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Buch zum Thema
(Kindle-Edition 2005)
In diesem Fall ergibt sich der Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § > 1615 l BGB.
Ist aus der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein Kind hervorgegangen, so gelten für den Kindesunterhalt die gleichen Rechte, wie für Kinder aus einer Ehe der Eltern. Die gesetzliche > Anspruchsgrundlage für Kindesunterhalt ist § > 1601 BGB. Das gilt unabhängig davon, ob das Kind minderjährig oder volljährig ist. Für den Unterhaltsanspruch eines Kindes ist allein das > Abstammungsverhältnis von seinen Eltern entscheidend. Es spielt also keine Rolle, ob die Eltern des Kindes miteinander verheiratet sind oder waren.
Durch das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz (vom 21. August 1995 BGBl. I S. 1050) hatte der Gesetzgeber den Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes für die Zeit ab dem 1. Januar 1996 auf die Dauer von drei Jahren ab der Geburt des Kindes erweitert. Zugleich hatte er den Unterhaltsanspruch auch inhaltlich erweitert und der Mutter das Recht eingeräumt, frei zu entscheiden, ob sie das Kind in den ersten drei Lebensjahren selbst erziehen oder eine anderweitige Betreuungsmöglichkeit in Anspruch nehmen wollte. Erst durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz (vom 16. Dezember 1997 BGBl. I S. 2942) hatte der Gesetzgeber die starre Befristung des Unterhaltsanspruchs bei Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes aufgegeben und zum 1. Juli 1998 eine Billigkeitsregelung eingeführt, die es ermöglichte, den Unterhaltsanspruch über die Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes hinaus zu verlängern, sofern es "insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Kindes grob unbillig wäre, einen Unterhaltsanspruch nach Ablauf dieser Frist zu versagen". Mit Beschluss vom 28. Februar 2007 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 118, 45 = FamRZ 2007, 965) die damals noch unterschiedliche Ausgestaltung des > nachehelichen Betreuungsunterhalts in § 1570 BGB einerseits und des Unterhalts wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes in § 1615 l Abs. 2 BGB andererseits wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 5 GG für verfassungswidrig erklärt. Nach dem Willen des Gesetzgebers seien im Rahmen der Billigkeitsentscheidung für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts allein kindbezogene Gründe zu berücksichtigen und diese dürften im Hinblick auf Art. 6 Abs. 5 GG für ehelich und nichtehelich geborene Kinder nicht unterschiedlich gewertet werden. Auf der Grundlage dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der Gesetzgeber den Betreuungsunterhalt durch das zum 1. Januar 2008 in Kraft getretene Unterhaltsrechtsänderungsgesetz neu geregelt. Dabei hat er zwar beide gesetzliche Vorschriften über den Betreuungsunterhalt geändert, sich aber am System des Betreuungsunterhalts in § 1615 l BGB a. F. orientiert, wonach dem betreuenden Elternteil ein Basisunterhalt für die Dauer von drei Jahren mit Verlängerungsmöglichkeit zusteht.
Zusammenfassung: Im Bereich des Kindesunterhalts und des Betreuungsunterhalts werden nichteheliche und ehelichen Lebensgemeinschaften weitgehend gleich behandelt. Für den Betreuungsunterhalt wird dies über §§ 1615 l BGB erreicht. Der > Bedarf des kinderbetreuenden Elternteils bemisst sich stets nach der eigenen Lebensstellung. Einen Rechtsanspruch nach den gemeinsamen Lebensverhältnissen sieht der Unterhaltstatbestand des § 1615 l Abs. 2 BGB aus gemeinsamer Elternschaft auch für die Zeit des Zusammenlebens nicht vor (BGH, Urteil vom 16. Juli 2008 - XII ZR 109/05 Rn 33).
Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist im Familienrecht nicht gesetzlich geregelt. Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ("eheähnliche Gemeinschaft") wird durch Richterrecht geprägt. Dabei werden Regeln des Familienrechts (insbesondere Schutzrechte für den wirtschaftlich schwächeren Lebenspartner) nur sehr zurückhaltend auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft analog angewendet. Grundsätzlich werden Ausgleichsrechte bei Scheitern der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht anerkannt, sofern die Partner der Lebensgemeinschaft dies nicht ausdrücklich vereinbart haben oder > gesetzliche Ausgleichsmechanismen des allgemeinen Zivilrechts einen Ausgleichsanspruch begründen können. Die Rechtsprechung hat aber in einigen Urteilen familienrechtliche Rechtswirkungen für eine eheähnliche Gemeinschaft anerkannt. Besonders hervorzuheben ist hier BGH, Urteil vom 09.07.2008 -XII ZR 179/05.
(1) Der > Vater hat der Mutter für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt des Kindes Unterhalt zu gewähren. Dies gilt auch hinsichtlich der > Kosten, die infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung außerhalb dieses Zeitraums entstehen.
(2) Soweit die Mutter einer > Erwerbstätigkeit nicht nachgeht, weil sie infolge der Schwangerschaft oder einer durch die Schwangerschaft oder die Entbindung verursachten Krankheit dazu > außerstande ist, ist der Vater verpflichtet, ihr über die in Absatz 1 Satz 1 bezeichnete Zeit hinaus Unterhalt zu gewähren. Das Gleiche gilt, soweit von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine > Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Die Unterhaltspflicht beginnt frühestens vier Monate vor der Geburt und besteht für mindestens drei Jahre nach der Geburt. Sie verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden > Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.
(3) Die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten sind entsprechend anzuwenden. Die Verpflichtung des Vaters geht der Verpflichtung der Verwandten der Mutter vor. § 1613 Abs. 2 gilt entsprechend. Der Anspruch erlischt nicht mit dem Tode des Vaters.
(4) Wenn der > Vater das Kind betreut, steht ihm der Anspruch nach Absatz 2 Satz 2 gegen die Mutter zu. In diesem Falle gilt Absatz 3 entsprechend.
Leitsatz: Die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen der Mutter nach § 1615l BGB setzt das Bestehen der > rechtlichen Vaterschaft aufgrund Anerkennung oder rechtskräftiger Feststellung voraus.
Anmerkung: Der BGH stellt hier die Grundsätze zum Betreuungsunterhalt sehr gut dar. Zur > Pressemitteilung 139/08.
» 1. Maßstab:
Schwangerschafts- und Entbindungskosten
» 2. Maßstab:
Einkommen vor der Schwangerschaft
» 3. Maßstab:
Karriereknick
» 4. Maßstab:
Halbteilungsgrundsatz
Der Anspruch auf Kostenerstattung ist Teil des Unterhaltsanspruchs nach § 1615l Abs.1 S.1 BGB. Der Vater muss der Mutter auch Kosten erstatten, die außerhalb des in § 1615l Abs.1 S.1 BGB genannten Zeitraums entstehen. Voraussetzung ist eine Kausalität zwischen Schwangerschaft, Entbindung und den Kosten. Der Kostenaufwand lässt sich als Sonderbedarf der Mutter qualifizieren und umfasst Aufwendungen für Arzt, Klinikaufenthalt, Hebamme, Medikamente etc., aber auch alle Schwangerschaftsfolge- und Entbindungsfolgekosten (ärztliche Vor- und Nachuntersuchungen, Schwangerschaftsgymnastik. Ersetzt werden nur die tatsächlichen Kosten, wobei der Anspruch sich um Zahlungen der Sozialversicherungsträger oder Privatversicherungen ermäßigt. Der Kostenerstattungsanspruch ist seiner Art nach ein Unterhaltsanspruch und damit abhängig von > Bedürftigkeit und > Leistungsfähigkeit.
Erste Babyausstattung: Die Erstausstattung eines Säuglings stellt Sonderbedarf des Kindes i.S. des § 1613 Abs.2 Ziff. 1 BGB dar und kann im Wege einer Schätzung mit einem Pauschalbetrag von 1.000,00 € gefordert werden (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 12.05.2009 – 11 UF 24/09; NJW-RR 2009, 1305).
Mit der > Bedarfsermittlung wird die grundsätzliche Höhe eines Unterhalts bestimmt. Die Höhe des > Betreuungsunterhalts nach § > 1615l BGB, d.h. in Fällen, in denen die Eltern nicht miteinander verheiratet sind, kann sich der Lebensbedarf nicht an > ehelichen Verhältnissen orientieren, sondern nur an der > eigenen individuellen Lebensstellung des kinderbetreuenden Unterhaltsberechtigten. Der Bedarf an Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB richtet sich ausschließlich nach der eigenen Lebensstellung des kinderbetreuenden Elternteils. Das ergibt sich aus dem Verweis des § 1615l Abs.3 S.1 BGB auf § > 1610 BGB. Damit ist Bedarfsmaßstab das Einkommen des kinderbetreuenden Elternteils, das vor Geburt des Kindes erzielt wurde. Das Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils wird nur zur möglichen Korrektur des Bedarfs berücksichtigt (> Mehr).
(Zitat, Rn 16): "Entscheidend ist, welches Einkommen der betreuende Elternteil ohne Geburt oder Kinderbetreuung erwirtschaftet hätte; an diesen Betrag ist anzuknüpfen. Das gilt allerdings nur, soweit es sich hierbei um ein nachhaltig erzieltes, dauerhaft gesichertes Einkommen handelt. Ein solches liegt nicht vor, wenn die Erwerbsbiographie durch wechselnde Zeiten der Berufstätigkeit und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2008 - XII ZR 109/05, BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, 1739 [bei juris Rz. 25]; BGH, Urteil vom 17. Januar 2007 - XII ZR 104/03, FamRZ 2007, 1303 [bei juris Rz. 17]; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11. Juli 2013 - 6 UF 24/13, FamRZ 2014, 484 [bei juris Rz. 35, 38] sowie Büte/Poppen/Menne-Menne, Unterhaltsrecht [3. Aufl. 2015], § 1615l Rn. 29, 30)."
(Zitat, Rn 20): "[...] nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juni 2015 - XII ZB 251/14, BGHZ 205, 342 = FamRZ 2015, 1369 [bei juris Rz. 34]), der sich die Obergerichte inzwischen angeschlossen haben (vgl. etwa OLG Köln, Beschluss vom 21. Februar 2017 - 25 UF 149/16, FamRZ 2017, 1309 [bei juris Rz. 36ff.]), wird der Unterhaltsbedarf des nicht verheirateten, betreuenden Elternteils nicht mehr unabänderlich durch die Lebensstellung bestimmt, die er im Zeitpunkt der Geburt des Kindes hatte, sondern danach, welche Einkünfte er ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes hätte erzielen können. Der Unterhaltsbedarf ist also nicht mehr auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes festgeschrieben, sondern im Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung ist vom Zeitpunkt der Geburt des Kindes ausgehend zu prüfen, wie sich die Lebensstellung des betreuenden Elternteils ohne die Geburt des Kindes hypothetisch weiter entwickelt hätte: Maßstab für den Bedarf des betreuenden Elternteils ist damit sein im konkreten Einzelfall nach seinen individuellen Fähigkeiten erzielbares hypothetisches Erwerbseinkommen, dass er erzielen würde, wenn nicht das zu betreuende Kind geboren worden wäre, sondern er seine bisherige Berufstätigkeit bzw. Ausbildung/Studium planmäßig fortgeführt hätte (vgl. Ehinger/Rasch/Schwonberg/Siede-Schwonberg, Handbuch des Unterhaltsrechts [8. Aufl. 2018] Kap. 4 Rn. 4.51, 4.51a)."
Indexierung
des vorgeburtlichen Einkommens:
Das Einkommen der Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes ist zur Inflationsbereinigung zu indexieren. Das frühere Einkommen ist ggf. nach dem allgemeinen Verbraucherpreis-Jahresindex auf den jeweiligen Berechnungszeitraum zu aktualisieren (BGH, Urteil vom 16. 12. 2009 - XII ZR 50/08; OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.11.2012 - 10 UF 226/11).
Anmerkung: Der BGH hat sich zur Lösung des Problems einer gerechten Verteilung der vorhandenen Mittel für eine entsprechende Anwendung des im ehelichen Unterhaltsrecht geltenden Grundsatzes der Halbteilung in seiner anspruchsbegrenzenden Funktion entschieden, was auch beinhaltet, dass ihm der beim Ehegattenunterhalt übliche Erwerbstätigenbonus – der eine Modifizierung des > Halbteilungsgrundsatzes darstellt – zugute kommen.
Anmerkung: Es war zweifelhaft, ob der BGH die Begrenzung des Betreuungsunterhalts nach § 1615l BGB durch den Grundsatz der Halbteilung dem Bedarf oder der Leistungsebene zuordnen würde. Das Bundesverfassungsgericht hat die die Begrenzung des Betreuungsunterhaltsanspruchs aus § 1615l Abs.2 S.2 BGB nach Halbteilungsgrundsatz bereits auf der Bedarfsebene als verfassungsgemäß gebilligt hat (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 13.Februar 2018 - 1 BvR 2759/16-juris). Nun hat sich der BGH wieder für die Bedarfsebene entschieden (Bömelburg/Gutdeutsch, FamRZ 2020, 657).
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist nun eine zweistufige Bedarfsermittlung angezeigt:
Ebenso wie der Betreuungsunterhalt nach § > 1570 BGB soll der Unterhaltsanspruch aus Anlass der Geburt eines Kindes nicht verheirateter Eltern (§ > 1615l BGB) grundsätzlich den Karriere-Knick wegen Kinderbetreuung zum Ausgleich bringen. Der > Unterhaltsbedarf wird nach Maßgabe der > Lebensstellung (§§ > 1615 l Abs.3 S.1 i.V.m. § > 1610 Abs.1 BGB) des kinderbetreuenden Elternteils bestimmt (vgl. > BGH, Beschluss vom 10.06.2015 - XII ZB 251/14). Die Mutter muss ihren Unterhaltsbedarf konkret darlegen. Dies bedeutet, dass i.d.R. der Verdienstausfall der Mutter der Maßstab für die Ermittlung ihres Bedarfs ist. Hat sie vor der Geburt Erwerbseinkommen erzielt, richtet sich ihr Bedarf nach ihrem damaligen Einkommen. Der Bedarf wird auf keinen Fall entsprechend § 1578 BGB bestimmt, selbst wenn die Eltern des Kindes früher in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lange zusammen gelebt haben (BGH FamRZ 2008, 1739). Es gibt also keine „eheähnlichen Lebensverhältnisse“.
(Zitat) "Nach Zahlung des Betreuungsunterhaltes würde dem Antragsgegner weniger als der Selbstbehalt und auch weniger als die Hälfte seines Einkommens verbleiben. Aber auch bei Berücksichtigung des angemessenen Selbstbehalts wäre der Antragsgegner schlechter gestellt als bei der Zahlung von Trennungs- oder nachehelichem Ehegattenunterhalt. Um diese Schlechterstellung des nichtehelichen Vaters zu vermeiden, kommt der im Ehegattenunterhalt geltende > Halbteilungsgrundsatz auch im Rahmen des Unterhaltsanspruchs nach § 1615 l BGB zur Anwendung (vgl. statt vieler Wendl/Dose, aaO, § 7, Rdnr. 116, 117). Nach dem Halbteilungsgrundsatz kann die Antragstellerin daher lediglich die Hälfte des dem Antragsgegner verbleibenden bereinigten Einkommens beanspruchen"
Anmerkung: Die Berechnung auf Stufe I hat zur Folge, dass der Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter den Betreuungsunterhaltsanspruch der verheirateten Mutter übersteigen kann. Der Bedarf der Mutter wird jedoch in solchen Fällen (ähnlich § 1570 BGB) durch den Halbteilungsgrundsatz begrenzt (BGH FamRZ 2019, 1234 (1236). Der Mutter steht nicht mehr Unterhalt zu, als dem Vater selbst verbleibt (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 4.7.2013 - 6 UF24/13, NJW 2014, 559).
Die Höhe des Unterhaltsanspruchs ist neben dem Halbteilungsgrundsatz außerdem grundsätzlich durch die Höhe des Unterhaltsanspruchs begrenzt, den eine eheliche Mutter geltend machen könnte. Bei der deswegen anzustellenden vergleichenden Berechnung (Kontrollberechnung) ist der vergleichend herangezogene Unterhaltsanspruch einer ehelichen Mutter unter Heranziehung aller dort anerkannter Kriterien zu ermitteln. Das gilt besonders für die Berücksichtigung eines > Erwerbstätigenbonus und die Geltendmachung steuerlicher Vorteile (> begrenztes Realsplitting) (vgl. OLG Frankfurt, FuR 2019, 710; Franz-Thomas Roßmann, in: Viefhues et al., Das familienrechtliche Mandat - Unterhaltsrecht, § 5 Unterhalt nicht miteinander verheirateter Eltern nach § 1615l BGB).
Die unterhaltsberechtigte Mutter hat bis zur Geburt des Kindes ein > bereinigtes Netto-Einkommen in Höhe von 2.200 € erzielt. Das bereinigte Netto-Einkommen des unterhaltspflichtigen Vaters beträgt nach > Abzug des Kindesunterhalts 3.500 €. Der nach Lebensstellung der Mutter ermittelte Bedarf beträgt 2.200 €. Müsste der Vater diesen Bedarf decken, verblieben ihm 1.300 € (= 3.500 € - 2.200 €). Die Mutter hätte dagegen 2.200 € (ohne eigenem Erwerbseinkommen wegen Kinderbetreuung) zur Verfügung. Im Ergebnis verbliebe dem Vater mit 1.300 € weniger als die Hälfte seines bereinigten Netto-Einkommens, d.h. weniger als 1.750,00 € (= 3.500,00 € x 1/2). Wenn beide Eltern miteinander verheiratet gewesen wären, würde der Betreuungsunterhalt der Mutter sich aus > § 1570 BGB ergeben und der Bedarf nach den > ehelichen Lebensverhältnissen bestimmt. Nach Wegfall des Erwerbseinkommens der Mutter wegen Kinderbetreuung würde der Betreuungsunterhalt nach der Differenzmethode bestimmt werden. Danach bestimmt sich der Betreuungsunterhalt nach folgender Formel: 3.500 € (Einkommen des Vaters) bereinigt um 350,00 € (> Erwerbstätigenbonus = 10 % vom Einkommen) = 3.150,00 € x 1/2 (Hälfte der Differenz zwischen den Elterneinkommen) = 1.575,00 €. Fazit: Der Bedarf der Mutter an Betreuungsunterhalt in Höhe von 2.200 € (nach eigener Lebensstellung) wird auf den (fiktiv ermittelten ehelichen) Bedarf nach Halbteilungsgrundsatz auf maximal 1.575,00 € begrenzt.
Das Einkommen der Mutter vor der Geburt markiert nur im ersten Schritt den maximal möglichen Bedarf (gem. > 2. Bedarfsmaßstab). Der eigener angemessener Unterhaltsbedarf des Vaters soll nicht geringerer sein, als das eigene Einkommen der Mutter zuzüglich des geschuldeten Unterhalts.
Beispiel:
Weiterführende Rechtsprechung & Literatur:
» Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 10. Auflage, § 7, Rn 116 ff;
» BGH, Urteil vom 15.12.2004 - XII ZR 121/03, Rn. 13 ff.; bestätigt durch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 13.02.2018, 1 BvR 2795/16)
Um eine Kontrollberechnung zum Unterhaltsbedarf nach Halbteilungsgrundsatz zu ermöglichen, obliegt es der Unterhaltsberechtigten, zum Einkommen des pflichtigen Kindsvaters vorzutragen (vgl. OLG München, Beschluss v. 18.07.2018 – 12 UF 202/18, Rn. 57; OLG Bamberg, Endurteil vom 27.11.2014, FamRZ 2015, 882 sowie bestätigend BGH, Urteil vom 16.03.2016, NJW 2016, 1961, Rn. 20). Die Kenntnis vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist als für die Unterhaltsermittlung > erforderlich. Ist dieses Einkommen nicht bekannt, so muss vorab ein gerichtliches > Auskunftsverfahren zur Durchsetzung des > Auskunftsanspruchs nach § 1605 BGB angestrebt werden.
Weiterführende Links:
» Auskunftspflicht zum Einkommen
» AG München - 529 F 12210/20, Auskunftsantrag zum Einkommen des Unterhaltspflichtigen, unser Az.: 72/20 (D3/836-20)
Der Antragsgegner, der dahin argumentiert, der Betreuungsunterhalt gemäß § 1615 l BGB knüpfe an den Verwandtenunterhalt an, so dass der Bedarf darzulegen sei, und insbesondere bei guten wirtschaftlichen Verhältnisse der Anspruch von einer konkreten Bedarfsermittlung abhänge, verkennt diese unterschiedliche Ausgangslage, die im Übrigen auch dazu führt, dass die Mutter des nichtehelichen Kindes keinen Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt hat (Bömelburg, a.a.O., Rn 111). Soweit der Antragsgegner im nachgelassenen Schriftsatz auf die Bundestagsdrucksache V/2370 vom 07.12.1967 verweist, ergibt sich aus dieser nicht die von ihm gezogene Schlussfolgerung. Vielmehr weist die Gesetzesbegründung dort für den Bedarf der Kindesmutter auf die ohne Geburt und Betreuung ausgeübte Erwerbstätigkeit und den „infolgedessen“ eingetretenen „Einkommensverlust“ hin (BT-Drucks V/2370, Seite 57). Dies bestätigt den Willen des Gesetzgebers, für den Unterhaltsbedarf nach § 1615 l BGB an die Lebensstellung der Kindesmutter, und damit das vor der Geburt erzielte Einkommen (ggf. mit Prognose für die Zukunft) anzuknüpfen.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Aufsatz Viefhues (Der Unterhaltsanspruch der unverheirateten Mutter nach § 1615 l BGB - Teil 2, FuR 2016, 27 ff.). Vielmehr knüpft auch dieser Autor im Teil 1 seines Aufsatzes (FuR 2015, 686, 690) zur Ermittlung des Unterhaltsbedarf daran an, welche Einkünfte der Unterhaltsberechtigte ohne die Geburt und Betreuung des gemeinsamen Kindes gehabt hätte, was sich mit der hier vertretenen Ansicht fügt.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.12.1997 – XII ZR 38/96 (FamRZ 1998, 426) wiederum beschäftigt sich mit der Frage, ob bei einem nachehelich geborenen Kind ein Unterhaltsanspruch nach §§ 1570, 1576 BGB oder nach § 1615 l BGB begründet ist; die Entscheidung verhält sich jedoch nicht dazu, dass der Unterhaltsbedarf im Rahmen des § 1615 l BGB nicht an die Lebensstellung der Mutter anknüpft.
Soweit vereinzelt auf den konkreten Lebenszuschnitt abgestellt wird (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O., juris Rn. 29), verkennt diese Ansicht die vorgenannten unterschiedlichen Ausgangslagen. Denn nur für den Fall, dass die Mutter des nichtehelichen Kindes ihren Unterhaltsbedarf aus ei
Auf der > dritten Prüfungsebene zum Unterhaltsanspruch wird nun danach gefragt, in welchem Umfang der kinderbetreuende Elternteil seinen Geldbedarf mit eigenen wirtschaftlichen Mitteln decken kann bzw. decken muss. Nur soweit sich danach eine offene Bedarfslücke zeigt, ist diese über den Betreuungsunterhalt nach § > 1615 l BGB vom anderen Elternteil zu schließen. Liegt ein Verstoß gegen die > Erwerbsobliegenheit vor, wird das > erzielbare fiktive Einkommen auf den Bedarf angerechnet.
Situation: Die Mutter führt Ihre vor Geburt des Kindes ausgeübte freiberufliche Tätigkeit auch nach Geburt des Kindes fort. Frage ist hier, inwieweit das nach Geburt des Kindes erzielte Einkommen auf den Bedarf nach Halbteilungsgrundsatz als überobligatorisches Einkommen anrechnungsfrei bleibt.
Grundsätze: Überobligatorisch ist Einkommen dann, wenn es aus einer unzumutbaren Erwerbstätigkeit stammt (> Mehr). Der Zumutbarkeitsmaßstab gem. § 1615l Abs.2 BGB für die Obliegenheit zur Erwerbstätigkeit trotz Betreuung eines kleinen Kindes ist wegen des insoweit mit § 1570 BGB übereinstimmenden Wortlauts der gleiche, wie beim Kinder betreuenden Ehegatten nach Scheidung (OLG Hamburg, Beschluss vom 28.07.2004 - 2 UF 73/03). Zur Anrechenbarkeit des eigenen Einkommens der Mutter nach § > 1577 Abs.2 BGB gelten entsprechend, wenn die Mutter die vor der Geburt des Kindes ausgeübte Erwerbstätigkeit fortführt (BGH, Urteil vom 15.12.2004 - XII ZR 121/03); vgl. Wendl/Dose Unterhaltsrecht, 10. Auflage, > § 7, Rn 131 ff).
(Leitsatz) "Elterngeld wird grundsätzlich einkommensabhängig gezahlt, so dass es > Lohnersatzfunktion hat und deswegen als Einkommen des bezugsberechtigten Elternteils zu berücksichtigen ist. Lediglich in Höhe von 300 € monatlich [Sockelbetrag] bleibt es nach § 11 Satz 1 BEEG unberücksichtigt."
(Zitat) "Das Erziehungsgeld hat keine Lohnersatzfunktion, sondern wird auch an Eltern gezahlt, die zuvor nicht erwerbstätig waren. (...) Nach übereinstimmender Auffassung ist das Erziehungsgeld deswegen im Regelfall nicht als anrechenbares Einkommen bei der Bemessung von Unterhaltsansprüchen zu berücksichtigen (BVerfG FamRZ 2000, 1149). (...) Dies gilt nach § 9 Satz 2 BErzGG allerdings nicht in den Fällen des § 1361 Abs. 3 der §§ 1579 (grobe Unbilligkeit beim Ehegattenunterhalt), 1603 Abs. 2 (gesteigerte Erwerbsobliegenheit) und des § 1611 Abs. 1 BGB (grobe Unbilligkeit beim Verwandtenunterhalt).
Anmerkung: Die Rechtsprechung zum Erziehungsgeld betrifft Altfälle. Das Erziehungsgeld wurde durch das > Elterngeld abgelöst.Leitsätze:
Einnahmen aus Vermögen, die schon vor der Geburt erzielt worden sind, haben auf die Höhe des Betreuungsunterhalts keinen Einfluss.
Wer Anspruch auf Betreuungsunterhalt hat, muss den eigenen Vermögensstamm nur angreifen, soweit dies nicht unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen unbillig wäre.
Anmerkung: Mit Verweis des § > 1615l Abs.3 S.1 BGB auf § 1602 Abs.1 BGB zeigt sich, dass > unterhaltsrelevantes Vermögen des unterhaltsbedürftigen Elternteils auf den Unterhaltsbedarf zur Anrechnung kommt. Aus dem Verweis folgt grundsätzlich eine Gleichstellung mit den Grundsätzen des Vermögenseinsatzes > unterhaltsbedürftiger volljähriger Kinder: Diese haben grundsätzlich - bis auf einen Notgroschen - ein > minimales Schonvermögen und müssen einen vorhandenen Vermögensstamm für ihren Unterhaltsbedarf verwerten, bevor sie ihre Eltern auf Unterhaltszahlungen in Anspruch nehmen können (> Mehr). Doch wird an anderer Stelle immer wieder die Gleichbehandlung des Betreuungsunterhalts nach § 1615l BGB mit dem Betreuungsunterhalt für verheiratete Eltern nach § 1570 BGB betont (> hier). Dem > unterhaltsbedürftigen Ehegatten wird wegen § > 1577 Abs.3 BGB jedoch generell ein weitaus umfangreicheres > Schonvermögen zugestanden als einem volljährigen Kind. Somit existiert in der Praxis beim Thema Vermögenseinsatz zur Unterhaltsbedarfsdeckung häufig Streit. Je nachdem, ob die Nähe vom Verwandtenunterhalt oder die Nähe zum Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB betont wird, wird die > Obliegenheit zur Vermögensverwertung bejaht oder verneint. Eine eindeutige Rechtsprechung existiert dazu nicht. Auch der Wortlaut des § 1570 Abs.3 BGB eröffnet mit dem Abstellen auf die "Billigkeit" einen großen Ermessensspielraum für die Familiengerichte bei der Einzelfallbewertung (mehr dazu bei Wever, in: Schnitzler, Mü Anwaltsandb. FamR, 4. Aufl. 2014, > § 10 Rn 72ff). Wegen der höchstrichterlich gewünschten Angleichung der Unterhaltsansprüche aus § 1615l II 2 BGB (nicht verheiratete Eltern) und § 1570 BGB (verheiratete Eltern) besteht auch in der Literatur Einigkeit darüber, dass die grundsätzliche Verpflichtung zur Verwertung des Vermögensstamms durch eine umfassende Zumutbarkeits- und Billigkeitsprüfung einzuschränken ist (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 10. Aufl. 2019, § 7, > Rn 138 ff). Kriterien für eine solche Prüfung sind:
(Zitat) "Darüber hinaus wäre es dem Antragsgegner auch zumutbar, den Stamm seines Vermögens einzusetzen, um vorübergehend den geschuldeten Unterhalt aufzubringen. Selbst wenn man die Maßstäbe für den > Einsatz des Vermögensstamms nicht den nach § 1615 l Abs. 3 S. 1 BGB anwendbaren Vorschriften über den Verwandtenunterhalt entnimmt, sondern die Regelung des § 1581 S. 2 BGB für die Leistungsfähigkeit beim nachehelichen Unterhalt analog heranzieht, würde sich nichts anderes ergeben. Für eine solche analoge Heranziehung dürfte sprechen, dass im Rahmen einer umfassenden Zumutbarkeitsabwägung auf der Grundlage des § 1603 Abs. 1 BGB der weitgehenden Angleichung des Anspruchs an den nachehelichen Betreuungsunterhalt Rechnung zu tragen ist (Wendl/Staudigl-Dose, § 1 Rn. 422). [...] Die Kriterien des § 1581 S. 2 BGB rechtfertigen vorliegend den Einsatz des Vermögensstamms zumindest zur Überbrückung einer gewissen Zeit der Arbeitslosigkeit."
Leitsatz: Ebenso wie beim Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB ist auch ein Antrag auf künftigen Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB nur dann abzuweisen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung für die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres absehbar keine kind- und elternbezogenen > Verlängerungsgründe mehr vorliegen (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770).
Anmerkung: Der betreuende Elternteil kann bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes frei entscheiden, ob er die Betreuung persönlich übernimmt. Selbst wenn er schon in dieser Zeit eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hatte, kann er sie jederzeit als überobligatorisch wieder aufgeben. Nutzt der Elternteil in dieser Zeit allerdings eine Betreuungsmöglichkeit in einer öffentlichen Einrichtung, ist ihm eine anteilige Erwerbstätigkeit zumutbar; ein erzieltes oder erzielbares Einkommen ist dann als > überobligatorisches Einkommen anteilig zu berücksichtigen. Für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des 3. Lebensjahres hinaus hat der betreuende Elternteil stets individuelle Umstände vorzutragen (BGH Urteile vom 13. Januar 2010 – XII ZR 123/08). Denn ein pauschales Altersphasenmodell, das für die Dauer des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus allein oder überwiegend auf das Alter des Kindes abstellt und die Umstände des Einzelfalles nicht berücksichtigt, wird der gesetzlichen Regelung nicht gerecht. > Kindbezogene Verlängerungsgründe liegen vor, wenn keine vollzeitige Betreuung in einer öffentlichen Einrichtung möglich oder dies im Einzelfall nicht mit dem Kindeswohl vereinbar ist. Eine Fortdauer des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus kann auch aus elternbezogenen Gründen gerechtfertigt sein. Dabei ist auch die Anzahl der zu betreuenden Kinder und der Umstand zu berücksichtigen, dass > kein abrupter Wechsel von einer Vollzeitbetreuung zur Vollzeiterwerbstätigkeit erfolgen muss. Unabhängig davon ist der betreuende Elternteil nicht stets in dem Umfang erwerbspflichtig, in dem die Betreuung des Kindes in > öffentlichen Einrichtungen sichergestellt ist, weil dies zu einer überobligatorischen Gesamtbelastung führen würde. Steht für ein dreijähriges Kind lediglich ein Halbtagsplatz im Kindergarten zur Verfügung, bleibt dem betreuenden Elternteil regelmäßig lediglich die Möglichkeit zur Übernahme einer geringfügigen Erwerbstätigkeit. Neben der Betreuung des Kindes in einem Vollzeitkindergarten ist der Elternteil nicht sogleich zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit, sondern - je nach Umständen des Einzelfalles – regelmäßig zu einer Erwerbstätigkeit zwischen 20 und 30 Wochenstunden verpflichtet. Allerdings hängt der Umfang der Erwerbspflicht auch von besonderen kind- und elternbezogenen Gründen und vom Entwicklungsstand des Kindes ab. Erst wenn das Kind einen Entwicklungsstand erreicht hat, in dem es sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zeitweise sich selbst überlassen bleiben kann, kommt es aus kindbezogenen Gründen nicht mehr auf eine vorrangig zu prüfende > Betreuungsmöglichkeit in einer kindgerechten Einrichtung an (BGH, Urteile vom 30. März 2011 - XII ZR 3/09; vom 15. September 2010 - XII ZR 20/09 Rn. 22 und vom 6. Mai 2009 - XII ZR 114/08 Rn. 33).
Keine grundsätzliche Befristung auf drei Jahre:
Der Betreuungsunterhalt ist nach der zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung der §§ 1570, 1615 l Abs. 2 BGB immer dann unbefristet zuzusprechen, wenn ein teilweiser oder vollständiger Wegfall des Anspruchs noch nicht sicher prognostiziert werden kann (BGH, Urteil vom 18. März 2009 – XII ZR 74/08). Nach der neuesten Rechtsprechung des BGH spricht viel dafür (wird vermutet), dass der einheitliche Unterhaltsanspruch dem Grunde nach in einer nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessenden Höhe über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus fortbesteht.
Abänderungsklage durch Unterhaltspflichtigen:
Ändern sich die für die Höhe ausschlaggebenden Umstände, muss der unterhaltspflichtige Elternteil, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht auf einen früheren Titel verzichtet, > Abänderungsklage erheben. Der Unterhaltsschuldner kann dann vortragen, dass eine Fortdauer des Betreuungsunterhalts nicht mehr der Billigkeit entspreche. Weil die ursprüngliche Entscheidung zum Betreuungsunterhalt oft noch keine Prognose für Grund und Umfang einer weiteren Betreuungsbedürftigkeit enthält, obliegt die Darlegungs- und Beweislast für kind- und elternbezogene Gründe dann auch im Abänderungsverfahren dem betreuenden Elternteil. Nur wenn in dem abzuändernden Urteil schon konkrete Umstände für eine Fortdauer des Betreuungsunterhalts festgestellt waren, obliegt es dem Abänderungskläger, darzulegen und zu beweisen, dass diese Gründe nunmehr entfallen sind.
§ 1615l Abs.3 BGB verweist auf die Vorschriften zum Verwandtenunterhalt und u.a. auf § > 1611 Abs.1 BGB). Gemäß § 1611 Abs. 1 S. 1 BGB braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht, wenn der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden ist, er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat. Die Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt entfällt gemäß § 1611 Abs. 1 S. 2 BGB in Gänze, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre. § 1611 BGB ist eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift (BGH, Urteil vom 15. September 2010 - XII ZR 148/09, juris Rn. 37 = NJW 2010, 3714). Die Darlegungs- und Beweislast trifft den Unterhaltsschuldner, der sich auf die Verwirkung des Unterhalts durch den Unterhaltsgläubiger beruft (OLG Celle, Beschluss vom 19. August 2014 - 10 UF 186/14, juris Rn. 18 = FamRZ 2015, 71; Klinkhammer, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Auflage 2015, § 2 Rn. 608).
Eine neue Lebenspartnerschaft des kinderbetreuenden Elternteils ist kein Erlöschensgrund, wie etwa beim Ehegattenunterhalt (§ > 1579 Ziff.2 BGB). Ein Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter gegenüber dem Kindesvater ist nicht zwangsläufig verwirkt nach § 1611 Abs.1 BGB, wenn die Mutter mit einem neuen Lebenspartner in fester Beziehung lebt (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 03.05.2019 – 2 UF 273/17). Ansprüche nach § 1615l BGB beruhen ausdrücklich nicht auf einer (nach-) ehelichen Solidarität zwischen den beteiligten Elternteilen, sondern alleine auf dem Umstand, dass der Unterhalt des ein gemeinsames Kind betreuenden Elternteils gesichert sein soll. Im Eingehen einer neuen Partnerschaft liegt daher gerade keine Abkehr von der nur in der Ehe geschuldeten und durch § 1579 BGB sanktionierten Solidarität (OLG Frankfurt a.M, Beschluss vom 02.11.2016 - 6 UF 73/16). Nur im Fall einer Eheschließung wird § > 1586 BGB analog angewendet.
(Zitat, Rn 70) "Vorliegend kann eine Verwirkung nicht darin gesehen werden, dass die Antragstellerin zu 2) überhaupt schwanger und damit unterhaltsbedürftig geworden ist, § 1611 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Zum einen erscheint es bereits fragwürdig, das Zulassen einer Schwangerschaft als sittliches Verschulden anzusehen, selbst wenn der Eintritt der Schwangerschaft als solcher - was zwischen den Beteiligten allerdings bis zuletzt streitig geblieben ist - nur dem Wunsch eines der Elternteile entspricht. Zum anderen beruht die Schwangerschaft auf dem Verhalten beider Beteiligten, denen als Erwachsenen beiden bewusst ist, dass bei ungeschütztem Verkehr eine Schwangerschaft eintreten kann."
Will man in einem > Umgangsboykott eine "schwere Verfehlung" nach § > 1611 S. 1 BGB bejahen, ist dies nur unter engen, der vergleichbaren Regelung in § > 1579 Nr. 7 BGB entsprechenden Voraussetzungen möglich. Erforderlich wäre, dass der Unterhaltsberechtigte den Umgang des pflichtigen Elternteils mit einem gemeinschaftlichen Kind fortgesetzt und massiv vereitelt. Es muss sich um ein schwerwiegendes, eindeutig beim Berechtigten liegendes Fehlverhalten handeln (vgl. zum nachehelichen Unterhalt: BGH, Urteil vom 14.03.2007 - XII 158/04; OLG Nürnberg, Beschluss vom 08.04.1994 - 11 UF 2641/93) Soweit der Umgang nur zögerlich und nur im begleiteten Rahmen zugelassen wird, muss dargelegt werden, dass hierfür keine unterhaltsrechtlich zu akzeptierende Gründe bestehen. Die Umgangsvereitelung muss sich als schwerwiegende Verfehlung darstellen.
In § > 1615l Absatz 3 S. 1 BGB wird angeordnet, dass auf den Betreuungsunterhalt die Vorschriften über den Verwandtenunterhalt entsprechend anzuwenden sind. § 1615I Abs. 3 S. 1 enthält insoweit eine Rechtsgrundverweisung (BGH, Beschluss vom 2.10.2013 - XII ZB 249/12) u.a. auf § 1614 Absatz 1 BGB. Danach kann auf Betreuungsunterhalt für die Zukunft nicht verzichtet werden (OLG Celle, Beschluss vom 20.12.2013 - 12 UF 157/13).
Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt erlischt nicht mit dem Tod des unterhaltspflichtigen Vaters, der nach der Geburt des betreuungsbedürftigen Kindes verstirbt. Der BGH hatte sich damit auseinanderzusetzen, wie der Betreuungsunterhaltsbedarf und der Anspruch gegenüber den Erben zu ermitteln ist.
Leitsatz: Für den Bedarf und die Bedürftigkeit des nach §1615l Abs.2 Satz2 BGB Unterhaltsberechtigten ist auch bei Anwendung des > Halbteilungsgrundsatzes grundsätzlich allein auf das Erwerbseinkommen abzustellen, das der betreuende Elternteil infolge der Betreuung nicht mehr (in voller Höhe) erzielen kann (im Anschluss an Senatsurteil vom 15.Dezember 2004 -XII ZR 121/03 - FamRZ 2005, 442)
Anmerkung: Hier entscheidet der BGH, im Fall des > Todes des Unterhaltspflichtigen auch die den Erblasser (zu Lebzeiten) treffende Pflicht zur Zahlung von Ehegattenunterhalt im Rahmen der Halbteilung bereits auf der Bedarfsebene zu beachten ist. Dies war bisher eine ungeklärte Rechtsfrage. Es ist folgerichtig, auch die den Erblasser (zu Lebzeiten) treffende Pflicht zur Zahlung von Ehegattenunterhalt im Rahmen der Halbteilung bereits auf der Bedarfsebene zu beachten (OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.Oktober 2014 -15 UF 109/12 - juris Rn.45; Wendl/Bömelburg, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9.Aufl., § 7 Rn.120; NK-BGB/Schilling, 3.Aufl., §1615l Rn.41).
Für den kinderbetreuenden Elternteil (meist die Mutter) stellt sich die Frage, wer dafür aufzukommen hat, dass der eigene Unterhaltsbedarf wegen erwerbsmindernder Kinderbetreuung nicht mit eigenem Einkommen gedeckt werden kann. Neben dem nach § 1615l Abs.2 BGB unterhaltspflichtigen Kindesvater stehen als weitere (mögliche) Unterhaltspflichtige zur "Auswahl"
(Zitat, Tz 45): "Steht einem geschiedenen Ehegatten wegen der Betreuung eines ehelichen Kindes ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB ) zu und geht im Anschluss daran aus einer nichtehelichen Beziehung ein weiteres Kind hervor, haftet der andere Elternteil des später nichtehelich geborenen Kindes (§ 1615l II BGB ) nach ständiger Rechtsprechung des Senats anteilig neben dem geschiedenen Ehegatten."
ANTRAGSSCHRIFT
zum Betreuungsunterhalt
wegen Kindern über drei Jahre
BGH, Urteil vom 01.06.2011 - XII ZR 45/09
Darlegungs- Beweislast des kinderbetreuenden Elternteils
(Zitat, Rn 17): "Kind- oder elternbezogene Umstände, die aus Gründen der Billigkeit zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahrs hinaus führen könnten, sind deswegen vom Unterhaltsberechtigten darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen".
Es gibt eine Vielzahl staatlicher Hilfen für Alleinerziehende. Eine davon ist die Möglichkeit, nicht nur für den Kindesunterhalt, sondern auch für den Betreuungsunterhalt einen kostenlosen Unterhaltstitel über das Jugendamt (§ > 59 Abs.1 Ziff.4 SGB VIII) erstellen zu lassen.
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