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ist immer dann gegeben, wenn ein Familienmitglied über eine ausländische Staatsangehörigkeit verfügt, staatenlos ist oder den gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat. Dann sind für jede einzelne Angelegenheit des Familienrechts immer zwei Fragen vorab zu klären:
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Liegt eine Unterhaltssache mit > internationalem Bezug vor, haben Gerichte stets ihre internationale Zuständigkeit zu prüfen. Die primäre Rechtsquelle für die Antwort auf die Frage nach der internationalen Zuständigkeit europäischer Gerichte ist die Verordnung (EU) Nr.4/2009 > EuUnthVO. Das > AUG setzt für deutsche Gerichte die Prüfung der internationalen Zuständigkeit nach den europäischen Vorgaben der EuUnterhaltsVO in deutsches Gesetzesrecht um. Ist auf den Fall die EUUnthVO nicht anwendbar, richtet sich die internationale Zuständigkeit nach dem LugÜ (> Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-und Handelssachen vom 30.Oktober 2007 (ABl. EU 2009 Nr. L147, S.5).
Die EuUnthVO gilt innerhalb der Mitgliedstaaten der EU (örtlicher Anwendungsbereich), wobei immer der Sonderstatus des Vereinigten Königreichs, Irlands und Dänemarks zu beachten ist. Der sachliche Anwendungsbereich der > EuUnthVO setzt keinen besonderen Unionsbezug voraus (MüKoFamFG/Lipp, 3. Aufl. 2013, Art. 1 EuUnterhaltsVO Rn. 71; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 36. Aufl. 2015, Vor Art. 1 Rn. 18). Sie gilt nicht nur innerhalb der Mitgliedstaaten iSd Art. 1 Abs.1 EuUnterhaltsVO, sondern erfasst auch die sog. Drittstaatenfälle (vgl. Art. 3, 6, 7 EuUnterhaltsVO sowie Erwägungsgrund Nr. 15). Ihr Anwendungsbereich ist immer dann eröffnet, wenn es um eine Unterhaltspflicht aufgrund eines Familienverhältnisses iS ihres Art. 1 EuUnterhaltsVO geht. Sie erfasst freilich keine reinen Inlandsfälle; aus den Erwägungsgründen (Nr. 1, 3, 4, 30, 31, 33, 45) folgt (hierzu ausführlich Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, 4. Aufl. 2015, Art. 3 EuUnterhaltsVO Rn. 15 ff.), dass sie nur die grenzüberschreitende Unterhaltsdurchsetzung erfassen möchte.
Zuständig für Entscheidungen in > Unterhaltssachen in den Mitgliedstaaten ist
In aller Regel wird der Unterhaltsgläubiger das Gericht am Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts anrufen können.
Die Zuständigkeit nach Art. 3 EuUnthVO bestimmt sich ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt. Der gewönliche Aufenthalt einer Person ist ein Rechtsbegriff, der ein tatsächliches Verhältnis beschreibt. Der gewöhnliche Aufenthalt wird in europäischen Verordnungen (EuEheVOR, EuUnthVO, EuEheGÜVO etc.) nicht definiert. Nationale Vorschriften sind für die Auslegung nicht maßgebend. Vielmehr ist der Begriff aus den europäischen Verordnung selbstheraus auszulegen (vgl. > OLG Köln, Beschluss vom 22.05.2017 - 10 UF 46/17: Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne con Art. 3 Brüssel IIA-VO). Damit unterbleibt ein Verweis auf nationales Recht. Nach deutschem Recht findet man einen Hinweis zum "gewöhnlichen Aufenthalt" in > § 9 AO. Meist wird er als Daseinsmittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse interpretiert. Der gewöhnliche Aufenthalt wird in erster Linie begründet durch die tatsächliche Aufenthaltsdauer und die daraus faktisch entstandenen Bindungen, ist aber unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Dauer, der Regelmäßigkeit und der Umstände eines Aufenthaltes festzustellen. Bei vorübergehenden, insbesondere bei beruflich indizierten Aufenthalten kommt es darauf an, ob der Betreffende mit der Niederlassung auch eine persönliche und familiäre Integration anstrebte; erst wenn am Berufsort mehr neue persönliche Beziehungen begründet worden sind als im Heimatort, kann der gewöhnliche Aufenthalt neu zu bestimmen sein. Der gewöhnliche Aufenthalt ist Anknüpfungspunkt für zahlreiche Rechtsfolgen, so beispielsweise im Kollisionsrecht oder im Familienrecht.
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Bei Kindern mit Auslandsaufenthalt zu Ausbildungszwecken kann umstritten bzw. unklar sein (z.B. BGH, Urteil vom 05.02.1975 - IV ZR 103/3, zum gewöhnlichen Aufenthalt i.S. des Haager Übereinkommens bei > Internatsaufenthalt eines 5-jährigen Kindes im Ausland). Hier wird vor allem auf den Schwerpunkt der Bindungen des Kindes und weniger auf den Wohnsitzbegriff abgestellt (vgl. > OLG Koblenz, Urteil vom 4.03.2015 - 13 UF 825/14; EuGH FamRZ 2011, 617). Durch zeitweilige Abwesenheit, auch von längerer Dauer, wird der gewöhnliche Aufenthalt normalerweise nicht aufgehoben, sofern die Absicht besteht, an den früheren Aufenthaltsort zurückzukehren (vgl. Keidl, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 3 Rn 9ff). Das wird insbesondere regelmäßig dann gelten, wenn jemand sich außerhalb des Wohnorts seiner Eltern ausbilden lässt. Der Meldewohnsitz eines Studierenden bei seinen Eltern oder seinem Elternteil bleibt in diesem Sinne Wohnsitz auch dann, wenn der Studierende zu Zwecken seines Studiums sich außerhalb niederlässt, sich aber nicht schon gänzlich vom Domizil bei den Eltern lösen will. Liegt es im Grundsatz so, dann bleibt der inländische Wohnsitz auch dann bestehen, wenn ein Studierender für eine längere, aber an sich befristete Zeit das Inland verlässt, um ein Studium oder einen Studienabschnitt im Ausland zu verbringen. Klassische Indizwirkung für den beibehaltenen Wohnsitz im Inland hat so der Umstand, dass ein studierendes Kind im elterlichen Anwesen oder der elterlichen Wohnung weiterhin ein Zimmer oder eine Wohnung hat und die polizeiliche Anmeldung aufrechterhalten bleibt.
Sofern sich nach Art.3 lit.a) und b) EuUnthVO eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt, ist das örtlich zuständige Familiengericht mithilfe von § > 28 AUG zu bestimmen. Gemäß § 28 Abs. 1 AUG erfolgt jedoch insoweit eine örtliche Zuständigkeitskonzentration dahin gehend, als dass über Anträge in Unterhaltssachen in den Fällen des Art.3 lit.a) und b) der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 das für den Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk der Antragsgegner oder der Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt, zuständige Amtsgericht entscheidet. Befindet sich das am Aufenthaltsort eines der Beteiligten Familiengericht, das z.B. dem OLG-Bezirk München angehört, ist das Unterhaltsverfahren aufgrund dieser Zuständigkeitskonzentration das > Amtsgericht München - Familiengericht örtlich zuständig.
Art. 4 und Art.5 > EuUnthVO ermöglichen Ausnahmen von Art.3 EuUnthVO, wenn einvernehmlich davon abgewichen werden soll. Besonders zu beachten ist, dass solche Gerichtsstandsvereinbarungen nicht beim Kindesunterhalt für minderjährige Kinder möglich ist (Art. 4 EuUnthVO):
(1) Die Parteien können vereinbaren, dass das folgende Gericht oder die folgenden Gerichte eines Mitgliedstaats zur Beilegung von zwischen ihnen bereits entstandenen oder künftig entstehenden Streitigkeiten betreffend Unterhaltspflichten zuständig ist bzw. sind:
a) ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem eine der Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat;
b) ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit eine der Parteien besitzt;
c) hinsichtlich Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten oder früheren Ehegatten
i) das Gericht, das für Streitigkeiten zwischen den Ehegatten oder früheren Ehegatten in Ehesachen zuständig ist,
oder
ii) ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Ehegatten mindestens ein Jahr lang ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Die in den Buchstaben a, b oder c genannten Voraussetzungen müssen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung oder zum Zeitpunkt der Anrufung
des Gerichts erfüllt sein. Die durch Vereinbarung festgelegte Zuständigkeit ist ausschließlich, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren.
(2) Eine Gerichtsstandsvereinbarung bedarf der Schriftform. Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, erfüllen die Schriftform.
(3) Dieser Artikel gilt nicht bei einer Streitigkeit über eine Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind, das noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat.
(4) Haben die Parteien vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Staates, der dem am 30. Oktober 2007 in Lugano unterzeichneten Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachstehend „Übereinkommen von Lugano“ genannt) angehört und bei dem es sich nicht um einen Mitgliedstaat handelt, ausschließlich zuständig sein soll bzw. sollen, so ist dieses Übereinkommen anwendbar, außer für Streitigkeiten nach Absatz 3.
Sofern das Gericht eines Mitgliedstaats nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, wird es zuständig, wenn sich der Beklagte auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen.
Anmerkung: Danach ist die Rüge des Mangels der internationalen Zuständigkeit dann verspätet, wenn sie erst nach Abgabe derjenigen Stellungnahme erhoben wird, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist (vgl. EuGH Urteil vom 24.06.1981 - 150/80 - Juris). Anders als z.B. nach § 39 ZPO muss die Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit deshalb bereits in der ersten Antrags-/Klageerwiderung enthalten sein (vgl. OLG Celle Urteil vom 26.03.2008 - 3 U 238/07 - Juris und Musielak/Stadler ZPO 11. Aufl. 2014 Art. 24 EuGVVO Rn. 3). Bereits die Erklärung der Absicht der Verteidigung ohne gleichzeitiger Rüge der nationalen Zuständigkeit führt, ist bereits ein "rügeloses Einlassen" i.S.d. Art. 5 EuUnthVO (Michael Dimmler, Richter am OLG Stuttgart). Das wird in der Praxis äufig übersehen, sodass die Zustädigkeit über rügeloses Einlassen häufig vorkommt.
Ergibt sich weder eine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats gemäß der Artikel 3, 4 und 5 noch eine Zuständigkeit eines Gerichts eines Staates, der dem Übereinkommen von Lugano angehört und der kein Mitgliedstaat ist, gemäß der Bestimmungen dieses Übereinkommens, so sind die Gerichte des Mitgliedstaats der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Parteien zuständig. Damit kann entgegen Art.3 EuUthVO auch für den Unteraltspflichtige eine Zustädigkeit im Inland bergründet sein.
Ergibt sich keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats gemäß der Artikel 3, 4, 5 und 6, so können die Gerichte eines Mitgliedstaats in Ausnahmefällen über den Rechtsstreit entscheiden, wenn es nicht zumutbar ist oder es sich als unmöglich erweist, ein Verfahren in einem Drittstaat, zu dem der Rechtsstreit einen engen Bezug aufweist, einzuleiten oder zu führen. Der Rechtsstreit muss einen ausreichenden Bezug zu dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts aufweisen. Art. 7 EuUnthVO liegt der (allgemeine) Gedanke zu Grunde, dass die Zuständigkeiten nach Art. 3 bis 5 EuUnthVO nicht alle denkbaren Konstellationen erfassen und daher dem Justizgewährungsanspruch des Rechtssuchenden nach Art. 6 Abs.1 EMRK nicht genügen. Der BGH ist in einem Abänderungsverfahren wegen Kindesunterhalt für ein in der USA lebendes Kind auf die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit nach Art 7 EuUnthVO eingegangen, nachdem die Vorinstanz auf ein Abänderungsverfahren in den USA verwiesen hat. Wenn im Ausland keine umfassende Korrektur des in Deutschland errichteten Unterhaltstitels erreicht werden kann, ist eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für ein Korrekturverfahren gemäß § 240 FamFG - sofern andere Zuständigkeitsgründe nach der EuUnthVO tatsächlich nicht in Betracht kommen - jedenfalls aus der Notzuständigkeit nach Art. 7 EuUnthVO herzuleiten (> BGH, Beschluss vom 14.10.2015 - XII ZB 150/15). Die Entscheidung ist für alle Fallvarianten bedeutsam, in denen ein deutscher Unterhaltstitel vom Unterhaltspflichtigen in Deutschland nach Umzug des Kindes in einen Staat außerhalb der EFTA-Staaten bzw. der EU-Mitgliedstaaten abgeändert werden soll (weiterführende Litertaur: Anm zum BGH 2015, Jürgen Rieck, in: NZFam 2016, 46).
Nach Art. 3 EuUnthVO können für die Unterhaltssache mehrere Gerichte international zuständig sein. Dieses Problem wird mit Art. 12 > EuUnterhVO gelöst: Das international zuständige Gericht , bei dem die Unterhaltssache später anhängig gemacht wurde, setzt den Fortgang seines Verfahrens aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Sobald dies der Fall ist, erklärt sich das später angerufene Gericht für unzuständig. Der gleiche zeitliche Wettlauf um die internationale Zuständigkeit kann bei Scheidungen mit Auslandsbezug nach Art. 19 Brüssel IIa-VO auftreten. Mehr dazu
> hier
Das auf den Kindesunterhalt anwendbare Recht richtet sich seit dem 18.6.2011 in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks und des Vereinigten Königreichs nach dem Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (> HUP) vom 23.11.2007 (ABl. EU 2009 L 331, S. 19). Nach der Grundregel des Art. 3 Abs.1 > HUP („sofern in diesem Protokoll nichts anderes bestimmt ist“) ist auch für die Unterhaltspflicht gegenüber Kindern das innerstaatliche Recht des Staates maßgebend, in dem das unterhaltsberechtigte Kind seinen > gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies gilt unabhängig von der jeweiligen Nationalität der Unterhaltsbeteiligten. Dieser Grundsatz erfährt jedoch gerade hinsichtlich der gegenüber einem Kind bestehenden Unterhaltspflicht (Art. 4 Abs.1 a > HUP) bedeutende
Es gilt nicht das Recht am Ort des Unterhaltsberechtigten, wenn ...
Sonderregeln für > Kindesunterhalt
Art.4 HUP:
Sonderregeln für > Ehegattenunterhalt
Art. 5 HUP:
Die Anknüpfung gemäß Art. 3 > HUP an den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten gilt auch für Trennungs- und nachehelichen Unterhalt. Bezüglich des Ehegattenunterhalts ist die Sondervorschrift des Art. 5 > HUP zu beachten. Von Art. 5 HUP werden > alle Unterhaltsansprüche von Ehegatten erfasst; insbesondere ist es unerheblich ist, ob die Ansprüche im Rahmen eines > Scheidungsverfahrens oder in einem isolierten Unterhaltsverfahren geltend gemacht werden. Art. 5 HUP greift nur auf ausdrückliche Einrede und eröffnet einem (Ex-)Ehegatten die Möglichkeit den Einwand, dass nicht das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts, sondern das Recht des Staates anzuwenden ist, zu der die ehemaligen ehelichen Lebensverhältnisse eine engere Verbindung aufweisen (insbesondere das Recht des Staates des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes). Durch Art. 5 HUP solleinem Aufenthaltswechsel des Berechtigten entgegengewirkt werden, der nur bezweckt, nach dem neuen Aufenthaltsrecht einen gegebenenfalls höheren Unterhalt zu verlangen.
BGH, Beschluss vom 3. Juli 2013 - XII ZB 220/12, Rn 29
Kaufkraftunterschied
(Zitat) "Ob eine Anpassung des Selbstbehalts erforderlich ist, wenn der im Ausland aufhältige Unterhaltspflichtige einem von den Annahmen der Tabelle wesentlich abweichenden Preisniveau ausgesetzt ist, unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung. Jedenfalls wenn sich die Kaufkraft des Euro in den einzelnen Staaten nur geringfügig unterscheidet, wie hier die Rechtsbeschwerde nur um 4,4 % erhöhte Lebenshaltungskosten für die Niederlande vorträgt, ist ein Kaufkraftausgleich regelmäßig nicht geboten (Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 9 Rn. 35)."
Anmerkung: Sämtliche Hilfsmittel zur Unterhaltsermittlung (> Düsseldorfer Tabelle; > unterhaltsrechtliche Leitlinien) nach deutschem Unterhaltsrecht bauen auf der Vorstellung auf, dass sowohl Unterhaltsschuldner als auch der Unterhaltsberechtigte sich in Deutschland aufhalten und hier ihren Lebensunterhalt bestreiten. Ist dies nicht der Fall, ist bei der Unterhaltsermittlung eine wesentliche Kaufkraftdifferenz des Euro in den verscheidenen Ländern zu berücksichtigen. Es findet eine zweistufige Umrechnung statt:
Unter Berücksichtigung der Verbrauchergeldparität kann nach folgenden Schritten vorgegangen werden:
1. Schritt:
Unterhalt wird bestimmt, als würden die Parteien im selben Land leben.
2. Schritt:
Die Verbrauchergeldparität wird aus den Statistischen Amtes der Europäischen Union (> Eurostat) abgelesen.
3. Schritt:
Der festgestellte Prozentsatz des Unterschieds der Kaufkraft wird halbiert. Nach diesem Faktor verändert sich die Unterhaltszahlung
Anmerkung: Wird nach deutschem Unterhaltsrecht gegen einen Unterhaltsschuldner im Ausland der Unterhaltsanspruch geltend gemacht, kann es wegen wegen "teurerer" Lebenshaltungskosten im Vergleich zum Inland zu einer Anhebung der > deutschen Selbstbehaltsätze kommen. Dabei muss allerdings eine Wesentlichkeits-Schwelle überschritten werden. Diese ist bei einem geringfügigen Kaufkraftunterschied nicht der Fall.
OLG Hamm Beschluss vom 06.06.2017 - 11 UF 206/16
Unterhaltspflichtiger in der Schweiz, unterhaltsberechtigte Kinder in Deutschland
Kindesunterhaltsabänderung nach deutschem Unterhaltsrecht
(Zitat, Rn 59 ff) "Nach einer vom Oberlandesgericht Oldenburg (Beschluss vom 19.10.2012 – 11 UF 55/12) begründeten und vom Bundesgerichtshof (Beschluss vom 9.7.2014 – XII ZB 661/12, FamRZ 2014, 1536) gebilligten Rechtsprechung soll zum Ausgleich der Kaufkraftunterschiede das ausländische Einkommen in ausländischer Währung um Steuern usw. bereinigt und dann – nur in einem Rechenschritt - den vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) ermittelten "vergleichenden Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern" angepasst werden. Dazu sollen die Preisniveauindizes für Deutschland und für das beteiligte Ausland rechnerisch so ins Verhältnis gesetzt werden, dass das Preisniveau des Auslands gleich eins und das Preisniveau in Deutschland gleich einem hierzu entsprechenden Bruchwert steht.
Das in der Schweiz in Schweizer Franken erzielte Einkommen ist aber außerdem nach dem jeweils relevanten Devisenkurs in Euro umzurechnen. Ansonsten bliebe nämlich unbeachtet, dass der vorgenannte Preisniveauindex nach Eurostat lediglich einem Vergleich der Preisverhältnisse in verschiedenen Wirtschaftsräumen dient, aber nicht einer Übersetzung der Kaufkraft von einem Wirtschaftsraum in einen anderen. Bei den „Vergleichenden Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern“ ermittelt und mittelt Eurostat die Preise in den erfassten Ländern nach deren jeweiliger Währung und rechnet sie dann in eine einzige Währung - den Euro - um, so dass die Preisverhältnisse „gleichnamig“ und damit vergleichbar werden. Damit bleiben aber die Währungsverluste oder -gewinne beim Übertritt von einem Land in das andere außer Betracht. Lägen etwa die Preisniveaus in Deutschland und der Schweiz nach Eurostat gleichauf, so wäre nach dieser Ansicht ein schweizerisches Einkommen bei der Berechnung eines deutschen Unterhaltsanspruchs mit dem Nennbetrag zu berücksichtigen, ohne dass der Wechselkurs des Schweizer Franken zum Euro Beachtung fände. Eine Berücksichtigung nicht nur der Preis-, sondern auch der Währungsunterschiede Deutschlands und des beteiligten Auslands sowie eine zutreffende Ermittlung des Unterhaltsbedarfs eines minderjährigen Kindes lässt sich nach Auffassung des Senats nur dadurch erreichen, dass das in ausländischer Währung um Steuern usw. bereinigte Einkommen zunächst nach dem mittleren jährlichen Wechselkurs in Euro umgerechnet und dann zusätzlich entsprechend den Preisniveauindizes nach der oben genannten Eurostat-Tabelle um die Preisunterschiede bereinigt wird (so der Senat bereits in dem – unveröffentlichten – Beschluss vom 22.3.2016 – 11 UF 142/15; vgl. aber auch OLG Karlsruhe, a.a.O. und Többens, FamRZ 2016, 597).
Für die also im vorliegenden Fall vorzunehmende zweistufige Berechnung ist zunächst ein Währungskurs von 1,0679 heranzuziehen (Jahresdurchschnitt des Euro-Referenzkurses der Europäischen Zentralbank nach Mitteilung der Deutschen Bundesbank). Der Aufschlagsfaktor nach der Eurostat-Tabelle "Vergleichende Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern" beläuft sich im Jahr 2015 auf 1,633. Danach entsprach das bereinigte Monatseinkommen des Antragstellers von rund 8.250 CHF dem Betrag von 7.725 € (= 8.250 : 1,0679). Um in Deutschland denselben Lebensstandard zu pflegen bzw. Unterhaltsbedürfnisse zu befriedigen wie mit (umgerechnet) 7.725 € in der Schweiz hätte man im Jahr 2015 nur 4.730 € (= 7.725 : 1,633) benötigt."
Die EuUntVO entbindet aber nicht von der Notwendigkeit einer Vollstreckbarerklärung durch den Vollstreckungsstaat, in dem der Titel geschaffen wurde. Jedoch wurde mit Wirkung vom 21.10.2005 der sog. europäische Vollstreckungstitel geschaffen, mit dem die grenzüberschreitende Vollstreckung (außer Dänemark) erheblich vereinfacht wurde.
Geht es um die Anerkennung der Unterhaltsentscheidung eines Landes, das nicht Mitgliedstaat der EU ist und mit welchem weder ein multilaterales noch ein bilaterales Anerkennungsabkommen besteht (das auswärtige Amt kann Auskunft erteilen), richtet sich die Anerkennung nach § 108 Abs. 1, § 109 FamFG und die Vollstreckbarerklärung nach §§ 110 Abs. 1, 110 Abs. 2 FamFG. Zuständig für die Entscheidung zur Anerkennung und Vollstreckbarkeisterklärung ausländischer Entscheidungen regelmäßig das Gericht am Wohn- bzw. Aufenthaltsort des Unterhaltsschuldners (Art. 24 Nr.5 EUGVVO; §§ §§ > 30 ff AUG i.V.m. > 110 Abs.3 FamFG; vgl. > BGH, Beschluss vom 20.06.2018 - XII ZB 285/17).