Thema - Kindeswohl




Thema WECHSELMODELL

Was ist das?


Einleitung


Bis Anfang 2017 bestand in der Instanzrechtsprechung Uneinigkeit, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden konnte. In den meisten Fällen wurde die Frage schon grundsätzlich verneint, oder die Voraussetzungen für eine Anordnung wurden so restriktiv gestaltet, dass dies mit einer Ablehnung gleichzusetzen war. Die Streitfrage wurde geklärt durch eine Grundsatzentscheidung des BGH, Beschluss vom 1.2.2017 – XII ZB 601/15.


Leitsätze des BGH


  1. Eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, wird vom Gesetz nicht ausgeschlossen. Auch die Ablehnung des Wechselmodells durch einen Elternteil hindert eine solche Regelung für sich genommen noch nicht. Entscheidender Maßstab der Regelung ist vielmehr das im konkreten Einzelfall festzustellende Kindeswohl.

 

  1. Die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung setzt eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus. Dem Kindeswohl entspricht es daher nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit erst herbeizuführen.

 

  1. Ist das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, so liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes.

 

  1. Das Familiengericht ist im Umgangsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspricht. Dies erfordert grundsätzlich auch die persönliche Anhörung des Kindes.

Anmerkung


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dr. Günter, Dr. Botur und Guhling

für Recht erkannt:

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. April 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Antragsgegner unter Zurückweisung seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Familiengericht Marburg vom 23. Oktober 2012 für die Zeit von Januar 2011 bis Juli 2012 zur Zahlung rückständigen Kindesunterhalts nebst Zinsen an die Antragstellerin verpflichtet worden ist.

Im Übrigen (Zahlung des laufenden Kindesunterhalts seit August 2012) wird die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass das hälftige gesetzliche Kindergeld für ein erstes Kind anzurechnen ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

A.

Jedenfalls im Ausgangspunkt günstig ist der (aus Leitsatz Nr. 1) Grundsatz, dass auch die Ablehnung des Wechselmodells durch einen Elternteil die Anordnung einer solchen Regelung nicht von vornherein ausschließt. Entscheidender Maßstab ist das Kindeswohl. Was dem Kindeswohl am besten dient, wird im Fall eines Umgangsverfahrens durch einen Kinderpsychologen festgestellt.