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Unterhalt kann bezahlen (= Leistungsfähigkeit), wer Einkommen und/oder Vermögen über dem zu belassenden > Selbstbehalt besitzt.
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(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, > alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen unverheirateten Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der > allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein > anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem > Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.
Weiterführende Links:
» Wegweiser zur gesteigerten Leistungsfähigkeit > hier
BGH, Urteil vom 17.08.2008 - XII ZR 63/07
Ehegatten-Selbstbehalt des bedürftigen Ehegatten
(Zitat) "Für den Trennungsunterhalt fehlt zwar eine dem § > 1581 BGB entsprechende Regelung, die den Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Ehegatten sicherstellt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es jedoch, diese Vorschrift entsprechend anzuwenden, da sich auch der Anspruch auf Trennungsunterhalt wie jeder Unterhaltsanspruch an der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen auszurichten hat (Senatsurteil BGHZ 166, 351, 358 = FamRZ 2006, 683, 684 m.w.N.)."
Grundsätze des Unterhaltsrechts:
Stets muss zunächst die > Prüfungsebene "Bedarf" zu einem möglichen Unterhaltsanspruch führen. Erst, wenn ein Bedarf an Unterhalt festgestellt wird und die Bedürftigkeit bejaht ist, wird anschließend die Leistungsfähigkeit geprüft (> Prüfungsreihenfolge). Diese Reihenfolge ist sehr wichtig, wenn Einkommensschwankungen bei der Unterhaltsermittlung zu berücksichtigen sind. Wir können aus unserer Praxis berichten, dass in diesem Bereich von Anwälten und selbst von Familiengerichten häufig Fehler gemacht werden.
Bedarfsebene und Einkommensschwankungen:
Kurzfristige und vorübergehende Einkommensschwankungen werden bei der Feststellung des Bedarfs nicht berücksichtigt. Bemessungsgrundlage auf der Bedarfsebene ist das in der Vergangenheit nachhaltig erzielte Einkommen, das zur Grundlage der Einkommensprognose für künftige Unterhaltsansprüche wird (> Mehr). Der Bedarfsmaßstab basiert nicht auf einer Aktualitäts-Betrachtung, sondern auf einer langfristig angelegten, sicher überschaubaren Zukunftsprognose, die kurzfristige und unvorhersehbare Einkommensschwankungen ausblendet (> Mehr). Die Prüfungsebene "Bedarf" ist also resistent gegen kurzfristige und außergewöhnliche Einkommensschwankungen. Nur wenn es zu einem sog. nachaltigen Einkommensrückgang oder Einkommenssteigerung kommt, kann diese den ursprünglichen Bedarfsmaßstab beeinflussen (Beispiel: > vorübergehende Arbeitslosigkeit und dauerhafte Einkommenseinbuße).
Leistungsfähigkeitsebene und Einkommensschwankungen:
Anders als der Bedarfsmaßstab kann sich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen von Monat zu Monat ändern. Bei Feststellung der Leistungsfähigkeit werden aktuelle, auch kurzfristige > Einkommensänderungen) berücksichtigt. Die ursprünglich angenommene Leistungsfähigkeit kann sich also spontan ändern, ohne dass sich der langfristig angelegte Bedarfsmaßstab ändert. Genau deshalb ist strikt zwischen der Prüfungsebene "Bedarf" und Prüfungsebene "Leistungsfähigkeit" zu unterscheiden. Aus diesem Grund unterliegt die Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens auf der Bedarfsebene anderen Regeln als auf der Ebene der Leistungsfähigkeit. Auf der Ebene der Leistungsfähigkeit gilt die Pflicht des Unterhaltspflichtigen, sich so weit wie möglich leistungsfähig zu halten. Hier kommt es zur Zurechnung möglicher > fiktiver Einkünfte und zur > Obliegenheit vorhandenes Vermögen einzusetzen (vgl. z.B. > OLG Hamm, Beschluss vom 03.11.2010 - 8 UF 138/10).
Weiterführende Links:
» Einkommensermittlung und Prüfungsebene
» Unterhalt abändern wegen Einkommensrückgang
Kann der Unterhaltsschuldner unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen nur für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen, sprich: nur seinen Eigenbedarf decken, besteht mangels > Leistungsfähigkeit keine Unterhaltsverpflichtung (> Formel zur Leistungsfähigkeit). Die Deckung des (angemessenen) Eigenbedarfs hat Vorrang vor Unterhaltsverpflichtungen. In diesem Fall ist der Unterhaltspflichtige nicht leistungsfähig. Die > gesetzlichen Vorschriften zur Leistungsfähigkeit erklären nicht, wie hoch der angemessene Eigenbedarf im Einzelfall ist. Ist diese "Größe" aber nicht bekannt, erlaubt sich keine Aussage, wann die Grenze zur Leistungsunfähigkeit erreicht ist. Zur Fixierung des Eigenbedarfs des unterhaltsschuldners behilft sich Praxis mit Leitlinien, in denen > Selbstbehaltsätze aufgestellt werden, die entsprechend den Umständen des individuellen Einzelfalls > korrigiert werden können.
Eine pauschale Grenze der Leistungsfähigkeit gibt es nicht. Die Grenzen, bis zu welchem Betrag das Einkommen des Unterhaltsschuldners nicht für Unterhaltsleistungen zur Verfügung steht, sind je nach Unterhaltspflicht unterschiedlich hoch. Will heißen: jede Art eines Unterhaltsanspruchs ist mit einer spezifischen Leistungsfähigkeit verknüpft. Weil die > gesetzlichen Vorschriften zur Leistungsfähigkeit zu den jeweiligen Unterhaltsarten unterschiedliche Anforderungen an die Leistungsbereitschaft des Unterhaltspflichtigen stellen, gelten je nach Unterhaltsart spezifische > Selbstbehaltssätze. Gegenüber Ansprüchen von minderjähren und gilt generell eine besonders > gesteigerte Leistungsfähigkeit. Zur Intensität der Leistungsfähigkeit nach Maßgabe der Unterhaltsart. Bei der > Bemessung des Selbstbehalts, die nach ständiger Rechtsprechung des BGH grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters ist, sind zusätzlich die gesetzlichen Vorgaben zu beachten, die sich insbesondere aus dem Wesen der Unterhaltspflicht ergeben (vgl. BGH FamRZ 2009, 307 Rn.23 mwN = NJW-RR 2009, 289).
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Weiterführende Links:
» Kindesunterhalt & Leistungsfähigkeit
» Nachehelicher Unterhalt & Leistungsfähigkeit
» Trennungsunterhalt & Leistungsfähigkeit
» Konkurrierende Unterhaltspflichten & Leistungsfähigkeit
Leistungsfähig ist, wer > Einkommen und > Vermögen über dem zu belassenden > Selbstbehalt besitzt.
Wer Einkommen über seinem individuell zu bemessenden > Selbstbehalt bezieht, ist leistungsfähig. Anders als bei der > Einkommensermittlung auf der Ebene der > Bedarfsermittlung (= zweite Prüfungsebene) kommt auf der Ebene der > Leistungsfähigkeit (= vierte Prüfungsebene) verstärkt die Hinzurechnung von> fiktivem Einkommen vor (> Mehr). Dahinter steckt die Idee, dass der Unterhaltspflichtige zur Abwehr von Unterhaltspflichten nicht lediglich auf sein (niedriges) > Realeinkommen verweisen kann. Kann er mehr Einkommen erzielen, als dies tatsächlich geschieht, dann tritt wegen Verstosses gegen die > Erwerbsobliegenheit an die Stelle des Realeinkommens das > fiktive (= erzielbare) Einkommen.
Weiterführende Links:
» Unterhaltsrelevantes Einkommen ermitteln - Leitfaden
weiterführende Links:
» Wann gilt der notwendige Selbstbehalt?
Monatlicher (Mindest-)Eigenbedarf (Selbstbehalt) des Unterhaltsschuldners gegenüber dem getrennt lebenden und dem geschiedenen Berechtigten
Der > Ehegattenunterhalt wird vom > Halbteilungsgrundsatz beherrscht: Jedem Ehegatten hat vom > bedarfsprägenden Gesamteinkommen der Ehegatten jeweils die > Hälfte zu verbleiben. Damit trifft der Halbteilungsgrundsatz auch eine wichtige Aussage zum Eigenbedarf des Ehegatten. Bevor also die (Mindest-)Leistungsgrenze nach dem Selbstbehaltssatz für Ehegatten erreicht wird, wird sehr häufig bereits die Grenze zur Leistungsunfähigkeit durch den Halbteilungsgrundsatz markiert sein.
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BGH, Urteil vom 17.08.2008 - XII ZR 63/07
Ehegattenselbstbehalt im Rahmen des Trennungsunterhalts
BGH, Beschluss vom 16.10.2019 - XII 341/17
Zur Bemessung des eheangemessenen Selbstbehalts
Der angemessene (der dem Unterhaltspflichtigen zu belassende) Eigenbedarf zur Deckung seiner Grundbedürfnisse im Wesentlichen umfasst folgende Bedarfspositionen:
In der > DT (Anm. A 5) - wie auch in den > unterhaltsrechtlichen Leitlinien - sind etwa im notwendigen Eigenbedarf (> Selbstbehalt) Kosten für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Kosten für Heizung (Warmmiete) enthalten. Der Selbstbehalt soll erhöht werden, wenn die Wohnkosten (Warmmiete) den ausgewiesenen Betrag übersteigen und nicht unangemessen sind. Dies ist auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung verankert. Danach kann im Einzelfall eine Erhöhung des Selbstbehalts infrage kommen, wenn der darin enthaltene Wohnkostenanteil - nach den Umständen nicht vermeidbar - überschritten wird (BGH, Beschluss vom 9.3.2016 - XII ZB 693/14, m. Anm. Seiler = FF 2016, 254 m. Anm. Engels).
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.02.2021 - 6 UF 160/20
Erhöhter Mietaufwand des Unterhaltspflichtigen
Leitsatz:
Erhöhter Mietaufwand des Unterhaltsverpflichteten (hier: in Frankfurt) rechtfertigt keine Kürzung des unterhaltsrechtlichen Einkommens. Der Wohnkostenanteil, der in die Selbstbehaltssätze der Düsseldorfer Tabelle eingearbeitet ist, ist lediglich im > Mangelfall von Bedeutung; ansonsten ist der Mietaufwand allgemeiner Lebensbedarf, den der Unterhaltspflichtige aus den ihm nach Unterhaltszahlung verbleibenden Einkünften zu bestreiten hat.
Weiterführende Literatur:
» Gerhardt, > eigene Mietkosten, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 9. Aufl 2015, § 1, Rn 468 ff
» PATCHWORK
(neuer) Lebenspartner deckt den Eigenbedarf?
» SYNERGIEEFFEKTE
Spareffekte, welche den Selbstbehalt mindern.
Kann der Unterhaltsschuldner unter Berücksichtigung seines > Selbstbehalts nicht alle Unterhaltsansprüche mehrerer Unterhaltsgläubiger vollständig erfüllen (= Mangelfall), so zeigt sich ein rechtlich zu lösender Verteilungskampf: Wer bekommt ein Stück vom Kuchen? Die Situation fehlender Leistungsfähigkeit für alle Unterhaltsverpflichtungen greift § > 1609 BGB auf und erklärt, dass es ein Rangverhältnis unter den Unterhaltsgläubigern gibt.
Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:
Befinden sich mehrer Unterhaltsverpflichtungen auf der gleichen Rangstufe i.S.d. § 1609 BGB und es droht eine Unterschreitung des spezifischen Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigenders, wenn er alle gleichrangigen Unterhaltsverpflichtungen voll bezahlt, dann ist zur Wahrung des Selbstbehalts eine > Mangelfallberechnung durchzuführen.
Nachrangig Unterhaltsberechtigte gehen leer aus, wenn nicht zumindest der notwendige Eigenbedarf (Existenzminimum) der vorrangig Unterhaltsberechtigten gedeckt werden kann. Erst wenn der > Unterhaltsbedarf der nach § 1609 Ziff.1 BGB vorrangigen Kinder gedeckt ist (Rangstufe 1), kann ein nachrangiger Unterhaltsberechtigter der Rangstufe 2 (§ 1609 Ziff. 2 BGB: Ehegatte, Mutter oder geschiedener Ehegatte) zum Zug kommen.
Kindesunterhalt:
Bei der > Bedarfsermittlung des Kindesunterhalts mithilfe der Düsseldorfer Tabelle werden (unabhängig vom Rang) alle vorhandenen Unterhaltsberechtigten berücksichtigt, indem > Korrekturen bei Anwendung der Einkommensgruppen stattfinden. So kann der volle Bedarf vorrangiger Unterhaltsberechtigter bis hin zum verbleibenden Mindestbedarf gekürzt werden (Gerhardt, FuR 2010, 241; Berechnungsbeispiel mit minderjährigen Kindern, Ehegattenunterhalt und nachrangigen Volljährigen, Gerhardt in: Hdb. des FamR, 9. Aufl., 6. Kap. Rn 754, Fall 8). Die Mangelfallberechnung mit vor- und nachrangigen Unterhaltsberechtigten ist hoch kompliziert und soll hier im Detail nicht dargestellt werden (Berechnungsbeispiel mit minderjährigen Kindern, Ehegattenunterhalt und nachrangigen Volljährigen, Gerhardt in: Hdb. des FamR, 9. Aufl., 6. Kap. Rn 754, Fall 8).
Ehegattenunterhalt:
Bei der Bedarfsermittlung zum > Ehegattenunterhalt werden sämtliche Kindesunterhaltsansprüche (ob vor- oder nachrangig) berücksichtigt
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OLG Hamm, Beschluss vom 21.11.2012 - II-8 UF 14/12
Darlegungslast für Leistungsunfähigkeit > Pressemitteilung
Anmerkung: Der Unterhaltsschuldner hat sämtliche unterhaltsrelevanten Umstände darzulegen, die seine > Leistungsfähigkeit bestimmen, wenn er sich gegen den Unterhaltsanspruch mit > Berufung auf Leistungsunfähigkeit wehren will.