Unterhalt für Ehegatten
ermitteln und prüfen

Das Prüfungsschema zum > Ehegattenunterhalt folgt einem > Grundschema. Es basiert auf > fünf Prüfungsebenen. Eine Besonderheit des Ehegattenunterhalts ist die Vielzahl möglicher Anspruchsgrundlagen und seine > Dreiteilung nach den Phasen einer Ehe (Intakte Ehe - Ehe in der Krise ab Trennung - geschiedenen Ehe). Das folgende Prüfungsschema gilt für sämtliche Unterhaltsansprüche des Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten:
> mehr


Anspruchsgrundlagen
nach Zeitabschnitten

Die Suche nach der richtigen Anspruchsgrundlage (> erste Prüfungsebene zum Unterhaltsanspruch) richtet sich beim Ehegattenunterhalt nach > Ehephasen. Mit Übertritt der Ehe in eine neue Phase (Trennungsphase oder nacheheliche Phase) verändert sich die Anspruchsgrundlage.


Unterhalt
ab Eheschließung



Unterhalt
ab Trennung



Unterhalt
ab Scheidung



§ 1569 BGB
Gesetzestext


Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Ist er dazu außerstande, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nur nach den folgenden Vorschriften.

Anmerkung: Es muss ein Unterhaltsgrund (Erwerbshindernis) nach § 1570 bis § 1576 BGB einschlägig sein. Entsprechend den Gründen, die eine eigenverantwortliche Bedarfsdeckung unmöglich oder unzumutbar erscheinen lassen, werden die Anspruchsgrundlagen für einen nachehelichen Unterhalt aufgefächert.


Bedarf
des Ehegatten

Die Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt ist mit das Anspruchsvollste, was das Unterhaltsrecht zu bieten hat. Es gibt eine schier unüberschaubare Menge an höchstrichterlicher Rechtsprechung zu diesem Thema. Auf dieser fußt alles, was man zum Unterhaltsbedarf eines Ehegatten wissen muss. Denn Berechnungsformeln können Sie im Gesetz lange suchen: Die gibt es nicht. Das > Gesetz gibt nur den Begriff der > "ehelichen Lebensverhältnisse" als Maß für die Bedarfsermittlung vor. An diesem Begriff ranken und reiben sich dann rechtstheoretische > Gedankenmodelle. Teilweise wurden die Grenzen des Begriffs derart überdehnt, dass > im Jahr 2011 das Bundesverfassungsgericht den BGH in die Schranken weisen musste und die Theorie der "wandelbaren Lebensverhältnisse" jenseits des Verfassungsrechts stellte. Die Bedarfsermittlungsdebatte ist derart umfangreich, dass wir ihr eine > eigene Seite gewidmet haben.
> mehr


Bedürftigkeit
des Ehegatten

§ 1577 BGB
Gesetzestext


(1) Der geschiedene Ehegatte kann den Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1573, 1575 und 1576 nicht verlangen, solange und soweit er sich aus seinen Einkünften und seinem Vermögen selbst unterhalten kann.

(2) Einkünfte sind nicht anzurechnen, soweit der Verpflichtete nicht den vollen Unterhalt (§§ 1578 und 1578b) leistet. Einkünfte, die den vollen Unterhalt übersteigen, sind insoweit anzurechnen, als dies unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Billigkeit entspricht.

(3) Den Stamm des Vermögens braucht der Berechtigte nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre.

(4) War zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu erwarten, dass der Unterhalt des Berechtigten aus seinem Vermögen nachhaltig gesichert sein würde, fällt das Vermögen aber später weg, so besteht kein Anspruch auf Unterhalt. Dies gilt nicht, wenn im Zeitpunkt des Vermögenswegfalls von dem Ehegatten wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.


Anmerkungen


Nachehelichen Unterhalt gibt es entsprechend dem Grundsatz "Eigenverantwortung vor Unterhalt" nur dann, wenn der bedürftige Ehegatte darlegen und beweisen kann, dass er trotz Erfüllung seiner > ERWERBSOBLIEGENHEITEN nicht in der Lage ist, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen (§ 1569 BGB). Die Gründe für die fehlende Kraft zur selbständigen Bedarfsdeckung sind vielschichtig. Die Gründe sind aber dafür maßgebend, nach welcher Anspruchsgrundlage sich ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ergeben könnte. Solange und soweit der Unterhalt fordernde Ehegatte aus seinen Einnahmen und seinem Vermögen seinen Bedarf decken kann, ist er nicht bedürftig (§ 1577 Abs.1 BGB). Hier geht es um die Frage, inwieweit Einkommen und Vermögen des Unterhaltsberechtigten auf der Prüfungsebene BEDÜRFTIGKEIT einzusetzen ist. Auf dieser dritten Prüfungsebene kommt nun die volle Breite um den Streit der > ERWERBSOBLIEGENHEITEN des unterhaltbedürftigen Ehegatten zum Tragen. Aus den gesetzlichen Vorschriften zur Bedürftigkeit des Ehegatten lässt sich eine allgemeine Berechnungsformel zur Feststellung der Bedürftigkeit herleiten:


Berechnungsformel

zur Bedürftigkeit



Leistungsfähigkeit
des unterhaltspflichtigen Ehegatten

Angemessener
Eigenbedarf


Mit der Frage (wie hoch ist dieser Eigenbedarf?), beschäftigt sich die Prüfungsebene > "Leistungsfähigkeit". Wird der Ehegattenunterhalt nach Einkommensquote ermittelt. Bestimmt sich nicht nur der Bedarf beider Ehegatten nach dem > Halbteilungsgrundsatz, sondern auch die Leistungsfähigkeit. Da die Bedarfsermittlung nach Halbteilungsgrundsatz stets auf dem individuellen Gesamteinkommen der Ehegatten basiert, gibt es im Anwendungsbereich der > Quotenbedarfsermittlung keine fixen Eigenbedarfssätze. Die > Selbstbehaltssätze der Düsseldorfer Tabelle spielen in der Praxis beim Ehegattenunterhalt eine weitaus geringere Rolle, als beim Kindesunterhalt. Sie bilden nur die unterste mögliche Belastungsgrenze und den Endpunkt der Leistungsfähigkeit des Ehegatten.

  • Weiterführende Links:
    » Leistungsfähigkeit nach Halbteilungsgrundsatz
    » Leistungsfähigkeit nach Selbstbehaltsatz
    » Leistungsfähigkeit nach Vermögen

  • Mehrere Ehegattenunterhaltsverpflichtungen:

    Häufig stellt sich bei Wiederheirat die Frage, welchen Einfluss die damit hinzukommenden Unterhaltspflichten gegenüber dem neuen Ehegatten auf den Anspruch des Ex-Ehegatten auf nachehelichen Unterhalt haben. Ändert sich dann die Bedarfsermittlung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs, weil vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen die hinzukommende Unterhaltsbelastung in Abzug zu bringen ist oder wird die hinzukommende Unterhaltsbelastung nur bei der LEISTUNGSFÄHIGKEIT berücksichtigt? Der BGH hat entschieden, dass die neue Ehe keine Wirkung auf der Bedarfsebene zeigt, sondern erst der Ebene der Leistungsfähigkeit.

    BGH, Urteil v. 07.12.2011 - XII ZR 159/09

    Leitsatz:
    Zur Berücksichtigung der nach Wiederverheiratung des Unterhaltspflichtigen entstandenen Unterhaltspflicht gegenüber dem neuen Ehegatten als sonstige Verpflichtung im Rahmen der Leistungsfähigkeit (im Anschluss an Senatsurteil vom 7. Dezember 2011 - XII ZR 151/09).
    Anmerkung: Sind Unterhaltsansprüche der jetzigen und der vorherigen Ehefrau gleichrangig zu berücksichtigen, wird zur Feststellung der Leistungsfähigkeit das Einkommen des Mannes und der beiden Frauen zusammengerechnet und dann durch drei geteilt (BGH, Beschluss vom 07.05.2014 - XII ZB 258/13 ; zum Rechenweg bei mehreren Ehegatten, Gutdeutsch, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 9. Aufl., 2015, § 5 Rn 124


Formel

zur Leistungsfähigkeit



= Leistungsfähigkeit des Ehegatten


Begrenzen
herabsetzen - befristen

Begrenzen


Auf der fünften Prüfungsebene zum Ehegattenunterhalt wird die Möglichkeit der Unterhaltsbegrenzung geprüft. Zur Begrenzung und Versagung von > Trennungsunterhalt verweist § > 1361 Abs.3 BGB auf die unmittelbar für den > nachehelichen Unterhalt geltenden Vorschriften des § > 1579 Nr. 2 bis 8 BGB. Damit ist klargestellt, dass § 1579 BGB für jede Art eines Ehegattenunterhaltsanspruchs ab > Trennung gilt.
> mehr


Herabsetzen - Befristen


Ist nach Rechtskraft der Scheidung ein > nachehelicher Unterhaltsanspruch gegeben, so hält dieser nicht ewig. Unabhängig von Loyalitätsverletzungen nach § > 1579 BGB endet nachehelicher Unterhaltsanspruch, wenn das in der Ehe angelegte Band der Solidarität seine Strahlkraft verliert und die nach der Scheidung noch festgestellte Nachwirkung immer schwächer wird und aufgrund zeitlicher Distanz zur ehemaligen Ehe und Veränderung von Lebensumständen bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Dieses Prinzip bringt § > 1578b BGB mit den Möglichkeiten einer > Herabsetzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts zum Ausdruck.
> mehr


Links & Literatur


Links



Literatur


  • Winfried Born, 40 Jahre Ehegattenunterhalt - Erfolgsgeschichte oder Zickzackkurs, in: FF 2017, 236 ff
  • Hans-Ulrich Graba, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Unterhaltsrecht im Jahr 2015, in: FF 2016, 139
  • OLG Koblenz, Beschluss vom 19.02.2016 - 13 WF 22/16 , nachehelicher Unterhalt und Einsatzzeitpunkte, BeckRS 2016, 04021