Standort:
Startseite > Infothek > Leitfäden > Sorgerecht > Sorgerecht | Aufenthalt bestimmen > Kanzlei für Familienrecht

Aufenthaltsbestimmungsrecht
der Eltern

  • Was bedeutet
    Aufenthaltsbestimmungsrecht?

    Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist ein Teilbereich des Sorgerechts und hier Bestandteil des Personensorgerechts. Wer > sorgeberechtigt ist, hat das Recht und die Pflicht, das minderjährige Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen (> § 1631 Abs.1 BGB). Das Aufenthaltsbestimmungsrecht gibt das Recht, den Wohnort und die Wohnung des minderjährigen Kindes zu bestimmen. An dieses Recht sind wesentliche Rechtsfolgen geknüpft, wie Klagebefugnis der Eltern für das Kind und Herausgabe des Kindes (§ 1632 Abs.1 BGB).

  • Verfahren
    zum Aufenthaltsbestimmungsrecht

    Im Fall von Trennung und Scheidung ist beim > Elternkonflikt der Streit um das Aufenthaltsbestimmungsrecht fast schon vorprogrammiert. Wie entscheiden die Familiengerichte?
    > mehr


Auswandern
mit dem Kind

BGH, Beschluss vom 16. März 2011 - XII ZB 407/10
Freizügigkeit - Kindeswohl - Bindungstoleranz


Leitsatz: "Die Motive des Elternteils für seinen Auswanderungsentschluss stehen grundsätzlich genauso wenig zur Überprüfung des Familiengerichts wie sein Wunsch, in seine Heimat zurückzukehren. Verfolgt der Elternteil mit der Übersiedlung allerdings (auch) den Zweck, den Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu vereiteln, steht die > Bindungstoleranz des betreuenden Elternteils und somit seine > Erziehungseignung in Frage (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 23 f.)."

Anmerkung: Der BGH führt mit seiner Entscheidung die Grundsätze der sog. > "Mexiko-Entscheidung" fort. Die "Mexiko-Entscheidung" ist ein lehrbuchmäßiger Leitfaden für die rechtlichen Rahmenbedingungen zur legalen Auswanderung mit Kind gegen den Willen des anderen mitsorgeberechtigten Elternteils. Dafür ist ein Verfahren zur > Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts zu führen (zur illegalen Kindesentführung ins Ausland > hier). Die Motive des Elternteils für seinen Auswanderungsentschluss stehen grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Familiengerichts. Dazu BGH, Beschluss vom 28.04.2010 - XII ZB 81/09, Zitat, Rn 23 ff: "[...] Dementsprechend stehen dem Familiengericht auch keine Möglichkeiten zur Verfügung, die allgemeine Handlungsfreiheit des Elternteils einzuschränken, auch kann dem Elternteil seine Ausreise nicht in zulässiger Weise untersagt werden. Die Befugnisse des Familiengerichts beschränken sich vielmehr auf das Kind, und die Beurteilung hat sich darauf zu konzentrieren, wie sich die Auswanderung auf das > Kindeswohl auswirkt. Die Frage, ob der Elternteil triftige Gründe hat auszuwandern, findet demnach nur bei der Beurteilung des Kindeswohls Berücksichtigung. Verfolgt der Elternteil mit der Übersiedlung etwa (auch) den Zweck, den Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu vereiteln, steht die Bindungstoleranz des betreuenden Elternteils und somit seine Erziehungseignung in Frage (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2007, 759, 760;Staudinger/Coester BGB [2009] § 1671 Rdn. 211). Wenn mit der Auswanderung für das Kind schädliche Folgen verbunden sind, ist wiederum die Erziehungseignung des betreuenden Elternteils in Zweifel zu ziehen und kann sogar ein Entzug des Sorgerechts angebracht sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 – FamRZ 2005, 344 - Beschneidung - und vom 17. Oktober 2007 - XII ZB 42/07 - FamRZ 2008, 45 - Schulpflicht - sowie vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09 - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Bei einem ersichtlich unvernünftigen Vorhaben, das mit nicht vertretbaren Risiken für das Kind verbunden ist, ergeben sich schließlich jedenfalls für die Kontinuität und die Qualität der Bindung zum Obhutselternteil nachteilige Folgen, die gegen dessen Erziehungseignung sprechen und bei bestehender Erziehungseignung des anderen Elternteils regelmäßig den Ausschlag dafür geben werden, diesem das Sorgerecht zu übertragen. Einer Auswanderung mit dem Kind steht ferner nicht ohne weiteres die gesetzliche Regelung in § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB entgegen, dass zum Wohl des Kindes in der Regel der > Umgang mit beiden Elternteilen gehört. Auch wenn durch die Auswanderung der Umgang zwischen Kind und anderem Elternteil wesentlich erschwert wird, ergibt sich daraus allein weder eine generelle noch eine vermutete Kindeswohlschädlichkeit (Senatsbeschluss vom 6. Dezember 1989 - IVb ZB 66/88 - FamRZ 1990, 392, 393; a.A. OLG Oldenburg FamRZ 1980, 78; Staudinger/Rauscher [2006] § 1684 Rdn. 70; Schwab/Motzer Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. III Rdn. 244; Motzer FamRZ 2000, 925, 927). Denn bei § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB handelt es sich um die gesetzliche Klarstellung eines einzelnen - wenn auch gewichtigen - Kindeswohlaspekts. Dass dadurch die Bedeutung der Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen unterstrichen wird, verleiht diesem Gesichtspunkt aber noch keinen generellen Vorrang gegenüber anderen Kindeswohlkriterien. Ähnliches gilt für das > Wohlverhaltensgebot gemäß § 1684 Abs. 2 BGB. Auch im Hinblick auf § 1684 Abs. 2 BGB kommt der Aufrechterhaltung der Beziehungen zum Umgangselternteil nicht notwendig eine Sperrwirkung für solche Ortsveränderungen zu, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Umgangskontakte führen (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Dezember 1989 - IVb ZB 66/88 - FamRZ 1990, 392, 393; RGZ 141, 319, 322). Das Bedürfnis des Kindes nach einem intensiven Umgang mit beiden Elternteilen ist vielmehr als Element des Kindeswohls im Rahmen der Entscheidung nach § 1671 BGB oder - bei alleinigem Sorgerecht des auswanderungswilligen Elternteils - bei einer Abänderungsentscheidung nach § 1696 BGB zu berücksichtigen und in die vom Familiengericht zu treffende umfassende Abwägung einzubeziehen. Hierbei sind auch der Umfang der mit der Auswanderung verbundenen Beeinträchtigungen und die Folgen für das Kind und den Elternteil einzubeziehen (vgl. OLG München FamRZ 2009, 794 m. Anm. Dollinger). Welches Gewicht diesen Umständen für die Entscheidung letztlich zukommt, ist eine Frage des Einzelfalls."


Verfahren
zum Aufenthaltsbestimmungsrecht

Streit der Eltern
über den Aufenthalt der Kinder


KG, Beschluss vom 21.12.2022 - 3 UF 87/21
Anlass für Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts
Orientierungssatz: Die Voraussetzungen einer Übertragung des Aufenthaltsrechts nach § 1671 Abs.1 Nr.2 BGB auf einen Elternteil liegen nicht vor, wenn sich die Eltern über den Aufenthalt des Kindes einig sind, selbst wenn sie über die Anteile der wechselseitigen Betreuung streiten. 

Anmerkung: Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist ein Teil des > Sorgerechts und umfasst die Befugnis, den Wohnort und den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zu bestimmen. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht kann entweder gemeinsam von beiden Elternteilen oder allein von einem Elternteil ausgeübt werden. Die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil ist nach § 1671 Absatz 1 Nummer 2 BGB möglich, wenn dies zum > Wohl des Kindes erforderlich ist. 

Die > Abänderung eines bestehenden Sorgerechts oder Umgangsrechts ist nach § 1696 BGB möglich, wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, die eine andere Regelung zum Wohl des Kindes erfordert. 

In dem vom KG entschiedenen Fall hatte die Mutter zunächst das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht beantragt, um mit dem Kind von Berlin nach Österreich umzuziehen. Nachdem sie den Umzug bereits vollzogen hatte, hatte der Senat das > Aufenthaltsbestimmungsrecht vorläufig auf den Vater übertragen und die Herausgabe des Kindes angeordnet. Die Mutter war daraufhin mit dem Kind nach Berlin zurückgekehrt und hatte mit dem Vater einen > Umgangsvergleich geschlossen, der ein Wechselmodell vorsah. Die Mutter hatte jedoch weiterhin das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht innerhalb von Berlin beantragt, um den Lebensmittelpunkt des Kindes bei ihr zu haben.

Das KG hat den Antrag der Mutter zurückgewiesen und folgende Gründe angeführt:
  • Die Voraussetzungen einer Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts lagen nicht vor, da sich die Eltern über den Aufenthalt des Kindes in Berlin einig waren und nur über die Anteile der wechselseitigen Betreuung stritten.
  • Die Abänderung eines durch gebilligten Umgangsvergleich etablierten Wechselmodells konnte nicht durch Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts erreicht werden, da dies eine unzulässige Umgehung des § 1696 BGB darstellen würde (BGH, Beschluss vom 19.1.2022 – XII ZA 12/21).
  • Zum Meinungsstand: Durchsetzung des Wechselmodells im Umgangs- oder Sorgerechtsverfahren?

Kindeswohl


AG Lübben, Beschluss vom 12.09.2013 - 30 F 200/12
Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts


Anmerkung: Dieser Beschluss ist ein Beispiel, wie es aufgrund massiver Kommunikationsstörungen auf der Elternebene es zum teilweisen Entzug des Sorgerechts der Mutter kommen konnte. Finden mitsorgeberechtigte Eltern keine > Einigung, muss das Familiengericht über den Verbleib des Kindes eine Entscheidung treffen (> Sorgerechtsverfahren). Im Vordergrund jedes > Kindschaftsverfahrens steht das > Kindeswohl. Also wird das Gericht zu klären haben, welcher Aufenthalt dem Wohle der Kinder besser entspricht. Das Gericht ließ sich bei der Entscheidung von folgenden Grundsätzen leiten: (Zitat) "Bei der Frage, auf welchen Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zur übertragen ist, hat das Gericht an folgenden Gesichtspunkten zu orientieren:

1. dem Förderungsgrundsatz, nämlich die Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der Eltern zu Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung einschließlich der Bindungstoleranz, also der Bereitschaft, den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zuzulassen und zu fördern,

2. der Bindung des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister,

3. dem Willen des Kindes, soweit er mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist und

4. der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Streitigkeit und die Wahrung der Entwicklung des Kindes abstellt (vgl. Brandenburgisches OLG vom 19.06.2012 - 10 UF 42/12)."


Einstweilige Anordnung
zum Aufenthaltsbestimmungsrecht


Beispiel: Antrag
Eilantrag zum Aufenthaltsbestimmungsrecht


In Fällen von "nationaler" Kindesentführung (§ 1632 Abs.1 BGB) wird zur Rückführung des Kindes in der Praxis oft über einen Antrag auf Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts im Wege eines > Eilverfahrens (= einstweilige Anordnung: § 49 FamFG) gedacht. Diese Strategie ist hoch riskant, da einem solchen Antrag nur stattgegeben wird, wenn ein dringendes Regelungsbedürfnis besteht und ein Abwarten bis zur Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren im Interesse des Kindeswohls nicht vertretbar erscheint. Allein der Hinweis auf das Fehlverhalten des Antragsgegners (z.B. Aufenthaltsort des Kindes wird ohne Zustimmung des anderen Elternteils geändert) reicht für eine vorläufige Regelung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht aus (vgl. OLG Nürnberg vom > 22.05.2013). Wenn der Eilantrag auf § 1632 Abs.1 BGB gestützt wird (Herausgabeanspruch eines Elternteils gegen den anderen Elternteil: § 1632 Abs.1 BGB), ist auch hier die akute Kindeswohlgefährdung der Entscheidungsmaßstab.
> mehr


Weitere Beispiele
aus der Rechtsprechung


OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.05.2016 - 10 UF 7/16
Regelung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht bei beabsichtigtem Umzug eines Elternteils


Leitsätze:
1. Ein allgemeiner Vorrang des weniger oder überhaupt nicht berufstätigen Elternteils gegenüber dem anderen Elternteil besteht im Rahmen des Förderungsgrundsatzes nicht. 
2. Zur Bedeutung des Kontinuitätsgrundsatzes, wenn bei den übrigen Kindeswohlkriterien ein Gleichrang der Eltern anzunehmen ist.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. Mai 2013 - 7 UF 641/13
Fehlverhalten eines Elternteils bei Streit um das Aufenthaltsbestimmungsrecht

Leitsätze: Verbringt ein Elternteil ein Kind ohne Zustimmung des anderen Elternteils in ein anderes Bundesland, ist eine Entscheidung über den Antrag des zurückgelassenen Elternteils auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nicht an einer Sanktion des Fehlverhaltens des "entführenden'" Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren. Eine eigenmächtige Trennung des Kindes vom anderen Elternteil ist daher nicht als solche, sondern nur insoweit zu berücksichtigen, als sie negative Rückschlüsse auf die Erziehungsfähigkeit des betroffenen Elternteils zulässt oder der herbeigeführte Ortswechsel aktuell das Wohl des Kindes beeinträchtigt.

Anmerkung: Manchmal wird die Ansicht vertreten, dass ein Fehlverhalten eines Elternteils für die Klärung des Aufenthalts des Kindes entscheidend ist. Das ist nicht der Fall. Entscheidend für das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist, welcher Elternteil besser geeignet ist, die Betreuung und Erziehung der Kinder sicherzustellen.


Loewe

AG Amberg, Beschluss vom 11.04.2019 - 2 F 794/18 (intern vorhanden, Az.: 601/18)
Einstweilige Anordnung zum Aufenthaltsbestimmungsrechts
wegen "nationaler Kindesentführung"