung dieses Unterhaltsbetrages aus diesem Anerkenntnis. Grundsätzlich reicht es nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, dass sich derjenige, der einen Anspruch geltend macht, zur Begründung auf das Anerkenntnis des Schuldners beruft. Da der Unterhaltsanspruch vor und nach Volljährigkeit des Unterhaltsberechtigten identisch ist, ändert sich hieran allein durch die Volljährigkeit des Unterhaltsberechtigten zunächst nichts. Auch nach den allgemeinen Regeln zur Darlegungs- und Beweislast hätte dann derjenige, der meint, an sein Anerkenntnis nicht (mehr) gebunden zu sein, alle diesen Einwand begründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen (vgl. Wendl/Dose/Schmitz, a. a. O., § 10 Rn. 280). Die Bindungswirkung des Anerkenntnisses muss wenigstens bezüglich seines eigenen Einkommens so weit gehen, dass er sich davon nicht alleine durch den Verweis auf Volljährigkeit des Kindes lösen kann. Vielmehr muss von ihm jedenfalls verlangt werden, seine Einkommenssituation darzulegen und zu beweisen.

cc) Der Antragsgegner hat vorliegend seine Einkommensverhältnisse nicht nachgewiesen. Die vorgelegten Steuererklärungen sind nicht geeignet, seinen Vortrag zur Höhe des erzielten Einkommens und der ihm für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel zu belegen. Die Steuererklärung selbst stellt letztlich nichts anderes dar, als erneuten Parteivortrag in anderer Form. Zweifel an dem Vortrag des Antragsgegners ergeben sich auch aus dem Internetauftritt des Antragsgegners und seiner Ehefrau auf der Website [...], auf der damit geworben wird, dass mit geringem Aufwand erheblicher Gewinn erzielt wird. Nachdem der Antragsgegner im Übrigen zu seinem Einkommen ab dem Jahr 2013 gar nicht vorträgt, konnte nicht festgestellt werden, dass sich die Volljährigkeit des Antragstellers und die damit einhergehende Mithaftung der Mutter des Antragstellers sich mindernd auf die Höhe der einseitig anerkannten Unterhaltspflicht des Antragsgegners auswirkt."


Auskunftsansprüche
zur anteiligen Leistungsfähigkeit der Eltern

Will das volljährige Kind im Unterhaltsverfahren gegen die Eltern seinen Volljährigenunterhalt nach Maßgabe der jeweiligen anteiligen Leistungsfähigkeit der Eltern geltend machen, ist es auf Auskünfte über das jeweilige Elterneinkommen angewiesen. Hier stellt sich die Frage, welche Auskunftsansprüche zwischen dem Kind und seinen Eltern oder zwischen den Eltern bestehen.


Links & Literatur



Links



Literatur


  • Hans-Ulrich Graba, Eingetretener oder voraussichtlicher Umstand - Vollstreckungseinwendung oder Abänderungsgrund bei Unterhaltstiteln, in: FF 2014, 274
  • Volker Bißmaier, Abänderung Unterhalt - wann und wie?, in: FF 2012, 102-108


In eigener Sache


  • Abänderung von Jugendamtsurkunden, (d3/204-15)
  • Abänderung einer Jugendamtsurkunde wegen Erreichen der Volljährigkeit, unser Az.: 188/15
  • AG Dessau-Roßlau, Abänderungsverfahren wegen Erreichen der Volljährigkeit, unser Az.: 40/16 (Antrag: D3/516-16)
  • Abänderung einer bestehenden Jugendamtsurkunde durch neue Jugendamtsurkunde, unser Az.: 212/15
  • Keine Fehlerkorrektur von Jugendamtsurkunden wegen Bindungswirkung des Schuldanerkenntnisses, unser Az.: 223/15 (D3/379-16)
  • Jugendamt Chemnitz, Herabsetzungsvereinbarung wegen Arbeitslosigkeit und Krankheit des Unterhaltspflichtigen, unser Az.: 43/16 (D3/519-16)