Beispiel
Wohnvorteil ab der Trennung bis zur Scheidung
Die Eheleute wohnten in einem gemeinsamen Eigenheim. Sie sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer der Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche von 100 qm. Der ortsübliche Mietwert (Kaltmiete) beträgt 7 €/qm. Die Eheleute trennen sich, wobei der Ehemann auszieht. Frage: Wie hoch ist der Wohnvorteil? Ein Wohnvorteil wird demjenigen als fiktives Einkommen zugerechnet, der wegen Wohnen im Eigenheim keine Mietkosten hat. Um den Umfang des Vorteils zu bestimmen, wird die Frage gestellt: was müsste an Miete für das bewohnte Eigenheim bezahlt werden, wenn man nicht Eigentümer der Wohnung wäre? Antwort: 100qm Wohnfläche x 7 €/qm Mietzins = 700 € = tatsächlicher Wohnvorteil Bei Bestimmung des Wohnvorteils im ersten Trennungsjahr wird nicht auf den tatsächlichen Wohnvorteil, sondern auf den angemessenen Wohnvorteil abgestellt. Deshalb lautet die Frage anders, und zwar: Was müsste an Miete für eine Single-Wohnung (d.h. kleinere Wohnung) bezahlt werden, die nach Ausstattung und Wohnraum dem ehelichen Lebensstandard entspricht: Vorliegend darf nach diesem Maßstab eine solche Single-Wohnung 50 qm haben mit einem Mietwert von 7 €/qm. Antwort für angemessenen Wohnwert: 50 qm Wohnfläche x 7 €/qm Mietzins = 350 € = angemessener Wohnvorteil
Ergebnis: Die Ehefrau ist im gemeinsamen Eigenheim verblieben. Bis Ablauf des ersten Trennungsjahrs muss sie sich als fiktive Einkunft einen angemessenen Wohnvorteil in Höhe von 350,- € zurechnen lassen. Dementsprechend erhöht sich ihr unterhaltsrelevantes Einkommen um 350,- €. Nach Ablauf des ersten Trennungsjahrs und auch bei nachehelichem Unterhalt muss sie sich den tatsächlichen Wohnvorteil in Höhe von 700,- € als fiktives unterhaltsrelevantes Einkommen zurechnen lassen.
Beispiel
mit Immobilienkredit
In Abwandlung des obigen Beispiels ist nun der Ehemann M Alleineigentümer und bleibt nach Trennung seiner Ehewohnung. Ehefrau F zieht aus. Das unterhaltsrelevante Einkommen des Ehemanns beträgt 2.500 € und das der Ehefrau 800,- €. Das Eigenheim wird von M finanziert. An die Bank sind dafür monatlich 700 € Zins- und 100 € an Tilgungsraten zu bezahlen. M trägt die Kreditbelastung alleine. Die Belastungen für das Bankdarlehen sind beim Einkommen des Ehegatten M abzugsfähig.
BGH, Urteil v. 31. 10. 2012 − XII ZR 30/10
(Zitat) “Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind vom Wohnwert die mit dem Eigentumserwerb verbundenen Kosten abzusetzen (Senatsurteil vom 5. März 2008 – XII ZR 22/06 – FamRZ 2008, 963 Rn. 17 ff.). Dazu gehören grundsätzlich auch die Tilgungsleistungen. Dass diese der Vermögensbildung dienen, steht dem nicht entgegen, solange der andere Ehegatte von der Vermögensbildung profitiert. Letzteres ist nicht nur gegeben, wenn der andere Ehegatte Miteigentümer des Grundstücks ist, sondern auch bei bestehendem Alleineigentum, solange sich die Vermögensbildung noch im Zugewinn niederschlägt.”
Wie hoch ist der Unterhaltsanspruch?
a) Im ersten Trennungsjahr
Einkommen Ehemann: 2.050,- €reales Einkommen: 2.500 € fiktives Einkommen wegen angemessenen Wohnwert: 350,- € abzgl. Kreditverbindlichkeiten: 800,- € Einkommen Ehefrau: 800,- € Bedarf der Ehefrau: (2.050,- € + 800,- €) x ½ = 1.425,- € Bedürftigkeit der Ehefrau: Bedarf (= 1.425,- €) abzgl. eigenes Einkommen (= 800,- €) = 625,- € Der Unterhaltsanspruch beträgt 625 ,- €
b) Nach Ablauf des ersten Trennungsjahrs bzw. nach Scheidung
Jetzt ist zum einen die Zurechnung des tatsächlichen Wohnvorteils zu beachten. Zum anderen lässt die Rechtsprechung bei den Verbindlichkeiten nicht mehr – ohne weiteres – den Abzug der Tilgungsrate zu. Grund: der Unterhaltsberechtigte soll nicht Nachteile durch die Vermögensbildung des Unterhaltsverpflichteten erfahren. Mehr dazu klicken Sie > hier. Die Rechtsprechung gestattet jedoch Vermögensbildung bis zu einer Höhe von 4% des Jahresbruttoeinkommens jährlich als Altersvorsorge. Hier kann unterstellt werden, dass die jährliche Tilgungsleistungen von 1.200,- € (= 12 x 100,- €/Monat) die Grenze der zulässigen Vermögensbildung zur Altersvorsorge nicht übersteigt. (Näheres dazu siehe “ IMMOBILIE und PRIVATE ALTERSVORSORGE “ Nun ergibt sich folgende Berechnung: Einkommen Ehemann : 2.400,- € reales Einkommen: 2.500 € fiktives Einkommen wegen tatsächlichem Wohnwert: 700,- € abzgl. Kreditverbindlichkeiten: 800,- € (700,- € Zinsen + 100,- € Tilgung als zulässige private Altersvorsorge Einkommen Ehefrau : 800,- € Bedarf der Ehefrau: (2.400,- € + 800,- €) x ½ = 1.600,- € Bedürftigkeit der Ehefrau: Bedarf (= 1.600,- €) abzgl. eigenes Einkommen (= 800,- €) = 800,- € Der Unterhaltsanspruch beträgt 800,- € Leistungsfähigkeit des M: 2.500 (reales Einkommen) minus 700,- (Kredit) minus 800,- € (Unterhalt) = 1.000,- €. Der Selbstbehalt beträgt 1.100,- €. Weil darin aber Mietaufwendungen von 400,- € berücksichtigt sind (vgl. Ziff. 21.4 SüdL), ist der maßgebliche Selbstbehalt 700,- € (= 1.100 € – 400,- €). Dieser ist gewahrt.