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Steht der > Unterhaltsbedarf des Kindes fest, ist auf der nächsten Prüfungsebene im > Prüfungsschema die Bedürftigkeit des Kindes festzustellen. Hier stellt sich die Frage, wer den Bedarf des Kindes zu decken hat. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung sind uneingeschränkt alle Einkünfte des Kindes bedürftigkeitsmindernd auf den Bedarf des Kindes anzurechnen (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis. 9. Auflage 2015, § 2 Rn 132). Es gilt die
Bei minderjährigen Kindern besteht der Gesamtbedarf des Kindes zu einem hälftigen Anteil aus > Barunterhalt und zum anderen aus dem > gleichwertigen Anteil aus Betreuungsleistungen (d.h. Pflege und Erziehung). Bei volljährigen Kindern besteht der Gesamtbedarf des Kindes dagegen nur noch in Form von Barunterhalt, für den beide Eltern > anteilig haften. Dies hat Auswirkung auf die Anrechnung des eigenen Einkommens des Kindes auf den Unterhaltsbedarf: Bei minderjährigen Kindern wird das Eigeneinkommern zur Hälfte auf den Barunterhalt angerechnet. Bei volljährigen Kindern wird das Eigeneinkommen in voller Höhe auf den (Bar-)Gesamtbedarf angerechnet.
Das unterhaltsrelevante Einkommen des Kindes wird nach den allgemeinen Prinzipien (in > fünf Schritten) ermittelt.
Es wird an das > Gesamtbruttoeinkommen angeknüpft. > Alle sieben Einkunftsarten des Bedürftigen werden bei der Unterhaltsanrechnung berücksichtigt (> Totalitätsprinzip). Zwar wird es bei minderjährigen Kindern zum eigenen Erwerbseinkommen i.d.R. nur bei Ausbildungsvergütungen von minderjährigen Azubis kommen. Aber es ist nicht selten, dass minderjährige Kinder erhebliches Vermögen geerbt haben oder geschenkt bekommen. Dies führt zu anrechenbaren > Einkünften aus Kapitalvermögen.
Es kann zu > fiktiven Einkünften kommen, wenn Kinder einer > Erwerbsobliegenheit trifft. Wird einer > überobligatorischen Tätigkeit nachgegangen, wird das daraus erzielte Einkommen nur zum Teil auf den Bedarf angerechnet. Das ist meist bei > Studenten der Fall, die einer > überobligatorischen Aushilfstätigkeit nachgehen. Ausbildungsvergütungen können um den sog. Ausbildungsaufwand bereinigt werden.
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OLG München, Beschluss vom 21.06.2017 - 16 UF 1384/16
(intern vorhanden, unser Az.: 505/16)
Zinseinnahmen & Bedürftigkeit des Kindes
(Zitat) "Ein minderjähriges, unterhaltsbedürftiges Kind ist zwar nach § > 1602 Abs.2 BGB nicht verpflichtet, den Stamm des eigenen Vermögens für Unterhaltszwecke zu verwenden, Erträge aus dem Vermögen, sind aber stets zur Deckung des Unterhalts heranzuziehen, insoweit entfällt die > Bedürftigkeit des minderjährigen Kindes."
Anmerkung: Im Fall des OLG München wurde der Antrag auf Kindesunterhalt als unbegründet zurückgewiesen, weil im > Unterhaltsverfahren nicht ausreichend plausibel zu den Zinseinnahmen der Kinder vorgetragen hat (Hinweis: zur Darlegungs- und Beweislast der Bedürftigkeit > hier). Das Vermögen minderjährige Kinder ist in der Regel unantastbares > Schonvermögen. Doch ist zwischen Vermögen und Erträgen zu unterscheiden. Erträge, sprich > Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 2 Abs.1 Ziff.5 EStG, sind nicht „unantastbar“. Das gilt steuerrechtlich ebenso wie unterhaltsrechtlich. Die Besteuerung der Kapitalerträge lässt den Vermögensstamm vollkommen unberücksichtigt. Gleiches gilt für die unterhaltsrechtliche Beurteilung. Hier ist das Einkommen aus Kapitalerträgen auf den Unterhaltsbedarf des Kindes anzurechnen Die Einkünfte des Kindes aus Kapitalvermögen sind zu > bereinigen.
Ein 16 jähriges Kind bezieht eine Ausbildungsvergütung von 500,-- € netto/Monat. Der von der Mutter getrennt lebende Vater bezieht ein unterhaltsrelevantes Netto-Einkommen in Höhe von 2.200,-- €. Bevor das Kind die Lehre begonnen hat, bezahlte der Vater nach der Tabelle Zahlbeträge der > DT (2020) einen monatlichen Barunterhalt in Höhe von 420,-- € (Zahlbetrag lt. DT (2020) nach zweiter Einkommensgruppe und dritter Altersstufe). Nachdem der Vater erfahren hat, dass sein Kind in der Ausbildung ein Gehalt von 500,-- € bezieht, möchte er seine Barunterhaltspflicht neu berechnen lassen.
Zum Unterhalt für minderjährige Kinder > hier
Barunterhalt nach Anrechnung des Eigeneinkommens des Kindes: 522,00 € (Bedarf) - 102,00 € (Kindergeld) - 200,00 € (Eigeeinkommen) = 220,00 €. Neu berechneter Barunterhalt 220,00 € statt 395,00 €
Das folgende Beispiel geht davon aus, dass das volljährige Kind noch bei einem Elternteil lebt (> abgeleitete Lebensstellung des Kindes). Der > Bedarf des volljährigen Kindes bestimmt sich in diesem Fall mithilfe der > Düsseldorfer Tabelle nach der > 4. Altersstufe und dem Gesamteinkommen beider Elternteile.
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Auf seinen > Bedarf muss sich das volljährige Kind das eigene unterhaltsrelevante Einkommen vollständig anrechnen lassen
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Weiterführende Links:
» Musterfall: Wie wird die Höhe des Kindesunterhalts mithilfe der Düsseldorfer Tabelle ermittelt? > hier
» Wegweiser zum Volljährigenunterhalt > hier
Vater und Mutter leben voneinander getrennt. Nach der > Trennung der Eltern bleibt Kind im Haushalt der Mutter. Es wurde zu Gunsten des damals minderjährigen Kindes eine > Jugendamtsurkunde zur Barunterhaltsplicht des Vaters errichtet. Zwischenzeitlich wird das Kind volljährig über einen Barunterhalt nach Kind wird volljährig, es besucht das Gymnasium und bezieht aus Kapitalvermögen Zinseinkünfte in Höhe von 50,- € p.m.. Die alleinerziehende Mutter, bei der das Kind nach wie vor lebt, hat ein unterhaltsrelevantes > Einkommen in Höhe von 1.000,- €. Sie kommt ihrer > Erwerbsobliegenheit vollständig nach. Der Vater bezieht ein unterhaltsrelevantes Einkommen in Höhe von 2.500,- €.
Nach Volljährigkeit des Kindes möchte der Vater nun wissen, ob er den Kindesunterhalt weiterhin bezahlen muss oder ob er die Jugendamsturkunde abändern lassen kann ("Was ändert sich ab Volljährigkeit?"
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zum Unterhalt für volljährige Kinder > hier
Der Grundsatz (> § 1606 Abs.3 S.1 BGB) der > anteiligen Haftung beider Eltern greift aber erst dann, wenn beide Elternteile leistungsfähig sind (> Berechnungsbeispiel zu den Haftungsquoten). Hier ist nur der Vater leistungsfähig. Das Einkommen der Mutter liegt unter ihrem > angemessenen Selbstbehalt. Ein Grund für die > Herabsetzung ihres Selbstbehalts ist hier nicht ersichtlich. Gründe für die Zurechnung von fiktiven Einkünften sind ebenfalls nicht ersichtlich (> Mehr). Im vorliegenden Fall kann die Mutter deshalb keine Haftungsquote wegen § 1606 Abs.3 S.1 BGB treffen.
Es wurde ein ungedeckter Bedarf des volljährigen Kindes an Barunterhalt in Höhe von 329,00 € festgestellt. Diesen hat der Vater allein zu decken, weil die Mutter am Barunterhalt mangels Leistungsfähigkeit nicht beteiligt werden kann. Der Vater kann wegen voller Anrechnung der Zinseinkünfte und des Kindergeldes ein Abänderungsverfahren gegen die Jugendamtsurkunde anstreben.
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