Standort:
Startseite > Infothek > Themen > Eltern > Kindeswohl > Sorgerecht > Kanzlei für Familienrecht
Rechte und Pflichten der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern
Das Wichtigste in Kürze
- Sorgerecht ist die Entscheidungskompetenz der Eltern, Angelegenheiten des minderjährigen Kindes zu regeln. Es gibt zwei Hauptaspekte des Sorgerechts: die Personensorge und die Vermögenssorge.
- Die Personensorge umfasst die Pflege, Aufsicht, Erziehung und Ausbildung des Kindes. Die Vermögenssorge beinhaltet die Verantwortung für die Verwaltung des Einkommens und Vermögens des Kindes. Diese Aspekte des Sorgerechts werden in der Regel von den Eltern ausgeübt und von staatlichen Institutionen wie Kindergärten oder Schulen unterstützt. Der Staat greift initiativ nur ein, wenn das Kindeswohl gefährdet ist.
- Das Sorgerecht kann entweder gemeinsam oder allein ausgeübt werden. Beim gemeinsamen Sorgerecht (Mitsorgerecht) treffen beide Elternteile gleichberechtigt alle Entscheidungen, die das Kind betreffen. Beim alleinigen Sorgerecht hat ein Elternteil das Recht und die Pflicht, Entscheidungen bezüglich des Kindes zu treffen. Es ist auch möglich, dass unverheiratete Eltern das gemeinsame Sorgerecht erlangen können.
- Wenn das Wohl des Kindes beeinträchtigt ist, können die zuständigen Behörden und Gerichte das Mitsorgerecht unter bestimmten Umständen entziehen, übertragen oder abändern. Dafür ist die jeweilige gesetzliche Eingriffsschwelle zu beachten.
Rechtlicher Leitfaden
Das Sorgerecht ist ein komplexes Rechtsgebiet, das sich auf das Wohl des Kindes konzentriert. Es kann sehr hilfreich sein, die rechtlichen Grundlagen zum gemeinsamen Sorgerecht zu kennen, bevor man unnötig um das Sorgerecht gerichtlich streitet und am Ende riskiert, Teilbereiche des gemeinsamen Sorgerechts zu verlieren.
zum Sorgerecht
Wir bieten Beratung, Rechtsbeistand und Vertretung, um die besten Interessen von Eltern und Kindern zu schützen.
Verschaffen Sie sich mithilfe unserer Wegweiser Klarheit über Ihre Rechte und Pflichten rund um das Sorgerecht für Ihr Kind:
> Wegweiser zum Sorgerecht
> Wegweiser zum Sorgerechtsverfahren
Wegweiser
zum Sorgerecht
- Was bedeutet Sorgerecht?
- Gemeinsames Sorgerecht der Eltern
- Auskunftsanspruch wegen Sorgerecht
- Entscheidungsbefugnisse der Eltern bei Mitsorgerecht
- Entscheidungsbefugnis des Familiengerichts
- Entscheidungsbefugnis sonstiger Personen
- Links & Literatur
Sorgerecht
bedeutet Entscheidungskompetenz der Eltern
„Sorgen“ bedeutet, Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten des Kindes zu treffen. Was das Sorgerecht der Eltern (elterliche Sorge) für ein minderjähriges Kind umfasst, bestimmt § 1626 BGB. Es beinhaltet das Recht und die Pflicht der gesetzlichen Eltern, für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge) zu sorgen (Elternverantwortung). Es geht also um die Entscheidungsbefugnisse der Eltern. Diese Befugnisse sind im gegenseitigen Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben.
- Weiterführende Links:
» Umgangsrecht
§ 1626 BGB
Gesetzestext
(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).
(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.
(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.
Anmerkung:
Wann ist ein Einvernehmen der Eltern erforderlich?
Bevor Gerichte in Kindschaftssachen eine Entscheidung treffen, ist festzustellen, ob eine staatliche Entscheidung grundsätzlich erforderlich ist. Dies ist erst der Fall, wenn eine Entscheidung in einer Angelegenheit des Kindes betroffen ist, die einer gemeinsamen Entscheidung der Eltern bedarf und die Eltern sich nicht einigen können.
- Erstens ist zu klären, ob beide Elternteile sorgeberechtigt sind.
- Zweitens ist festzustellen, ob wegen des Mitsorgerechts die Angelegenheit des Kindes eine gemeinsame Elternentscheidung verlangt oder ein Elternteil die alleinige Entscheidungsbefugnis innehat.
Gemeinsames Sorgerecht
miteinander verheirateter Eltern
Eltern, die bei der Geburt des Kindes miteinander verheiratet sind, steht das Sorgerecht und die Sorgepflicht per Gesetz gemeinsam zu (§ 1626a Ziff. 2 BGB).
Gemeinsames Sorgerecht
nicht miteinander verheirateter Eltern
Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet, hat jedenfalls die Mutter das alleinige Sorgerecht (§ 1626a Abs.3 BGB). Die genetische Abstammung ist kein Kriterium für die gesetzliche Vaterschaft. Jedoch knüpft das Sorgerecht an die gesetzliche Elternschaft an. Erst wenn ein Vater eines der gesetzlichen Kriterien nach § 1592 Ziff. 1 bis 3 BGB erfüllt, ist er auch gesetzlicher Vater im Sinne des Sorgerechts nach § 1626 BGB.
Wege zum gemeinsamen Sorgerecht unverheirateter Eltern:
- Außergerichtlich erlangt der leibliche Vater das Mitsorgerecht über eine Sorgerechtserklärung. Die Mutter muss damit einverstanden sein.
- Gegen den Willen der Mutter kann der leibliche Vater das Mitsorgerecht nur über ein gerichtliches Verfahren erreichen.
Entscheidungsbefugnisse der Eltern
bei Mitsorgerecht
Alleinige Entscheidungsbefugnis
in Angelegenheiten des täglichen Lebens
in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung
Klagebefugnis
Geht es um Kindesunterhalt für minderjährige Kinder, stellt sich immer die Frage, wer diesen gegen den anderen Elternteil geltend machen kann, d.h. im Unterhaltsverfahren vertreten darf.
§ 1687 Abs.1 S.2 BGB
Gesetzestext
(1) S.1 (...)
S.2: Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben.
S.3: Solange sich das Kind mit Einwilligung dieses Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung.
S.4: § 1629 Abs. 1 Satz 4 und § 1684 Abs. 2 Satz 1 gelten entsprechend.
(2) Das Familiengericht kann die Befugnisse nach Absatz 1 Satz 2 und 4 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.
Was sind Angelegenheiten des täglichen Lebens?
In Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung entscheidet der umgangsberechtigte Elternteil, solange sich das Kind zur Ausübung des Umgangs bei ihm aufhält. Nach üblicher gerichtlicher Einschätzung (vgl. Heiß, Familienrecht, 3. Aufl., § 3 Rn. 49 f.) gehören folgende Entscheidungen zu den "alltäglichen" Angelegenheiten, die nicht von beiden Eltern gemeinsam getroffen werden müssen:
- für die Einschaltung von Nachhilfelehrern (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 14.06.2005, Az. 3 UF 55/05);
- Teilnahme an Klassenfahrten;
- Zur Erlaubnis und Entscheidungskompetenz wegen Urlaubsreise mit einem Elternteil;
- medizinische Eingriffe, insb. Routineuntersuchungen bei alltäglichen Erkrankungen (Bindehautentzündung) und Kontrolluntersuchungen - etwa beim Augen-, Zahn- oder Kinderarzt - ; anders wohl: Zahnspange;
- Anträge in Pass- und Ausweisangelegenheiten; die Praxis einiger Passämtern bei bestehender gemeinsamer elterlicher Sorge für die Beantragung von Kinder- oder Personalausweis die Unterschrift beider Eltern zu verlangen, entspricht keiner Rechtsgrundlage.
Führen diese Entscheidungen zu Kosten, die Mehrbedarf oder Sonderbedarf des Kindes darstellen, kann den anderen Elternteil die Pflicht zur anteiligen Kostenübernahme treffen, obwohl er nicht seine Zustimmung zu der Maßnahme erteilt hat. Wenn etwa die Mutter für das bei ihr lebende Kind entscheidet, dass das Kind Nachhilfeunterricht benötigt (= Angelegenheit des täglichen Lebens), hat sich an diesen Kosten der Vater u.U. zu beteiligen, auch wenn er nicht gefragt wurde (Kostenbeteiligung bei Vorfinanzierung der Kosten durch einen Elternteil).
Urlaubsreise
Angelegenheit des täglichen Lebens?
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.05.2007 - 17 WF 83/07
Wer entscheidet über die Urlaubsreise mit dem Kind?
Sachverhalt: "Die Parteien streiten um die elterliche Sorge für den am (...) 2006 geborenen Sohn (X). Die Parteien haben am (...) 2003 geheiratet, seit (...) 2006 leben sie, bis Ende (...) 2006 zeitweise innerhalb der Ehewohnung, getrennt. (X) lebt bei der Mutter. Zwischen den Parteien ist weiter ein Umgangsverfahren auf Antrag des Vaters anhängig. Mit Beschluss vom 13.03.2007 hat das Familiengericht Heidelberg durch einstweilige Anordnung einen betreuten Umgang des Vaters mit dem Kind angeordnet (31 F 18/07). Mit dem Sorgerechtsantrag hat die Mutter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts gestellt, dass ihr die Entscheidung über Urlaubsreisen mit & in ihrem Beisein allein übertragen werden soll. Diese Regelung sei erforderlich, nachdem der Vater entgegen seiner zuerst erteilten Zustimmung eine Reise der Mutter mit dem Kind im November 2006 grundlos nicht gestattet habe. Dagegen habe er -unstreitig- im Sommer 2006 einer Reise der Mutter mit dem Kind nach D. zugestimmt. Da die Mutter mit ihrem an Krebs erkrankten Vater noch möglichst viel Zeit mit Urlaubsreisen verbringen wolle, die wegen des wechselnden Krankheitsverlaufs nur kurzfristig gebucht werden könnten, sei ihr gemäß § 1628 BGB die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Urlaubsreisen zu übertragen. (...)
Auszug aus der Entscheidung: "Die von der Mutter gewünschte Übertragung der Entscheidungsbefugnis für diesen Bereich ist jedoch in diesem Umfang nicht erforderlich. Denn eine Regelung nach § > 1628 BGB setzt voraus, dass es sich bei der streitigen Sachfrage um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handelt. Nur hinsichtlich dieser Fragen ist gemäß § 1687 BGB ein Konsens zwischen den sorgeberechtigten Elternteilen erforderlich. Nicht jede Urlaubsreise erfüllt jedoch dieses Merkmal. Zwar wird vertreten, dass Reisen kleinerer Kinder in Länder eines ihnen nicht vertrauten Kulturkreises Angelegenheiten von > wesentlicher Bedeutung darstellen (OLG Köln a.a.O. m.w.N.), doch ist dem in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Maßgeblich ist die Situation im geplanten Urlaubsgebiet, ebenso die persönlichen Verhältnisse der Familie (vgl. Senat, B. v. 23.12.2004, 16 UF 156/04: Urlaubsreise eines 11-jährigen mit dem Vater nach China ist keine Angelegenheit von wesentlicher Bedeutung, nachdem die Familie mit dem chinesischen Kulturkreis vertraut ist). So gibt es auch außereuropäische Urlaubsziele, die nach Ansicht des Senats ohne Zustimmung des anderen Elternteils besucht werden können. Danach sind die bisher von der Mutter mit dem Kind durchgeführten Reisen nach D. und die Do. unter dem Hintergrund fehlender Reisewarnungen für diese Gebiete, der gebuchten Hotels und der klimatischen Verhältnisse nicht als Angelegenheiten von wesentlicher Bedeutung anzusehen mit der Folge, dass eine Zustimmung des Vaters zu derartigen Reisen entbehrlich ist."
Sachverhalt: "Die Kindesmutter beabsichtigt, vom [...] 07.2016 bis....08.2016 mit ihrem 8-jährigen Sohn eine Urlaubsreise in die Türkei durchzuführen. Es handelt sich um einen Badeurlaub, der einen Flug von Frankfurt nach Antalya, den Transfer vom Flughafen Antalya zum Hotel in X, den dortigen Hotelaufenthalt bis [...] 08.2016, den Rücktransfer zum Flughafen Antalya und den Rückflug von Antalya nach Frankfurt am Main umfasst. Die Kindesmutter hat diese Reise im Januar 2016 gebucht. Die Kindeseltern sind geschieden und haben das gemeinsame Sorgerecht für das Kind. Im Mai 2016 hat sie den Kindesvater um Zustimmung zu der beabsichtigten Reise gebeten. Dieser hat die Zustimmung versagt und dies damit begründet, dass er eine Türkeireise vor dem Hintergrund der politischen Lage und einer eventuellen Terrorgefahr zu gefährlich für das Kind halte. Die Kindesmutter hat beim Amtsgericht Offenbach mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 29.06.2016, der am 01.07.2016 beim Amtsgericht einging, ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag eingeleitet, die Zustimmung des Kindesvaters zu der Reise zu ersetzen . Dem ist der Kindesvater entgegen getreten. Er hält die Reise im Hinblick auf die bestehende Terrorgefahr für zu gefährlich und ist der Ansicht, die Kindesmutter hätte diese Reise wegen der zwischenzeitlichen Anschläge in Istanbul längst stornieren können und müssen. Auch wenn die Anschläge nicht in der Baderegion stattfanden, seien die Gefahren derzeit nicht abschätzbar. So könne es etwa zu Anschlägen am Flughafen Antalya oder während des Transfers vom Flughafen zum Hotel kommen. Das Amtsgericht Offenbach hat nach Durchführung eines Anhörungstermins mit Beschluss vom 14.07.2016 im Wege der einstweiligen Anordnung der Kindesmutter die Befugnis übertragen, über die Durchführung der Türkeireise mit dem 8-jährigen Sohn alleine zu entscheiden (§ 1628 BGB). Die geplante Urlaubsreise stelle angesichts der im Raume stehenden Möglichkeit von terroristischen Anschlägen keine alltägliche Angelegenheit, sondern eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung dar, weshalb es der Übertragung der Entscheidungsbefugnis bedürfe, um die Reise durchführen zu können. Die Entscheidungsbefugnis sei der Mutter zu übertragen, da dies dem Wohl des Kindes am besten entspreche. Wie die Anhörung des Kindes gezeigt habe, freue sich A auf den Urlaub, da er noch nie einen richtigen Badeurlaub gemacht habe. Er habe auch keine Angst vor der Urlaubsreise. Ohne die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf die Mutter sei davon auszugehen, dass keine Urlaubsreise durchgeführt werden könne oder die Mutter lediglich in ein Hotel umbuchen könne, dass deutlich weniger kindgerechte Angebote biete als die gebuchte Reise. Im Übrigen sei der Vater auch nicht bereit gewesen, einen finanziellen Beitrag dazu zu leisten, dass A in einer eventuell weniger gefährdeten Region mit gleichem Komfortstandard Urlaub machen könne. Zudem habe er sich bereits mit Freunden, die ebenfalls mit ihren Familien in der dortigen Region Urlaub machen, am Urlaubsort verabredet. Da nur eine entfernte Gefahr bestehe, würden die Nachteile, die eine Nichtdurchführung der Urlaubsreise für A mit sich brächten, diejenigen überwiegen, die bei Durchführung der Reise drohen. Hiergegen wendet sich der Kindesvater mit seiner Beschwerde. Er macht geltend, dass sich durch die Ereignisse, die nach der Beschlussfassung in der Türkei stattgefunden haben, die Gefährdung für das Kind durch eine solche Urlaubsreise noch konkreter geworden sei. Im Hinblick darauf, dass Gefahr für Leib und Leben des Kindes bestehe, sei es geboten, die Reise zu verwehren. Die Probleme, die eine Umbuchung mit sich bringen, seien nicht ihm anzulasten. Die Mutter sei erst im Mai wegen der bereits von ihr im Januar gebuchten Reise an ihn herangetreten. Es fehle ihm auch nicht an der Bereitschaft, einen finanziellen Beitrag zu den mit einer Umbuchung verbundenen Mehrkosten zu leisten, ihm würden allerdings die finanziellen Mittel hierzu fehlen. Es sei nicht hinzunehmen, dass das Kind vorsätzlich einer solchen Gefahr ausgesetzt wird, zumal es auf dem Reisemarkt eine Vielzahl von Alternativen gebe.
Die Kindesmutter verteidigt den angefochtenen Beschluss. Es gebe keine Sicherheitswarnung des Auswärtigen Amtes hinsichtlich Reisen in die Ferienregion von X. Daran habe sich auch durch den Putschversuch nichts geändert. Die Reise bringe das Kind nicht in die gefährdeten Regionen. Die abstrakten Gefahren durch die geplante Reise seien nicht höher als bei anderen Reisezielen. Die Kindesmutter sei bei Buchung der Reise davon ausgegangen, dass es der Zustimmung des Kindesvaters nicht bedürfe. Bei der dann im Mai nachgesuchten Zustimmung sei es nur darum gegangen, dass der Kindesvater einen Vordruck der Bundespolizei unterzeichnet, die dem Grenzschutz die Ausreisekontrolle erleichtere. Eine ausdrückliche Verweigerung der Zustimmung sei ihr erst am 27.06.2016 zugegangen. Der Senat hat zur Frage einer Aussetzung der Wirksamkeit rechtliches Gehör gewährt."
Anmerkung: Die vom Vater nach § 55 Abs.1 FamFG eigelegte Beschwerde auf Aussetzung der Wirksamkeit der ursprünglich zu Gunsten der Mutter erlassenen einstweiligen Anordnung hatte Erfolg. Damit ist der Fall u.a. ein Beispiel für eines der möglichen Rechtmittel (§ 57 FamFG) gegen eine einstweilige Anordnung in Sorgerechtssachen (§ 57 S.2 Ziff.1 FamFG). Zu einer Angelegenheit von erheblicher Bedeutung gehören auch Reisen in Krisengebiete (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.5.2007 – 16 WF 83/07: Osten der Ukraine; Palandt/ Götz, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1628 Rn. 7). Die zentrale Frage ist, nach welchen Kriterien das geplante Reisezielgebiet als Krisengebiet eingestuft wird. Entscheidender Maßstab war bislang eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Eine solche Reisewarnung lag der Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. nicht zu Grunde. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung zu Auslandsreisen angesichts der weltweit gestiegenen Gefahr terroristischer Angriffe und Unruhen entwickeln wird.
Gemeinsame Entscheidungsbefugnis
Gerichtliche Entscheidungsübertragung
Rechtsgrundlagen
1627 BGB – Gesetzestext
Gemeinsame Entscheidungsbefugnis
Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.
1687 Abs.1 S.1 BGB – Gesetzestext
Gemeinsame Entscheidungsbefugnis nach Trennung
(1) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich.
Angelegenheiten
von erheblicher Bedeutung
In Angelegenheiten, die nicht häufig vorkommen und deren Entscheidung nur schwer wieder rückgängig gemacht werden können und von „erheblicher Bedeutung“ für das Wohl des Kindes sind, besteht grundsätzlich gemeinsame Entscheidungsbefugnis.
- Entscheidungen zum Anlass und Kostenbeteiligung für Mehr- und Sonderbedarf des Kindes, bei Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Anders bei Angelegenheit des täglichen Lebens (§ 1687 Abs.1 S.2 BGB).
- Zustimmung für medizinische Behandlungen (AG Wolfenbüttel); z.B. Impfungen: OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 8.3.2021 – 6 UF 3/21, kinderpsychologische Behandlungen: vgl. z.B. OLG Hamm, Urteil vom 29.09.2015. Corona-Schutzimpfung: Übertragung der Entscheidungsbefugnis für die Corona-Schutzimpfung auf den der Empfehlung der STIKO vertrauenden Elternteil (OLG Frankfurt a.M, Beschluss vom 17.08.2021 - 6 UF 120/21; Opitz, Sorgerechtliche Aspekte der COVID-19-Impfung für Kinder und Jugendliche, in: NZFam 2021, 767).
- Streitigkeiten wegen Urlaub mit einem Elternteil kann die Entscheidungsbefugnis zweifelhaft sein.
- Fragen der religiösen Erziehung. Ab 14 Jahren bestimmen Kinder selbst über ihr religiöses Bekenntnis. Hat das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden (vgl. RelKErzG); Dieter Spürk "Rechtliche Aspekte bei„Sekten“ und "Psychogruppen" - Sekten-Info NRW.
- Vertretung des Kindes (§ 1629 Abs.1 BGB); Ausnahme bei Unterhaltsklagen.
- Die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes.
- Besuch des Kindergartens, der Schule oder sonstiger pädagogischer Maßnahmen oder Internat; Wolfgang Keuter, Der Elternstreit um die Schule des Kindes, in: NZFam 2022, 285.
- Vermögenssorge /-verwaltung für das Kind (§ 1626 Abs.1 S.2 BGB).
- Umgang des Kindes mit dritten Personen (§ 1632 Abs.2 BGB)
- Nutzung sozialer Netzwerke oder Messenger-Dienste:
Aufenthaltsbestimmungsrecht
Entscheidungsbefugnis zum Aufenthalt des Kindes
1631 BGB
Gesetzestext
(1) Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen.
(2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.
(3) Das Familiengericht hat die Eltern auf Antrag bei der Ausübung der Personensorge in geeigneten Fällen zu unterstützen.
Elternstreit
um das Aufenthaltsbestimmungsrecht
Möchten Sie wegen Trennung vom Partner mit Ihren Kindern in eine andere Wohnung umziehen, kann es zum Streit darüber kommen, wo das Kind zu verbleiben hat: in der Wohnung der Mutter oder in der neuen Wohnung des Vaters? Zu klären ist, wo das Kind in Zukunft seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben wird. Es geht um das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Sind beide Eltern sorgeberechtigt, kann kein Elternteil über den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes allein bestimmen.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2022 - 13 UF 156/21
Schulwahl und Aufenthaltsbestimmungsrecht
Orientierungssatz: Ein Elternteil kann im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 1628 BGB die Entscheidungsbefugnis über die Schulwahl auch dann erhalten, wenn damit eine Vorentscheidung über den künftigen Lebensmittelpunkt eines Kindes getroffen wird.
Anmerkung: Die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Bei gemeinsamem Sorgerecht haben beide Eltern einvernehmlich zu entscheiden. An dieser Stelle taucht immer wieder die Frage auf: Welche Konsequenzen treten auf, wenn dem Wegzug des Kindes mit dem anderen Elternteil ins Ausland widersprochen wird? Der BGH hat dazu eine differenzierende Sichtweise. Zum einen kann jeder Elternteil frei entscheiden, wo er nach der Trennung leben möchte. Andererseits sind dabei Aspekte des Kindeswohls zu beachten. Geschieht das nicht, wird dem wegziehenden Elternteil womöglich die Erziehungseignung abgesprochen werden.
Gerichtliche Entscheidungsübertragung
für den Einzelfall
§ 1628 BGB: Keine Einigung bei Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind
Gesetzestext: Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.
OLG Hamm, Urteil vom 29.09.2015 - 26 U 1/15
Einwilligung der Eltern bei medizinischer Behandlung des Kindes
Entscheidungsbefugnisse
nicht sorgeberechtigter Eltern und sonstiger Personen
Sonstige Personen (außer den Eltern) können Entscheidungsbefugnisse aus dem Aufenthalt des Kindes bei diesen Personen ableiten. Siehe dazu §§ 1687a ff. BGB.
Links & Literatur
Links
- Leitfaden für Eltern
- Leitfaden für leibliche Väter
- Themen zum Kind
- Elternkonflikte vor dem Familiengericht
Literatur
- Martin Löhnig/Maria-Viktoria Runge-Rannow, Aktuelle Entwicklung des § 1628 BGB im Zuge der Corona-Pandemie, in: NZFam 2022, 245
- Daniel Wache, Die Entwicklung des Rechts der elterlichen Sorge seit Anfang 2019 (Tei I), in: NZFam 2020, 1084
- Wolfgang Kreuter, Die Entwicklung des Rechts der elterlichen Sorge seit Mitte 2016, in: (Teil I) NZFam 2019, 6 ; (Teil II) NZFam 2019, 54 ; (Teil III) NZFam 2019, 100
- Dieter Büte, Elterliche Sorge: Der Streit um die Taufe, in: FK Familienrecht kompakt 2007, 197
In eigener Sache
- AG Heidelberg - 33 F 35/20, Steit um Aufenthaltbestimmungsrecht im Eilverfahren, unser Az.: 34/ 20 (D3/D148- 20)
- Sorgerechtsentzug wegen Gesprächsverweigerung zwischen den Eltern, unser Az.: 201/ 15
- Der Streit der Eltern um die Kostenbeteiligung für die kieferorthopädische Behandlung des Kindes, unser Az.: 84/ 15
- Der Fahrplan für einen Umzug mit Kindern - Einverständnis des mitsorgeberechtigen Vaters, unser Az.: 231/ 15 (D3/382- 16)