Kann paritätische Kinderbetreuung 
gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich durchsetzt werden?


Das Wichtigste in Kürze

  1. Zum Wechselmodell  (paritätische Kinderbetreuung) gibt es keine gesetzlich fixierte Rechtsgrundlage, aus der sich die Voraussetzungen für die Durchsetzung ergeben könnten. In verschiedenen Länder ist das Wechselmodell bereits gesetzlich verankert, in der Bundesrepublik Deutschland bis heute nicht.
  2. Das Zwischenzeitlich haben sich veränderte familiäre Strukturen eingestellt, wie sie für ihre Elterngeneration noch undenkbar gewesen wären. Auch bei der gerichtlichen Lösung von Elternkonflikten setzt sich die Betonung der nach Trennung fortwirkenden gemeinsamen Elternverantwortung immer mehr durch.
  3. Damit drängte sich die Frage nach einem gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf ein Wechselmodell – auch ohne gesetzlicher Anspruchsgrundlage – immer mehr auf. Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 2017 ist klar, dass Unterhaltsverfahren sowohl die gerichtliche Anordnung oder Genehmigung eines umfangreichen Besuchsrechts als auch die Etablierung eines echten Wechselmodells zum Streitpunkt machen können.
  4. In der Praxis geht es beim Wechselmodell meist darum, dass erziehungsbereite Väter (mit-)entscheiden können, ob ein paritätisches Kinderbetreuungsmodell ab der Trennung eingeführt wird (Recht auf Mitbetreuung). Wird der Mutter ein ernsthaftes und plausibles Angebot zur Mitbetreuung unterbreitet, so findet dies vor den Gerichten grundsätzlich Gehör. 

  • Rechtlicher Leitfaden 
    zur gerichtlichen Durchsetzung des Wechselmodells

    Holen Sie sich eine klare Anleitung zur Durchsetzung eines Wechselmodells beim Kindesunterhalt. Informieren Sie sich über bestehende Gerichtsurteile und gewinnen Sie einen Einblick, was notwendig ist, um ein faires und gerechtes Ergebnis in Bezug auf Besuchsrechte, Unterhaltszahlungen und andere wichtige Faktoren zu gewährleisten.

    > Wegweiser zum Anspruch auf das Wechselmodell


Motive
für Mitbetreuung


Motiv

Mehr Kontakt zum Kind


In der akuten Trennungsphase (> Wegweiser durch die Trennungsphase) bestehen Ängste, den Kontakt zu den gemeinsamen Kindern zu verlieren. Wer nach wie vor der Trennung seine Elternverantwortung umfassen wahrnehmen möchte und dem Kind zumindest das Gefühl vermitteln will, dass sich durch die Trennung der Eltern nichts am Kontakt zum Kind ändern wird, begrüßt natürlich einen > ausgedehnten Umgang bis hin zum > Wechselmodell . In Abweichung von einem Umgangsrecht in 14-tägigem Rhythmus von Freitag bis Sonntag sowie in Teilen der Schulferien werden Regelungen getroffen, die in individueller Weise das Umgangsrecht erweiternd ausgestalten, nicht zuletzt wohl auch im Interesse der Erwerbstätigkeit beider Elternteile. Diesem Ziel dient eine klare Regelung des Umgangs in Form einer Elternvereinbarung.

Elternvereinbarung
zur vollstreckungsfähigen
Umgangsregelung


Textbausteine
zur Elternvereinbarung


Textbausteine
zum Wechselmodell



Motiv

Unterhaltsrecht


Bei traditioneller Rollenverteilung nach Trennung (alleinerziehender Elternteils, mit einfachem (Wochenend- und Ferien-)Umgang des anderen Elternteils) ist der umgangsberechtigte Elternteil > allein barunterhaltspflichtig. Der kinderbetreuende Elternteil erfüllt seinen Anteil am Kindesunterhalt durch seine Betreuungsleistung vollständig (§ 1606 Abs.3 S.2 BGB). Dieser Grundsatz der Haftungsverteilung für den Kindesunterhalt gegenüber minderjährigen Kinder gerät ins Wanken, wenn der andere Elternteil einen > erweiterten Umgang mit dem Kind pflegt oder das Kind im > Wechselmodell betreut wird.

Weil es im Ergebnis zur Reduzierung der Barunterhaltslast des umgangsberechtigten Elternteils kommt, besteht in der Praxis häufig auch aus diesem Grund ein starkes unterhaltsrechtliches Motiv zur Durchsetzung eines ausgedehnten Umgangsrechts. Hierher gehört u.a. das Angebot an den kinderbetreuenden Elternteil, bei der Mitbetreuung behilflich zu sein, um Druck auf die Erwerbsobliegenheit des kinderbetreuenden Elternteils auszuüben.


Gesteigerte Erwerbsobliegenheit
durch Angebot der Mitbetreuung


Ist der barunterhaltspflichtige Elternteil zusätzlich gegenüber dem Ex-Partner unterhaltspflichtig, weil dieser wegen der Kinderbetreuung unterhaltsbedürftig ist (> Betreuungsunterhalt), so kann der Unterhaltsschuldner daran interessiert sein, seine Unterhaltslast zu reduzieren, indem er die (Teil-)Übernahme der Kinderbetreuung anbietet. Dies hat zur Folge, dass den kinderbetreuenden, unterhaltsbedürftigen Ex-Partner eine > Erwerbsobliegenheit neben der Kinderbetreuung. Kommt der Ex-Partner seiner Erwerbsobliegenheit nicht nach, muss er sich die Zurechnung > fiktiver Einkünfte gefallen lassen, was seine Bedürftigkeit reduziert. Grundsätzlich ist ein Mitbetreuungsangebot zu berücksichtigen, wenn es dem > Kindeswohl entspricht. Rein unterhaltsrechtliche Erwägungen werden nur nachrangig berücksichtigt.
> mehr


Unterhaltsrechtliche Grenzen
für ein ausgedehntes Umgangsrecht


Zum Kindeswohl zählt ohne Frage auch, dass die Eltern den Mindestunterhalt des Kindes sicherstellen. Führt eine Mitbetreuung des Kindes zu einer Einkommensreduzierung des Umgagsberechtigten in dem Ausmaß, dass die Sicherung des Mindestunterhalts nicht gewährleistet ist, muss aus unterhaltsrechtlichen Erwägungen nach Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 11.12.2015 der Wunsch nach ausgedehnter Mitbetreuung der Sicherung des Mindestunterhalts weichen:

KG, Beschluss vom 11.12.2015 - 13 UF 164/15
Erweitereter Umgang & Erwerbsobliegenheit zur Sicherung des Mindestunterhalts

(Zitat, Rn 14) "Der Antragsgegner unterliegt bereits einem grundsätzlichen Irrtum: Er scheint davon auszugehen, dass er, weil er mit den beiden Kindern einen über das “übliche” Maß hinausgehenden Umgang pflegt, seine Arbeitszeit in mehr oder weniger beliebigem Ausmaß kürzen könnte. Das ist nicht der Fall. Bereits das Familiengericht hat ihn in der angegriffenen Entscheidung sehr deutlich, unter Anführung der aktuellen, höchstrichterlichen Rechtsprechung (Beschluss, dort S. 7 unter II.2.a) (aa) [I/174]) darauf hingewiesen, dass auch ein barunterhaltspflichtiger Elternteil, der den Umgang mit dem Kind in einem gesteigerten Maße wahrnimmt und für dieses in erhöhtem Umfang Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, gleichwohl uneingeschränkt barunterhaltspflichtig ist (bzw. bleibt). Der Antragsgegner ist daran zu erinnern, dass der Bundesgerichtshof wiederholt - u.a. in der vom Familiengericht zitierten Entscheidung vom 12. März 2014 ( BGH, Beschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 , FamRZ 2014, 917 [bei juris Rz. 37f.]) und zuletzt im Beschluss vom 5. November 2014 ( BGH, Beschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 599/13 , FamRZ 2015, 236 [bei juris Rz. 22]) - darauf hingewiesen hat, dass bei einem erweiterten Umgang lediglich eine > Herabstufung in der “Düsseldorfer Tabelle bis hinunter zum > Mindestunterhalt vorgenommen werden kann. Eine weitergehende Herabstufung auf Unterhaltsbeträge unterhalb des Mindestunterhalts kommt nach der Rechtsprechung nicht in Betracht ; das gilt, wie die beiden genannten Entscheidungen zeigen, insbesondere auch dann, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil einen erweiterten Umgang wahrnimmt. Soweit der barunterhaltspflichtige Elternteil über eine ausreichende Leistungsfähigkeit verfügt - die ggf., den allgemeinen Regeln entsprechend, auch fiktiv zugerechnet werden kann - ist eine weitere Reduzierung des Kindesunterhalts ausgeschlossen. Das ergibt sich zwingend aus dem Zusammenspiel der §§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB und § > 1612a Abs. 1 BGB: Danach kann das minderjährige Kind von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt - das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder steht der Mutter alleine zu -, stets den Mindestunterhalt verlangen. Der Mindestunterhalt orientiert sich an dem nach statistischen Methoden in regelmäßigen Abständen ermittelten Existenzminimum, also demjenigen Betrag, den das Kind mindestens benötigt, um die wirtschaftlichen Grundlagen seiner Existenz zu gewährleisten (vgl. Büte/Poppen/Menne-Poppen, Unterhaltsrecht [3. Aufl. 2015], § 1612a BGB Rn. 1ff.). Der andere, betreuende Elternteil muss zum Barunterhalt des Kindes dagegen grundsätzlich nichts beitragen, weil er der ihm obliegenden Unterhaltspflicht bereits durch die Pflege und Erziehung des Kindes nachkommt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB sowie Büte/Poppen/Menne-Menne, Unterhaltsrecht [3. Aufl. 2015], § 1606 BGB Rn. 11). Anderes gilt - von hier nicht relevanten Sonderfällen abgesehen - nur dann, soweit das Kind im > Wechselmodell betreut wird (vgl. nur Büte/Poppen/Menne-Menne, Unterhaltsrecht [3. Aufl. 2015], § 1606 BGB Rn. 16): Dieser Fall ist vorliegend jedoch, wie das Familiengericht bereits überzeugend dargelegt hat, nicht gegeben; hierzu hat der Senat bereits das erforderliche gesagt (Schreiben vom 16. Oktober 2015, dort Ziff. 1; II/48)."

Anmerkung: Das Kammergericht sieht die Grenze für die (freiwillige) Arbeitsreduzierung im Interesse einer Mitbetreuung des Kindes dann erreicht, wenn das Existenzminimum des Kindes nicht mehr gesichert ist. Insofern wird auf die > gesteigerte Erwerbsobliegenheit des barunterhaltspflichtigen Elternteils abgestellt. Andererseits hat der BGH eine Verletzung von Erwerbsobliegenheit der Eltern bereits dann festgestellt, wenn der angemessene Unterhalt der Kinder nicht mehr sichergestellt wird(vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2000 - XII ZR 119/98 - FamRZ 2000, 1358, 1359 m.N.). Damit kann nach u.A. ein begehrter ausgedehnter Umgang bereits abgelehnt werden, wenn mangels ausreichendem Einkommen der Unterhalt des Kindes nicht wenigstens in Höhe von 120 % des Mindestunterhalts nach § 1612a BGB gedeckt werden kann. Sie auch weitere Anmerkung zur Entscheidung des KG von Wener Reinken, in: NZFam 2016, 266.

 
Anspruch
auf das Wechselmodell?

Rechtlicher Rahmen: Seit der Entscheidung des BGH im Jahr 2017 steht fest, dass im Rahmen von Unterhaltsverfahren sowohl um die gerichtliche Anordnung oder Billigung eines ausgedehnten Umgangsrechts als auch um die Herstellung eines echten Wechselmodells gestritten werden kann. Auch kann nicht vertreten werden, in jedem Fall einen Anspruch auf ein Wechselmodell zu verneinen, nur weil ein Elternteil dies nicht will. So kann sich die Ablehnung des Wechselmodells durchaus als rechtsmissbräuchlich darstellen, wenn das Kind in einem Alter ist, in dem der sog. „Haushaltsmittelpunkt“ nicht entscheidend für das Kindeswohl ist und die Kinder selbst das Wechselmodell begrüßen. Jugendämter und Sozialpädagogen begrüßen ebenfalls das Wechselmodell. Der Deutsche Familiengerichtstag von September 2013 sieht auch bei geltender Rechtslage Möglichkeiten zur Durchsetzung des Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils:

Aus psychologischer Sicht gibt es immer noch relativ wenige Forschungsergebnisse zur Frage des Wechselmodells gegenüber dem Residenzmodell in der Bundesrepublik (vgl. Steinbach/Augustijn/Helms/Schneider FamRZ 2021, 729). Es kann keine allgemeine Überlegenheit des Wechselmodells festgestellt werden. Es gibt keine geringere Konflikthäufigkeit; im Gegenteil, es wurden stärkere emotionale Probleme bei Kindern und teilweise längere Äquivalenzkonflikte festgestellt. Eine aktuelle Studie ergab, dass das asymmetrische Modell stärkere Vorteile für das Wohlbefinden des Kindes bietet als das paritätische Wechselmodell, insbesondere für ältere Kinder (7 bis 14 Jahre) im Vergleich zu jüngeren (2 bis 6 Jahre); vgl. Steinbach/ Augustijn/ Helms/ Schneider FamRZ 2021, 729). 


Gerichtliche Anordung des Wechselmodells
im Umgangs- oder Sorgerechtsverfahren?


Wir erleben in unserer Praxis, dass der Wunsch nach einem Wechselmodell ungebrochen stark ist. Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es im deutschen Recht keine gesetzliche Verankerung des Wechselmodells. Das BVerfG (NZFam 2015, 755) hat im Jahr 2015 entschieden, dass der Gesetzgeber nicht gehalten ist, die Anordnung paritätischer Betreuung als Regelfall vorzusehen. Das BVerfG (Beschluss vom 22.012018 - 1 BvR 2616/17) sieht auch im Jahr 2018 - nach der > BGH-Entscheidung zum Wechselmodell im Jahr 2017 - keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers (Anmerkungen dazu von Martin Löhnig, in: NZFam 2018, 459 ). Eine entsprechende Petition zum Bundestag blieb erfolglos (Petition zur Einführung des Wechselmodells zum Deutschen Bundestag ). Wenn keine konkreten Vorschriften zum Wechselmodell existieren, stellt sich natürlich die Frage, nach Maßgabe welcher inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Konflikt um die Durchführung eines Wechselmodells ausgetragen wird. Wenn es zu einer streitigen Auseinandersetzung um das Wechselmodell kommt, d.h. die Installierung oder Beibehaltung des Wechselmodell s von einem Ehegatten gefordert wird, ist als Vorfrage zu klären, ob es sich dabei um einen Umgangsrechts - oder um ein Sorgerechtsverfahren handelt. Die Streitfrage hat BGH im Jahr 2017 entschieden. Doch stieß diese Entscheidung auf Kritik und in der Praxis herscht weiterhin große Unsicherheit, in welchem Verfahren - Umgangsverfahren oder Sorgerechtsverfahren? - die Einrichtung eines Wechselmodells geltend zu machen ist. Eine ausdrückliche Klarstellung des BGH zur Frage, ob die Anordnung des Wechselmodells auch in einem Sorgerechtsverfahren erfolgen kann, wäre wünschenswert. Das OLG Frankfurt a.M. hat bereits in mehrern Verfahren den Weg über eine Sorgerechtsentscheidung für zulässig erkannt (z.B. OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 9.2.2021 – 6 UF 172/20).

Grundsätzlich können zwei Wege zum Wechselmodell führen: Das Gericht kann im > Sorgerechtsverfahren das > Aufenthaltsbestimmungsrecht demjenigen Elternteil übertragen, der das Wechselmodell durchsetzen will. Oder das Gericht kann es beim gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrecht belassen, von Amts wegen ein > Umgangsverfahren einleiten und dort das Wechselmodell anordnen. Die zuerst genannte Lösung überlässt die Einzelheiten des Wechselns den Eltern. Die Erwartung des Gerichts, dass der „obsiegende“ Elternteil sein Aufenthaltsbestimmungsrecht im Sinne eines Wechselmodells nutzt, kann nur in den Gründen ausgesprochen werden. Sie gelangt nicht in den Entscheidungstenor und ist nicht durchsetzbar. Dieser Elternteil kann also seine Meinung ändern und das Kind bei sich behalten. Es ist dann Sache des anderen Elternteils, einen Umgangstitel oder eine abändernde Sorgerechtsentscheidung zu erstreiten. Insbesondere wenn dieses Verfahren einige Zeit dauert, ist der > Kontinuitätsgedanke zu berücksichtigen. Die Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht kann damit schon den weiteren Weg nach einem Scheitern des Wechselmodells vorzeichnen. Die Lösung über das Umgangsrecht verlangt dagegen vom Gericht, die Einzelheiten des Wechselmodells zu bestimmen. Sie ist deshalb dann angezeigt, wenn die Eltern nicht nur über das „ob“, sondern auch über das „wie“ des Wechselns streiten, oder wenn die Aussage eines Elternteils, das Wechselmodell über sein Aufenthaltsbestimmungsrecht durchsetzen zu wollen, nicht als völlig verlässlich erscheint. Sie enthält für den Fall, dass das Wechselmodell scheitert, keine Vorgaben. Die Sachfrage, ob ein Kind der auf den ersten Blick doch erheblichen Belastung ausgesetzt werden kann, die in der Durchführung des Wechselmodells über eine große Entfernung hinweg liegt, wird im Regelfall nur mit > sachverständiger Hilfe beantwortet werden können.

BGH, Beschluss vom 01.02.2017 - XII ZB 601/15
Wechselmodell = Teil des Umgangsrechts


Der BGH geht zwischenzeitlich davon aus, dass der Bestand an gesetzlichen Vorschriften es auch zulasse, wenn im Rahmen eines > Umgangsverfahrens die Festlegung der Umgangszeiten so gefordert wird, dass die Betreuung des Kindes unter beiden Eltern hälftig aufgeteilt ist (= Wechselmodell).
> mehr

Anmerkung: Es entspricht inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BGH, dass ein paritätisches Wechselmodell verfahrensrechtlich über ein isoliertes Umgangsverfahren eingerichtet werden kann (vgl. BGH NJW 2017, 1815; BGH NJW 2020, 1067; BGH Beck 2022, 3390). In der Praxis birgt dieser Weg nicht selten die Gefahr, dass ein detailreiches ausgefeiltes Betreuungsmodell geschaffen wird, das anschließend in sich zusammenbricht, weil die mit einer paritätischen Betreuung erstrebten finanziellen Entlastungen eines Elternteils nicht erreicht werden. Weniger gesichert sind auch die inhaltlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells. Bisher sind mehr negative Kriterien herausgearbeitet worden, nach denen ein (paritätisches) Wechselmodell nicht anzuordnen ist, als positive Kriterien, unter denen dies zu erfolgen hat (vgl. zu den Kriteiren auch: Lack NJW 2021, 837; Staudinger/Dürbeck (2019) § 1684 BGB Rn. 255 ff.). Das OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 09.07.2021 - 4 UF 52/21 ) prüft dabei zweistufig, ob erstens die grundlegenden Voraussetzungen eines (auch unechten) Wechselmodells vorliegen und zweitens welche konkrete Aufteilung der Betreuung dabei dem Kindeswohl am besten entspricht. Diese im Gesetz nicht angelegte gestufte Prüfung birgt die Gefahr, dass die anerkannten Kindeswohlkriterien nicht ausreichend oder zu formalistisch betrachtet werden.

OLG Brandenburg, Beschluss v. 07.06.2012 - 15 UF 314/11
Keine gerichtliche Anordnungsbefugnis für ein Wechselmodell?


(Zitat) "Die Anordnung eines Wechselmodells wäre dem Familiengericht auch im Wege der Sorgerechtsentscheidung versagt, weil es gem. § 1671 Abs. 2 BGB zwar das Recht zur Aufenthaltsbestimmung einem Elternteil übertragen kann, nicht jedoch dazu befugt ist, dieses Recht anstelle der Eltern auszuüben (BVerfG, FamRZ 2003, 511; OLG Düsseldorf, ZKJ 2011, 256)."

Anmerkung: Das OLG lehnt einen Anspruch auf richterliche Anordnung eines Wechselmodells mit der Begründung ab, dass hierbei ein Elternteil eine paritätische Regelung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht anstrebt, wozu das Gericht nicht befugt ist. Seit der BGH-Entscheidung im Jahr 2017 so nicht mehr haltbar.

OLG Frankfurt a.M. , Beschluss vom 04.02.2020 - 2 UF 301/19
Wechsel
modell =
Teil des Sorgerechts


Anmerkung: Der OLG Frankfurt a.M. vertritt hier ausdrücklich eine Auffassung, die im Widerspruch zur Ansicht des BGH steht. Dazu die Anmerkung von Werner Schwamb, in NZFam 2020, 249 ff (Zitat): "Wie auch immer man im Meinungsstreit nun zu dieser Entscheidung steht, sie zeigt jedenfalls den insoweit dringenden Reformbedarf auf, was die beiden bisher streng getrennten Verfahrensarten angeht. Ansonsten finden sich die Beteiligten in einem Wirrwarr zwischen Sorgerecht (grundsätzlich beschwerdefähig, aber antragsabhängig) und Umgangsrecht (im EA-Verfahren nicht beschwerdefähig, aber kein Antrag erforderlich) künftig nicht mehr zurecht, zumal die Einordnung nach dieser Entscheidung davon abhängig sein kann, in welchem AG- bzw. OLG-Gerichtsbezirk die Zuständigkeit liegt und in welcher Instanz man sich befindet."

OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 9.2.2021 – 6 UF 172/20
Wechsel
modell durch Sorgerechtsentscheidung


Anmerkung:

1. Streiten gemeinsam sorgeberechtigte Eltern nach der Trennung um den Aufenthalt des Kindes und haben beide Anträge nach § 1671 Absatz I BGB gestellt, so kann ein Wechselmodell auch sorgerechtlich derart angeordnet werden, dass einem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zum Zwecke der Herstellung bzw. – wie hier – der Fortführung eines Wechselmodells übertragen wird, wenn diese Betreuungsform dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

2. In Ausnahmefällen kann jedenfalls bei noch nicht eingeschulten Kindern ein Wechselmodell auch bei weiter Entfernung der Elternwohnsitze (hier Südhessen und Brandenburg) angeordnet werden, wenn erhöhte Kooperations- und Kommunikationsfähigkeiten der Eltern bestehen, das Wechselmodell zur Deeskalation des Elternkonflikts beiträgt und das Kind dazu imstande ist, sich entsprechend anzupassen.


Anspruch
auf gerichtliche Anordnung
eines paritätischen Wechselmodells?


BGH, Beschluss v. 01.02.2017 - XII ZB 601/15
Verfahrensweg zum Wechselmodell


Leitsätze:

  • Eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, wird vom Gesetz nicht ausgeschlossen. Auch die Ablehnung des Wechselmodells durch einen Elternteil hindert eine solche Regelung für sich genommen noch nicht. Entscheidender Maßstab der Regelung ist vielmehr das im konkreten Einzelfall > festzustellende Kindeswohl .
  • Die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung setzt eine bestehende Kommunikations und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 15.Juni 2016 - XII ZB 419/15 - FamRZ 2016, 1439). Dem Kindeswohl entspricht es daher nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit erst herbeizuführen.
  • Ist das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, so liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes.
  • Das Familiengericht ist im Umgangsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl > am besten entspricht.
  • Dies erfordert grundsätzlich auch die > persönliche Anhörung des Kindes (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15.Juni 2016 - XII ZB 419/15 -FamRZ 2016, 1439).

Anmerkung: Das Wechselmodell berührt beide Aspekte: das Recht auf persönlichen (paritätischen) Kontakt zum Kind (= Umgangsrecht) und das Recht den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen bzw. zu regeln (Aufenthaltsbestimmungsrecht ist ein Teil des > Sorgerechts). Die Frage nach der rechtlichen Natur eines Wechselmodells wurde in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird die paritätische Betreuung eines Kindes durch die getrenntlebenden Eltern als Umgangsregelung und teilweise als Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts (= Teil des Sorgerechts) verstanden. Der Deutsche Familiengerichtstag von September 2013 ordent rechtssystematisch das Wechselmodell der > elterlichen Sorge zu. Damit setzt der BGH nun ein Ende und stellt klar, dass im Rahmen eines > Umgangsverfahrens um die Herstellung eines Wechselmodells gestritten werden kann. Der BGH formuliert strenge Voraussetzungen für die hoheitliche Anordnung eines Wechselmodells (vgl. BGH, Beschluss vom 27.11.2019 - XII ZB 512/18 ). Die Kindeswohldienlichkeit des paritätischen Wechselmodells setzt ähnlich wie bei der gemeinsamen Sorge als paritätische Wahrnehmung des Elternrechts die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraus. Denn bei der praktischen Verwirklichung der geteilten Betreuung ergibt sich ein erhöhter Abstimmungs- und Kooperationsbedarf zwischen den Eltern. Obgleich ein Konsens der Eltern über die Betreuung des Kindes im Wechselmodell grundsätzlich keine Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung ist, wird in der Praxis die gerichtliche Anordnung eines paritätischen Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils wohl nur in wenigen Fällen dem Kindeswohl entsprechen (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 16.08.2018 - 4 UF 57/18;  Salzgeber, NZFam 2014, 921, 929).

  • Weiterführende Links | Literatur:
    » Winfried Born, Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils - geht das, und ist das sinnvoll?, in: NZFam 2022, 821

Anspruch auf Fortsetzung
eines echten Wechselmodells?


Haben die Eltern bereits > einvernehmlich ein Wechselmodell über längere Zeit praktiziert und will ein Elternteil an dem Wechselmodell nicht mehr festhalten, so kann sich die Abänderung der einmal getroffenen Regelung wiederum als problematisch darstellen. Hier tritt nun das Kontinuitätsprinzip als Ausfluss des Kindeswohls in den Vordergrund. Dabei kann nach dem KDG Berlin kann ausnahmsweise auch gegen den Willen eines Elternteils eine Betreuung nach Art eines Wechselmodells angeordnet werden.

KG Berlin, Beschluss vom 28. 02.2012 - 18 UF 184/09

(Zitat) "Ganz wesentlicher Streitpunkt der Eltern ist die Frage, ob J... überhaupt bei einem Elternteil ihren Lebensmittelpunkt haben sollte oder ob das Kind im wöchentlichen Wechsel jeweils bei beiden Elternteilen leben soll. An ihrer ablehnenden Haltung zum Wechselmodell hat die Mutter bis zum Schluss des Anhörungstermins festgehalten. Zwar kann nach der Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte gegen den Willen eines Elternteils ein Betreuungs-Wechselmodell nicht familiengerichtlich angeordnet werden (OLG Hamm NJW 2012, 398; vgl. auch OLG Brandenburg, FamRZ 2011, S. 120; OLG Koblenz, FamRZ 2010, S. 738; OLG Dresden, FamRZ 2005, S. 125; OLG Brandenburg, FamRZ 2009, S. 1759). Vielmehr ist es in solchen Fällen in aller Regel geboten, die gemeinsame elterliche Sorge in Bezug auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht aufzuheben und dieses auf einen Elternteil allein zu übertragen. Dieser Auffassung ist der Senat bisher uneingeschränkt gefolgt, vermag sich dem allerdings für den vorliegenden Ausnahmefall unter Zurückstellung eigener erheblicher Bedenken gegen das Wechselmodell nicht anzuschließen. Das Wechselmodel l kann vielmehr nach Auffassung des Senats im Einzelfall dann gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden, wenn dies im Hinblick auf das Kindeswohl geboten erscheint. Wenn das Wechselmodell in Ausnahmefällen dem Kindeswohl am besten entspricht, kann > von Seiten des Gerichts nur der Umgang geregelt werden. Denkbar ist zwar auch, das Aufenthaltsbestimmungsrecht im wöchentlichen Wechsel zwischen den Eltern aufzuteilen. Dieser Weg ist aber nach Auffassung des Senats rechtlich bedenklich, weil ein derartiger Eingriff in das Sorgerecht kaum gerechtfertigt erscheint; er ist aber auch vor allem völlig unpraktikabel. Die Möglichkeit der Anordnung eines Wechselmodells führt dann aber dazu, dass ein Eingriff in die gemeinsame elterliche Sorge und die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil allein nicht mehr erforderlich ist, um dem Wohl des Kindes genüge zu tun, sondern dies ist im Wege einer > Umgangsregelung anzuordnen. So ist es hier."

Anmerkung: Hier hat das Kammergericht Berlin gegen den Willen eines Elternteils die Fortführung eines bereits praktizierten Wechselmodells beschlossen. Begründung: In Ausnahmefällen kann Betreuungs-Wechselmodell familiengerichtlich angeordnet werden, wenn das Wechselmodell im Hinblick auf das Kindeswohl geboten ist und dem eindeutig geäußerten und belastbaren Willen des Kindes entspricht (§ 1671 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, § 1684 Abs. 3 BGB).

OLG Koblenz, Beschluss vom 12.01.2010 - 11 UF 251/09
Rechtsmissbräuchliche Ablehnung eines fortgeführten Wechselmodells

(Zitat) "Anhaltspunkte dafür, dass [die Ablehnung des Wechselmodells durch einen Elternteil] rechtsmissbräuchlich und aus eigennützigen Motiven (z.B. Unterhaltszahlungen) erfolgt, sieht der Senat nicht. Damit fehlen die Grundvoraussetzungen für die Fortsetzung des Wechselmodells."

Anmerkung: Als Korrektiv sieht auch das OLG Koblenz, dass die Ablehnung des Wechselmodells sich nicht als rechtsmissbräuchlich und aus eigennützigen Motiven (z.B. Unterhaltszahlungen) erfolgt, darstellen darf. Ist dies aber nicht der Fall, besteht kein Anspruch auf ein Wechselmodell.

Anspruch auf Aufhebung
des echten Wechselmodells?


OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 23.02.2021 - 8 UF 188/20
Aufhebung eines paritätischen Wechselmodells


Orientierungssätze:
1. Ein praktiziertes paritätisches Wechselmodell kann in einem Umgangsverfahren abgeändert werden und setzt nicht zwingend eine vorherige Klärung des Lebensmittelpunktes des Kindes in einem sorgerechtlichen Verfahren voraus.
2. Eine in einem Umgangsverfahren ergangene einstweilige Anordnung ist auch bei der Einführung oder Abänderung eines paritätischen Wechselmodells nicht anfechtbar.


Entscheidungskriterien

zum Wechselmodell



Elternkonflikt


Wenn die Eltern um den Umgang mit den Kindern streiten, ist das ein starkes Indiz gegen die gerichtliche Installation eines Wechselmodell s für die Kinder.

BGH, Beschluss vom 27.11.2019 - XII ZB 512/18
Wechselseitige Loyalität der Eltern


Leitsätze:

  • Die gerichtliche Übertragung des > Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteilhat keine Bindungswirkung hinsichtlich einer späteren Entscheidung zum Umgang und der sich dabei stellenden Frage, ob ein paritätisches Wechselmodell anzuordnen ist (Fortführung von Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532).
  • Die Entscheidung zum Umgang richtet sich in diesem Fall als Erstentscheidung nach §§ 1684, 1697a BGB und unterliegt nicht den > einschränkenden Voraussetzungen einer Abänderungsentscheidung gemäß § 1696 Abs.1BGB
  • Der Anordnung eines Wechselmodells kann entgegenstehen, dass der dieses begehrende Elternteiles an der notwendigen Loyalität gegenüber dem anderen Elternteil fehlen lässt. Ein gegenläufiger Wille des Kindes ist nicht ausschlaggebend, wenn dieser maßgeblich vom das Wechselmodell anstrebenden Elternteil beeinflusst ist.

OLG Hamm, Beschluss v. 25.07.2011 - II-8 UF 190/10
Das Gericht wies den Antrag eines Vaters auf Herstellung eines Wechselmodells mit folgender Begründung ab:


(Zitat) "Die Frage, ob der Antragsteller die Einführung des Wechselmodells mit einem Umgangsantrag geltend machen kann oder ob hierfür ein Sorgerechtsverfahren einzuleiten ist, kann vorliegend dahinstehen. Denn ein Betreuungs-Wechselmodell setzt die Bereitschaft und Fähigkeit der Eltern voraus, miteinander zu kooperieren und zu kommunizieren. Nach der Stellungnahme des Jugendamtes im Anhörungstermin am 09.06.2010 waren die Gespräche, die mit den Kindeseltern geführt wurden, sehr konfliktbehaftet. Die Kommunikation zwischen den Kindeseltern war nach Einschätzung des Jugendamtes schwierig. Die Kindesmutter hat die Ansicht vertreten, dass ihre Beziehung zu konfliktbehaftet sei, um ein Wechselmodell hinzubekommen, und befürchtet, dass Z dann zwischen den Stühlen sitze. Sie hat sich vor diesem Hintergrund gegen das Wechselmodell ausgesprochen. Hieran hält sie auch im Beschwerdeverfahren fest. Gegen den Willen eines Elternteils kann nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Betreuungs-Wechselmodell nicht familiengerichtlich angeordnet werden (vgl. auch OLG Brandenburg, FamRZ 2011, S. 120; OLG Koblenz, FamRZ 2010, S. 738; OLG Dresden, FamRZ 2005, S. 125; OLG Brandenburg, FamRZ 2009, S. 1759). Soweit in dem Antrag des Antragstellers als Minus jedenfalls ein Antrag auf > Ausweitung der bisherigen Umgangsregelung (alle 14 Tage von freitags nach der Schule bis sonntags 18 Uhr sowie ein Nachmittag in der Woche, in der kein Umgangswochenende stattfindet, von nach der Schule bis 18 Uhr) enthalten ist, bestehen auch insofern keine Erfolgsaussichten für die Beschwerde. Das Amtsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der > Zweck der Umgangsregelung darin besteht, dem umgangsberechtigten Elternteil die Möglichkeit einzuräumen, sich laufend von der Entwicklung und dem Wohlergehen des Kindes zu überzeugen und dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen und einer Entfremdung zwischen dem Kind und dem umgangsberechtigten Elternteil vorzubeugen. Diesem Zweck wird die bestehende Umgangsregelung vollumfänglich gerecht. Darüber hinaus sind, darauf hat das Amtsgericht ebenfalls zu Recht abgestellt, auch das Umgangsrecht der Mutter und die Freizeitgestaltung des Kindes zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund kommt eine Ausweitung der bestehenden Umgangsregelung nicht in Betracht."


Kindeswohl


(Zitat aus Barbara Klingbacher, Anatomie einer Trennung, Neue Züricher Zeitung , Ausgabe März 2021; Tochter Sasha (19)) "Eine Zeitlang lebten wir je eine Woche bei Mama und eine bei Papa. Vale hatte damit kein Problem, aber für mich war es schlimm, dauernd mein Nest zu verlassen. Jeden Sonntag packte ich mein rotes Köfferchen, und weil die Woche so kurz war, hatte ich das Gefühl, ich muss gar nicht auspacken. Ich beneidete alle Kolleginnen und Kollegen, die nur ein Zuhause hatten. Bei meiner Mutter fühlte ich mich stärker daheim, bei Papa und Caro kam es mir lange so vor, als müsse ich mich verstellen, weil dort eine mir noch fremde Person wohnt. Wenn ich bei meinem Vater glücklich war, hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil meine Mutter allein zu Hause sass. Irgendwann reichte ich einen Antrag ein: alle zwei Wochen wechseln. Meine Eltern gingen darauf ein, sie gingen immer auf unsere Wünsche ein. In diesem Zwei-Wochen-Rhythmus fühlte ich mich wohler."

OLG Köln, Beschluss vom 14.03.2012 - 4 UF 235/11
Das OLG Köln betont die Notwendigkeit eines räumlich sicheren Lebensmittelpunktes für das Kind ( Residenzmodell). Seit der> BGH-Entscheidung im Jahr 2017 ist diese Aussage nicht mehr haltbar.


OLG Karlsruhe, Beschluss v. 17.02.2020 - 5 UF 6/20
Kontinuitätsgrundsatz und Forderung eines Wechselmodells


Orientierungssatz: Der gerichtlichen Anordnung eines paritätischen Wechselmodells steht in der Regel der > Kontinuitätsgrundsatz entgegen, wenn die Eltern zuvor eine außergerichtliche > Umgangsvereinbarung mit einem nicht ganz so weitgehenden Umgangsrecht des nicht betreuenden Elternteils getroffen hatten und diese auch praktiziert worden ist.


Gutachten

Beispiel einer kinderpsychologischen Stellungnahme zum Wechselmodell


Wie wird sich ein Wechselmodell (wöchentlich wechselnder Aufenthalt der Kinder beim Antragsteller und der Antragsgegnerin) auf die Kinder auswirken?

"[...] Gegenwärtig gibt es keine Basis für die Etablierung eines paritätischen Wechselmodells, insbesondere nicht für einen wöchentlich wechselnden Aufenthalt der Kinder, da die Kommunikationsebene der Kindeseltern nachhaltig gestört ist und die gegenseitige Gekränktheit es verhindert, dass sich die Kindeseltern aufeinander zu bewegen. [...]"


Links & Literatur



Links



Organisationen zum Wechselmodell


  • Internationaler Rat für die Paritätische Doppelresidenz (ICSP): Im Jahr 2014 wurde eine neue internationale Organisation gegründet, die sich der Forschung und Praxis des Wechselmodells als Lösung für Trennungskinder widmet.


Literatur & Rechtsprechung


  • OLG Brandenburg, Beschluss vom 31.5.2019 – 13 UF 170/18, Nur ausnahmsweise hoheitliche Anordnung des paritätischen Wechselmodells, Anmerkung von Tim Jesgarzewski, in: NZFam 2019, 546
  • Ernst Spangenberg, Verfahrensfragen beim Wechselmodell, in: NZFam 2017, 1089
  • Martin Löhnig, Der Wechselmodellbeschluss des BGH: Stellenwert und sorgerechtliche Folgen, in: FF 2017, 429ff
  • Martin Löhnig, Pendelkinder - Kindeswohl und gleichberechtigte, geteilte elterliche Verantwortung, in: NZFam 2016, 817
  • Jürgen Schmid, Wechselmodell, Definition, Voraussetzungen, rechtliche Funktion der Alltagssorge, in: NZFam 2016, 818
  • Heinz Kindler & Sabine Walper, Das Wechselmodell im Kontext elterlicher Konflikte, in: NZFam 2016, 820
  • Heike Hennemann, Meldewesen, Kindergeldberechtigung und Sozialleistungen beim Wechselmodell, in: NZFam 2016, 825
  • Argiris Balomatis, Das Wechselmodell in Europa, in: NZFam 2016, 833
  • Joseph Salzgeber & Katharina Bublath, Betreuungsmodelle aus Kindersicht, in: NZFam 2016, 837
  • Axel Weiss, Kostenfaktor Kind , Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV Bremen, 23.11.2012
  • Stellungnahme der Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstags, das Wechselmodell im deutschen Familienrecht, FamRZ 2014, 1175
  • Scheiwe, Kindesunterhalt und Wechselmodell, in: FF 2013, 280 ff.
  • Deutscher Familiengerichtstag, September 2013, Umgang zwischen Wochenend- und Wechselmodell
  • Jan Piet H. de Man, Dipl. Kinder- und Familienpsychologe, Zwei Zuhause: die beste Regelung für Kinder nach Trennung und Scheidung? - Konzepte und Erfahrungen aus Europa, Vortrag im Rahmen der Internationalen Fachtagung, Bozen 2013
  • Marchlewski, Das Wechselmodell zwischen § 1671 und § 1684 BGB - Der Staat wacht an der Grenze des § 1666 BGB, in: FF 2015, 98, 103


In eigener Sache


  • OLG München - 4 UF 52/21, Wann besteht ein Anspruch auf Kinderbetreuung im Wechselmodell? unser Az.: 1203/20 (D3/89-21)