Minderjährige Kinder
Sorgerecht der Eltern

Das Wichtigste in Kürze

  1. Unter Sorgerecht versteht man die Entscheidungskompetenz der Eltern, Angelegenheiten des minderjährigen Kindes für das Kind zu regeln. Nach welchen Richtlinien Eltern diese auszuüben haben, bestimmt § 1626 BGB.
  2. Die Bereiche des Sorgerechts sind in Teilbereiche der Personensorge und der Vermögenssorge unterteilt, und können weiter unterteilt werden in Teilbereiche wie das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und die gesetzliche Vertretung des Kindes, insbesondere die Klagebefugnis für das Kind.
  3. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge getrennt lebender Eltern wird zwischen Angelegenheiten mit alleiniger Entscheidungsbefugnis eines Elternteils und Angelegenheiten, die einer gemeinsamen Entscheidung bedürfen, unterschieden (§ 1687 BGB).

  • Gemeinsames Sorgerecht
    Trennung der Eltern

    Wenn sich die Eltern trennen, kommt es oftmals zum Streit, wer jetzt über Angelegenheiten der Kinder mitzureden und mitbestimmen kann. Mit der Trennung ändert sich grundsätzlich nichts am gemeinsamen Sorgerecht. Es kann jedoch sehr hilfreich sein, die rechtlichen Grundlagen zum gemeinsamen Sorgerecht zu kennen, bevor man unnötig um das Sorgerecht gerichtlich streitet und am Ende riskiert, Teilbereiche des gemeinsamen Sorgerechts zu verlieren. Wir klären Sie über Ihre Entscheidungskompetenzen auf, die Ihnen auch nach Trennung wegen gemeinsamen Sorgerechts zustehen.

    > Wegweiser zum Sorgerecht

  • Gemeinsames Sorgerecht
    und Elternstreit

    Finden die Eltern keine Einigung über wesentliche Angelegenheiten ihres gemeinsamen Kindes (§ 1687 Abs.1 BGB), kann dies Anlass sein, mithilfe des Familiengerichts in den Fortbestand des gemeinsamen Sorgerechts einzugreifen. Damit Sie nicht Gefahr laufen, Ihr Sorgerecht leichtfertig zu verlieren, sollten Sie im Fall eines gerichtlichen Sorgerechtsverfahrens einen erfahrenen Anwalt einschalten.

    > Gemeinsames Sorgerecht aufheben und übertragen


Gemeinsames Sorgerecht
der Eltern

Gemeinsames Sorgerecht
miteinander verheirateter Eltern


Eltern, die bei der Geburt des Kindes miteinander verheiratet sind, steht das Sorgerecht und die Sorgepflicht per Gesetz gemeinsam zu (§ > 1626a Ziff. 2 BGB). Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet, hat jedenfalls die Mutter (§ > 1591 BGB) das alleinige Sorgerecht (§ > 1626a Abs.2 BGB). Dies bedeutet für > Väter, dass sie nicht automatisch (Mit-)Inhaber des elterlichen Sorgerechts sind, weil sie als > biologischer Vater mit dem Kind verwandt sind.

Gemeinsames Sorgerecht
nicht miteinander verheirateter Eltern


Die genetische Abstammung begründet zwar die Verwandtschaft (§ > 1589 BGB), aber noch nicht die gesetzliche Vaterschaft. Jedoch knüpft das Sorgerecht an die Elternschaft (§ > 1591 ff. BGB) und nicht an die Verwandtschaft an. Erst wenn ein Vater eines der gesetzlichen Kriterien nach § 1592 Ziff. 1 bis 3 BGB erfüllt, ist er auch Vater im > Rechtssinne und erst dann auch Vater im Sinne des § > 1626 BGB.
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  • Außergerichtlich erlangt der leibliche Vater das Mitsorgerecht über eine > Sorgerechtserklärung . Die Mutter muss damit einverstanden sein.
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  • Gegen den Willen der Mutter kann der leibliche Vater das (Mit-)Sorgerecht nur über ein gerichtliches > Verfahren nach § 155a FamFG erreichen.
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Was bedeutet Sorgerecht?

§ 1626 BGB
Gesetzestext


(1) Die > Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge > umfasst die Sorge für die Person des Kindes (> Personensorge) und das Vermögen des Kindes (> Vermögenssorge).

(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben > Einvernehmen an.

(3) Zum > Wohl des Kindes gehört in der Regel der > Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

Sorgerecht
bedeutet Entscheidungskompetenz


Was das Sorgerecht der Eltern (= elterliche Sorge) für ein minderjähriges Kind umfasst, bestimmt § > 1626 BGB. Es beinhaltet das Recht und die Pflicht der Eltern (= Vater und Mutter gem. §§ > 1591 ff. BGB) für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge) zu sorgen (> Elternverantwortung). "Sorgen" bedeutet, Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten des Kindes zu treffen. Es geht also um > Entscheidungsbefugnisse der Eltern. Daraus folgt, dass das Sorgerecht im gegenseitigen Einvernehmen zum > Wohl des Kindes auszuüben ist.

Teilbereiche
des Sorgerechts


Das elterliche Sorgerecht kann in Teilbereiche untergliedert werden. Die Personensorge lässt sich weiter auffächern in die Teilbereiche > Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge, gesetzliche Vertretung des Kindes (§ > 1629 BGB). Die Aufsplitterung der Personensorge in Teilbereiche ist wichtig, da u.a. § > 1671 BGB bestimmt, dass Teil-Übertragungen in Frage kommen.

Entscheidungsbefugnisse
bei Mitsorgerecht


Bei gemeinsamer > elterlicher Sorge getrennt lebender Eltern gibt es Angelegenheiten mit > alleiniger Entscheidungsbefugnis und Angelegenheiten, über die die Eltern nur gemeinsam entscheiden dürfen. Angelegenheiten, welche die Personensorge oder die Vermögenssorge nach § > 1626 BGB betreffen und die erhebliche Bedeutung (= verbunden mit schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes) haben, unterliegen der > gemeinsamen Entscheidungsbefugnis (§ > 1627 BGB). Dies gilt auch nach Trennung der Eltern (§ > 1687 Abs.1 S.1 BGB).

Alleinige Entscheidungsbefugnis
in Angelegenheiten des täglichen Lebens

Gemeinsame Entscheidungsbefugnis
in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung

Klagebefugnis
für das Kind

Geht es um > Kindesunterhalt für minderjährige Kinder, stellt sich immer die Frage, wer diesen gegen den anderen Elternteil geltend machen, d.h. im > Unterhaltsverfahren vertreten darf. Mehr dazu

> hier

Alleinige Entscheidungsbefugnis
eines Elternteils

§ 1687 BGB
Gesetzestext


(1) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge > gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Solange sich das Kind mit Einwilligung dieses Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung. § 1629 Abs. 1 Satz 4 und § 1684 Abs. 2 Satz 1 gelten entsprechend.

(2) Das Familiengericht kann die Befugnisse nach Absatz 1 Satz 2 und 4 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum > Wohl des Kindes erforderlich ist.

Anmerkung


Der Elternteil, bei dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, trifft für das Kind allein die Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens (§ 1687 Abs.1 S. 2 BGB). Nach üblicher gerichtlicher Einschätzung (vgl. Heiß, Familienrecht, 3. Aufl., § 3 Rn. 49 f.) gehören folgende Entscheidungen zu den "alltäglichen" Angelegenheiten, die nicht von beiden Eltern gemeinsam getroffen werden müssen:

  • für die Einschaltung von Nachhilfelehrern (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 14.06.2005, Az. 3 UF 55/05);
  • Teilnahme an Klassenfahrten;
  • medizinische Eingriffe, insb. Routineuntersuchungen bei alltäglichen Erkrankungen (Bindehautentzündung) und Kontrolluntersuchungen - etwa beim Augen-, Zahn- oder Kinderarzt - ; anders wohl: Zahnspange;
  • Anträge in Pass- und Ausweisangelegenheiten; die Praxis einiger Passämtern bei bestehender gemeinsamer elterlicher Sorge für die Beantragung von Kinder- oder Personalausweis die Unterschrift beider Eltern zu verlangen, ent­ spricht keiner Rechtsgrundlage.

Führen diese Entscheidungen zu Kosten, die > Mehrbedarf oder > Sonderbedarf des Kindes darstellen, kann den anderen Elternteil die Pflicht zur anteiligen Kostenübernahme treffen, obwohl er nicht seine Zustimmung zu der Maßnahme erteilt hat (> mehr ). Wenn etwa die Mutter für das bei ihr lebende Kind entscheidet, dass das Kind > Nachhilfeunterricht benötigt, hat sich an diesen Kosten der Vater zu beteiligen, auch wenn er nicht gefragt wurde (zur > anteiligen Haftung für Sonder- oder Mehrbedarf > mehr). In Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung entscheidet der umgangsberechtigte Elternteil, solange sich das Kind zur Ausübung des > Umgangs bei ihm aufhält (§ 1687 Abs.1 S. 4 BGB). Zur Erlaubnis und Entscheidungskompetenz wegen > Urlaubsreise mit einem Elternteil > hier

  • Hinweis:
    Was Angelegenheiten des Kindes von erheblicher Bedeutung sind
    > mehr

Urlaubsreise
Angelegenheit des täglichen Lebens?


OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.05.2007 - 17 WF 83/07
Wer entscheidet über die Urlaubsreise mit dem Kind?


Sachverhalt: "Die Parteien streiten um die elterliche Sorge für den am (...) 2006 geborenen Sohn (X). Die Parteien haben am (...) 2003 geheiratet, seit (...) 2006 leben sie, bis Ende (...) 2006 zeitweise innerhalb der Ehewohnung, getrennt. (X) lebt bei der Mutter. Zwischen den Parteien ist weiter ein Umgangsverfahren auf Antrag des Vaters anhängig. Mit Beschluss vom 13.03.2007 hat das Familiengericht Heidelberg durch einstweilige Anordnung einen betreuten Umgang des Vaters mit dem Kind angeordnet (31 F 18/07). Mit dem Sorgerechtsantrag hat die Mutter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts gestellt, dass ihr die Entscheidung über Urlaubsreisen mit & in ihrem Beisein allein übertragen werden soll. Diese Regelung sei erforderlich, nachdem der Vater entgegen seiner zuerst erteilten Zustimmung eine Reise der Mutter mit dem Kind im November 2006 grundlos nicht gestattet habe. Dagegen habe er -unstreitig- im Sommer 2006 einer Reise der Mutter mit dem Kind nach D. zugestimmt. Da die Mutter mit ihrem an Krebs erkrankten Vater noch möglichst viel Zeit mit Urlaubsreisen verbringen wolle, die wegen des wechselnden Krankheitsverlaufs nur kurzfristig gebucht werden könnten, sei ihr gemäß § 1628 BGB die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Urlaubsreisen zu übertragen. (...)

(Auszug aus der Entscheidung) "Die von der Mutter gewünschte Übertragung der Entscheidungsbefugnis für diesen Bereich ist jedoch in diesem Umfang nicht erforderlich. Denn eine Regelung nach § > 1628 BGB setzt voraus, dass es sich bei der streitigen Sachfrage um eine > Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handelt. Nur hinsichtlich dieser Fragen ist gemäß § 1687 BGB ein Konsens zwischen den sorgeberechtigten Elternteilen erforderlich. Nicht jede Urlaubsreise erfüllt jedoch dieses Merkmal. Zwar wird vertreten, dass Reisen kleinerer Kinder in Länder eines ihnen nicht vertrauten Kulturkreises Angelegenheiten von > wesentlicher Bedeutung darstellen (OLG Köln a.a.O. m.w.N.), doch ist dem in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Maßgeblich ist die Situation im geplanten Urlaubsgebiet, ebenso die persönlichen Verhältnisse der Familie (vgl. Senat, B. v. 23.12.2004, 16 UF 156/04: Urlaubsreise eines 11-jährigen mit dem Vater nach China ist keine Angelegenheit von wesentlicher Bedeutung, nachdem die Familie mit dem chinesischen Kulturkreis vertraut ist). So gibt es auch außereuropäische Urlaubsziele, die nach Ansicht des Senats ohne Zustimmung des anderen Elternteils besucht werden können. Danach sind die bisher von der Mutter mit dem Kind durchgeführten Reisen nach D. und die Do. unter dem Hintergrund fehlender Reisewarnungen für diese Gebiete, der gebuchten Hotels und der klimatischen Verhältnisse nicht als Angelegenheiten von wesentlicher Bedeutung anzusehen mit der Folge, dass eine Zustimmung des Vaters zu derartigen Reisen entbehrlich ist."

OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 21.07.2016 - 5 UF 2016/16
Urlaubsreise mit Kind in die Türkei bei politischen Unruhen im Sommer 2016


Sachverhalt: "Die Kindesmutter beabsichtigt, vom [...] 07.2016 bis....08.2016 mit ihrem 8-jährigen Sohn eine Urlaubsreise in die Türkei durchzuführen. Es handelt sich um einen Badeurlaub, der einen Flug von Frankfurt nach Antalya, den Transfer vom Flughafen Antalya zum Hotel in X, den dortigen Hotelaufenthalt bis [...] 08.2016, den Rücktransfer zum Flughafen Antalya und den Rückflug von Antalya nach Frankfurt am Main umfasst. Die Kindesmutter hat diese Reise im Januar 2016 gebucht. Die Kindeseltern sind geschieden und haben das > gemeinsame Sorgerecht für das Kind. Im Mai 2016 hat sie den Kindesvater um Zustimmung zu der beabsichtigten Reise gebeten. Dieser hat die Zustimmung versagt und dies damit begründet, dass er eine Türkeireise vor dem Hintergrund der politischen Lage und einer eventuellen Terrorgefahr zu gefährlich für das Kind halte. Die Kindesmutter hat beim Amtsgericht Offenbach mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 29.06.2016, der am 01.07.2016 beim Amtsgericht einging, ein > Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag eingeleitet, die > Zustimmung des Kindesvaters zu der Reise zu ersetzen . Dem ist der Kindesvater entgegen getreten. Er hält die Reise im Hinblick auf die bestehende Terrorgefahr für zu gefährlich und ist der Ansicht, die Kindesmutter hätte diese Reise wegen der zwischenzeitlichen Anschläge in Istanbul längst stornieren können und müssen. Auch wenn die Anschläge nicht in der Baderegion stattfanden, seien die Gefahren derzeit nicht abschätzbar. So könne es etwa zu Anschlägen am Flughafen Antalya oder während des Transfers vom Flughafen zum Hotel kommen. Das Amtsgericht Offenbach hat nach Durchführung eines Anhörungstermins mit Beschluss vom 14.07.2016 im Wege der einstweiligen Anordnung der Kindesmutter die Befugnis übertragen, über die Durchführung der Türkeireise mit dem 8-jährigen Sohn alleine zu entscheiden (§ 1628 BGB). Die geplante Urlaubsreise stelle angesichts der im Raume stehenden Möglichkeit von terroristischen Anschlägen keine > alltägliche Angelegenheit, sondern eine > Angelegenheit von erheblicher Bedeutung dar, weshalb es der Übertragung der Entscheidungsbefugnis bedürfe, um die Reise durchführen zu können. Die Entscheidungsbefugnis sei der Mutter zu übertragen, da dies dem Wohl des Kindes am besten entspreche. Wie die Anhörung des Kindes gezeigt habe, freue sich A auf den Urlaub, da er noch nie einen richtigen Badeurlaub gemacht habe. Er habe auch keine Angst vor der Urlaubsreise. Ohne die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf die Mutter sei davon auszugehen, dass keine Urlaubsreise durchgeführt werden könne oder die Mutter lediglich in ein Hotel umbuchen könne, dass deutlich weniger kindgerechte Angebote biete als die gebuchte Reise. Im Übrigen sei der Vater auch nicht bereit gewesen, einen finanziellen Beitrag dazu zu leisten, dass A in einer eventuell weniger gefährdeten Region mit gleichem Komfortstandard Urlaub machen könne. Zudem habe er sich bereits mit Freunden, die ebenfalls mit ihren Familien in der dortigen Region Urlaub machen, am Urlaubsort verabredet. Da nur eine entfernte Gefahr bestehe, würden die Nachteile, die eine Nichtdurchführung der Urlaubsreise für A mit sich brächten, diejenigen überwiegen, die bei Durchführung der Reise drohen. Hiergegen wendet sich der Kindesvater mit seiner Beschwerde. Er macht geltend, dass sich durch die Ereignisse, die nach der Beschlussfassung in der Türkei stattgefunden haben, die Gefährdung für das Kind durch eine solche Urlaubsreise noch konkreter geworden sei. Im Hinblick darauf, dass Gefahr für Leib und Leben des Kindes bestehe, sei es geboten, die Reise zu verwehren. Die Probleme, die eine Umbuchung mit sich bringen, seien nicht ihm anzulasten. Die Mutter sei erst im Mai wegen der bereits von ihr im Januar gebuchten Reise an ihn herangetreten. Es fehle ihm auch nicht an der Bereitschaft, einen finanziellen Beitrag zu den mit einer Umbuchung verbundenen Mehrkosten zu leisten, ihm würden allerdings die finanziellen Mittel hierzu fehlen. Es sei nicht hinzunehmen, dass das Kind vorsätzlich einer solchen Gefahr ausgesetzt wird, zumal es auf dem Reisemarkt eine Vielzahl von Alternativen gebe.

Die Kindesmutter verteidigt den angefochtenen Beschluss. Es gebe keine Sicherheitswarnung des Auswärtigen Amtes hinsichtlich Reisen in die Ferienregion von X. Daran habe sich auch durch den Putschversuch nichts geändert. Die Reise bringe das Kind nicht in die gefährdeten Regionen. Die abstrakten Gefahren durch die geplante Reise seien nicht höher als bei anderen Reisezielen. Die Kindesmutter sei bei Buchung der Reise davon ausgegangen, dass es der Zustimmung des Kindesvaters nicht bedürfe. Bei der dann im Mai nachgesuchten Zustimmung sei es nur darum gegangen, dass der Kindesvater einen Vordruck der Bundespolizei unterzeichnet, die dem Grenzschutz die Ausreisekontrolle erleichtere. Eine ausdrückliche Verweigerung der Zustimmung sei ihr erst am 27.06.2016 zugegangen. Der Senat hat zur Frage einer Aussetzung der Wirksamkeit rechtliches Gehör gewährt."

Anmerkung: Die vom Vater nach § 55 Abs.1 FamFG eigelegte Beschwerde auf Aussetzung der Wirksamkeit der ursprünglich zu Gunsten der Mutter erlassenen einstweiligen Anordnung hatte Erfolg. Damit ist der Fall u.a. ein Beispiel für eines der möglichen > Rechtmittel (§ 57 FamFG) gegen eine einstweilige Anordnung in Sorgerechtssachen (§ 57 S.2 Ziff.1 FamFG). Zu einer > Angelegenheit von erheblicher Bedeutung gehören auch Reisen in Krisengebiete (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.5.2007 – 16 WF 83/07 : Osten der Ukraine; Palandt/ Götz, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1628 Rn. 7). Die zentrale Frage ist, nach welchen Kriterien das geplante Reisezielgebiet als Krisengebiet eingestuft wird. Entscheidender Maßstab war bislang eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Eine solche Reisewarnung lag der Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. nicht zu Grunde. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung zu Auslandsreisen angesichts der weltweit gestiegenen Gefahr terroristischer Angriffe und Unruhen entwickeln wird.

Gemeinsame Entscheidungsbefugnis
Gerichtliche Entscheidungsübertragung

Rechtsgrundlagen



1627 BGB
- Gesetzestext
Gemeinsame Entscheidungsbefugnis


Die Eltern haben die elterliche Sorge in > eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum > Wohl des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.

1687 Abs.1 S.1 BGB - Gesetzestext
Gemeinsame Entscheidungsbefugnis nach Trennung


(1) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in  Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich.

§ 1628 BGB - Gesetzestext
Angelegenheit von erheblicher Bedeutung - gerichtliche Eingriffsbefugnis


Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.

Angelegenheiten
von erheblicher Bedeutung


In Angelegenheiten, die nicht häufig vorkommen und deren Entscheidung nur schwer wieder rückgängig gemacht werden können und von "erheblicher Bedeutung" (§ > 1628 BGB) für das Wohl des Kindes sind, besteht grundsätzlich gemeinsame Entscheidungsbefugnis. Hier müssen die Eltern versuchen sich bei Meinungsverschiedenheiten zu einigen (§ > 1627 S.2 BGB). Die Abgrenzung zwischen Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung und Angelegenheiten des täglichen Lebens entspricht der in § 1687 BGB. Neben der Schutzimpfung (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 8.3.2021 – 6 UF 3/21 ) können das sein: Vorname; Aufenthaltsbestimmung; Ausbildungs- und Berufswahl, Wahl der Schulart und Schule; Internat; Besuch einer Kindertagesstätte, Sprachreise in politische Krisengebiete; Religionswahl, zweckmäßige Verwaltung des Kindesvermögens; Ausschlagung einer dem Kind angefallenen Erbschaft, Nutzung sozialer Netzwerke oder Messenger-Dienste:


Gerichtliche Entscheidungsübertragung
§ 1628 BGB: Keine Einigung bei Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind


Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis
in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung


 
Loewe

OLG Oldenburg, Beschluss vom 24.05.2018 - 13 W 10/18
Erfordernis der Zustimmung beider getrenntlebender Elternteile für die Veröffentlichung von Fotos eines Kindes auf einer kommerziellen Zwecke dienenden Internetseite,


Anmerkung: Dürfen Bilder von Kindern ohne Zustimmung der Sorgeberechtigen im Internet veröffentlicht werden? Nein, sagt das OLG Oldenburg. Zur Begründung wird nicht nur auf § 22 KunstUrhG hingewiesen, der Bildveröffentlichungen nur mit Einwilligung des Abgebildeten erlaubt. Weiter erklärt das Gericht, die Bildveröffentlichung zu einer Angelegenheit von "erheblicher Bedeutung" für das Kind (§ > 1628 BGB).

OLG Hamm, Urteil vom 29.09.2015 - 26 U 1/15
Einwilligung der Eltern bei medizinischer Behandlung des Kindes


Anmerkung: Eine Operation bei einem minderjährigen Kind bedarf grundsätzlich der > Zustimmung beider sorgeberechtigter Eltern. Erscheint nur ein Elternteil mit dem Kind beim Arzt, darf dieser abhängig von der Schwere des Eingriffs unter Umständen ausnahmsweise darauf vertrauen, dass auch der abwesende Elternteil in den ärztlichen Eingriff eingewilligt hat. Weitere Rechtsprechung finden Sie > hier. Erscheint eine Einigung nicht möglich, kann die (Allein-)Entscheidungskompetenz per Gerichtsbeschluss für einzelne Angelegenheiten und für den konkreten Einzelfall auf einen Elternteil übertragen werden (§ > 1628 BGB). Wie üblich sind die > Kriterien des Kindeswohls > Maßstab für die gerichtliche (Einzelfall-)Entscheidung (§ > 1697a BGB). Nach § > 1628 BGB kann das Gericht sich über den Willen eines (mit-)entscheidungsbefugten Elternteils hinwegsetzen, indem es die alleinige Entscheidungsbefugnis für die einzelne Angelegenheit punktuell auf einen Elternteil überträgt. Doch muss für eine solche gerichtliche Entscheidung eine Angelegenheit des Kindes von > "erheblicher Bedeutung" betreffen. Hat die gerichtliche Streitentscheidung keine "erhebliche Bedeutung" für das Kind im Sinne des § > 1628 S.1 BGB bzw. § 1678 Abs.1 S.1 BGB, kann das Gericht keine Entscheidung über den Elternstreit treffen. Denn einer der Eltern hat in diesem Fall die alleinige Entscheidungsbefugnis in > "Fragen des täglichen Lebens".

Aufenthaltsbestimmungsrecht
Entscheidungsbefugnis zum Aufenthalt des Kindes

1631 BGB
Gesetzestext


(1) Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen > Aufenthalt zu bestimmen .

(2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.

(3) Das Familiengericht hat die Eltern auf Antrag bei der Ausübung der Personensorge in geeigneten Fällen zu unterstützen.

Elternstreit
um das Aufenthaltsbestimmungsrecht


Möchten Sie wegen Trennung vom Partner mit Ihren Kindern in eine andere Wohnung umziehen, kann es zum Streit darüber kommen, wo das Kind zu verbleiben hat: In der Wohnung der Mutter oder in der neuen Wohnung des Vaters? Zu klären ist, wo das Kind in Zukunft seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben wird. Es geht um das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Sind > beide Eltern sorgeberechtigt, kann kein Elternteil über den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes allein bestimmen. Die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts ist eine Angelegenheit von > erheblicher Bedeutung für das Kind. Bei > gemeinsamen Sorgerecht haben beide Eltern > einvernehmlich zu entscheiden haben. An dieser Stelle taucht immer wieder die Frage auf, ob bei gemeinsamem Sorgerecht die Freizügigkeit eines Elternteils eingeschränkt ist, sprich: kann man nach der Trennung mit dem Kind vom anderen Elternteil wegziehen, ins Ausland übersiedeln oder geht das nur mit Einverständnis des anderen Elternteils? Der BGH hat dazu eine differenzierende Sichtweise. Zum einen kann jeder Elternteil frei entscheiden, wo er nach der Trennung leben möchte. Andererseits sind dabei Aspekte des > Kindeswohls zu beachten. Geschieht das nicht, wird dem wegziehenden Elternteil womöglich die Erziehungseignung abgesprochen werden.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2022 - 13 UF 156/21
Schulwahl und Aufenthaltsbestimmungsrecht


Orientierungssatz: Ein Elternteil kann im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 1628 BGB die Entscheidungsbefugnis über die Schulwahl auch dann erhalten, wenn damit eine Vorentscheidung über den künftigen Lebensmittelpunkt eines Kindes getroffen wird.

Elternstreit
um Umgang mit dem Kind

Isoliert neben dem Sorgerecht steht das > Umgangsrecht und komplettiert die gemeinsame > Elternverantwortung auch nach > Trennung der Eltern. Das Umgangsrecht betrifft das > Kontaktrecht des Kindes und der Eltern zum Kind. Das Sorgerecht betrifft die > Entscheidungsbefugnisse, d.h. das Mitspracherecht in Angelegenheiten von > erheblich er Bedeutung, die das Kind betreffen.

Entscheidungsbefugnisse
nicht sorgeberechtigter Eltern und sonstiger Personen

Sonstige Personen (außer den Eltern) können Entscheidungsbefugnisse aus dem Aufenthalt des Kindes bei diesen Personen ableiten. Siehe dazu §§ 1687a ff. BGB.

  • § 1687a BGB - Entscheidungsbefugnisse des nicht sorgeberechtigten Elternteils
  • § 1687b BGB - Sorgerechtliche Befugnisse des Ehegatten
  • § 1688 BGB - Entscheidungsbefugnisse der Pflegeperson


Links & Literatur



Links



Literatur



In eigener Sache


  • AG Heidelberg - 33 F 35/20, Steit um Aufenthaltbestimmungsrecht im Eilverfahren, unser Az.: 34/ 20 (D3/D148- 20)
  • Sorgerechtsentzug wegen Gesprächsverweigerung zwischen den Eltern, unser Az.: 201/ 15
  • Der Streit der Eltern um die Kostenbeteiligung für die kieferorthopädische Behandlung des Kindes, unser Az.: 84/ 15
  • Der Fahrplan für einen Umzug mit Kindern - Einverständnis des mitsorgeberechtigen Vaters, unser Az.: 231/ 15 (D3/382- 16)