Gefahr der Doppelverwertung

Unterhaltsrelevantes Vermögen

Es existiert das Phänomen des > unterhaltsrelevanten Vermögens. Dabei kann das Unterhaltsrecht in Kollision mit der familienrechtlichen > Vermögensauseinandersetzung geraten. Das Vermögensrecht und das Unterhaltsrecht sind Bereiche, die getrennt zu betrachten sind. Aus der Trennlinie zwischen Vermögensrecht und Unterhaltsrecht folgt das Verbot der Doppelverwertung. Dieses besagt, dass ein wirtschaftlicher Umstand, der bereits im Unterhaltsrecht berücksichtigt wird, nicht zusätzlich im Vermögensrecht berücksichtigt werden darf und umgekehrt.
> Beispiele


Beispiele

Konkurrenz
Zugewinn - Unterhalt


BGH, Urteil v. 06.02.2008 - XII ZR 45/06
Zugewinnausgleich & Vermögensverwertung für Unterhalt


(Zitat) "Nach der Rechtsprechung des Senats widerspricht (...) eine zweifache Teilhabe an einem Vermögenswert - nämlich einerseits im Zugewinnausgleich und andererseits im Wege des Unterhalts - dem Grundsatz, dass ein güterrechtlicher Ausgleich nicht stattzufinden hat, soweit eine Vermögensposition bereits auf andere Weise ausgeglichen worden ist (Senatsurteile vom 11. Dezember 2002 - XII ZR 27/00 - FamRZ 2003, 432, 433; BGHZ 156, 105, 110 = FamRZ 2003, 1544, 1546 und vom 21. April 2004 - XII ZR 185/01 - FamRZ 2004, 1352, 1353). An dieser Auffassung hält der Senat fest."

(...) Eine doppelte Teilhabe kann nur eintreten, wenn jeweils dieselbe Vermögensposition ausgeglichen wird. Im Zugewinnausgleich wird das Vermögen, d.h. alle rechtlich geschützten Positionen von wirtschaftlichem Wert, ausgeglichen. Das Unterhaltsrecht dient demgegenüber dem Zweck, unter den im Gesetz aufgeführten Voraussetzungen den Unterhaltsbedarf des Berechtigten zu decken. Dabei sieht das Gesetz zwar den Einsatz von Einkommen und Vermögen vor.

Die Verwertung des Vermögensstamms kann aber nur unter besonderen Voraussetzungen verlangt werden (Obliegenheit zur Vermögensverwertung zur Deckung des Unterhalts; §§ 1577 Abs. 3, 1581 Satz 2 BGB). Zu einer Konkurrenz zwischen Zugewinnausgleich und Unterhalt kann es somit lediglich dann kommen, wenn zum Unterhalt auch der Vermögensstamm herangezogen wird (so auch Hoppenz, FamRZ 2006, 1242, 1243 und 1033)."

BGH,Urteil vom 18. Januar 2012 - XII ZR 178/09
Zumutbare Vermögensverwertung, wenn Vermögenswert nicht aus einem Zugewinnausgleich stammt:

(Zitat) "Zwar hat der Senat entschieden, dass für die Billigkeitsbetrachtung nach § 1577 Abs. 3 BGB ein durchgeführter Zugewinnausgleich zu beachten und bei beiderseits hinreichend ertragbringendem Vermögen vom Unterhaltsberechtigten eine Verwertung des Vermögensstamms nicht zu verlangen ist (Senatsurteil vom 4. Juli 2007 – XII ZR 141/05 - FamRZ 2007, 1532, 1537). Im vorliegenden Fall handelt es sich hingegen nicht um aus dem Zugewinnausgleich erlangte Vermögenswerte, sondern stammt das Vermögen aus einem während des Zusammenlebens übertragenen Betriebsgrundstück."

Abfindung
Zuordnungsfragen


OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11.1.2022 – 7 UF 91/21
Abfindung und Doppelverwertungsverbot


Orientierungssatz: Die einem Ehegatten anlässlich der Auflösung eines Arbeitsvertrags zugeflossene Abfindung kann mit dem zum Stichtag für das Endvermögen maßgeblichen Betrag eine im Zugewinn auszugleichende Vermögensposition sein, soweit mangels Einbeziehung der Abfindung in eine Unterhaltsregelung das Doppelverwertungsverbot nicht greift und der Ausgleichspflichtige aufgrund einer stichtagsbezogenen Prognose darauf weder zur Deckung seines eigenen Unterhaltsbedarfs noch desjenigen anderer Unterhaltsberechtigter angewiesen ist.

Anmerkung: Soweit eine Abfindung Lohnersatzfunktion aufweist, wird diese als Bestandteil des unterhaltsrelevanten Einkommens berücksichtigt. Wenn die Abfindung aus anderen Gründen geleistet wird, wird sie nur beim Zugewinnausgleich als Vermögenswert in die Vermögensbilanz eingesetzt. Das OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.10.2013 - 2 UF 213/12 hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem in der Abfindungen beide Elemente anteilig zu erkennen waren.  

Einkommensverwendung
für Unterhalt oder für Vermögensaufbau?


Bedarfsermittlung des Ehegattenunterhalts: Wenn nachweislich Teile des Einkommens nicht zur Finanzierung des Lebensbedarfs (Konsumanteil des Einkommens) verwendet werden, sondern für den Vermögensaufbau verwendet werden (Sparanteil des Einkommens), so indiziert nur der Konsumanteil des Einkommens die ehelichen Lebensverhältnisse. Der Sparanteil muss für die Unterhaltsermittlung ausgeblendet werden.

Unternehmensbewertung
Unternehmerlohn


BGH, Urteil vom 06.02.2008 - XII ZR 45/06
Unternehmenswert (Anwaltskanzlei) und Unterhalt


Anmerkung: Bei der Ermittlung des Kanzleiwerts im Rahmen des Zugewinnausgleichs ist zu berücksichtigen, dass der ideelle Wert nicht zu einer doppelten Begünstigung führt, indem zum einen der Zugewinn durch einen entsprechenden Wertansatz erhöht wird und zum anderen im Rahmen der laufenden Unterhaltszahlungen nochmals eine Teilhabe an den Erträgen der persönlichen Arbeit des Kanzleiinhabers anfällt. Mit dieser besonderen Problematik befasst sich der BGH in seinem Urteil (BGH, vom 6.2.2008 – XII ZR 45/06, NJW 2008, 1221).

Für die Bewertung eines Unternehmens nach der Ertragswertmethode ist der Unternehmensgewinn die wesentliche Bemessungsgrundlage. Zugleich wird im Unterhaltsrecht der Unternehmensgewinn wiederum als Einkommen aus unternehmerischen Tätigkeit (Unternehmerlohn) relevant. Somit kann es zu einer Doppelverwertung im Unterhalts- und Vermögensrecht kommen, die es zu vermeiden gilt.

Der übertragbare Goodwill des Unternehmens / Firmenbeteiligung ist – familienrechtlich - zu bereinigen. Um den Ertragswert des Unternehmens nach der Ertragswert-Methode richtig zu bestimmen, muss also der Firmenertrag um ein fiktiv gedachtes Gehalt für eine Ersatzperson im Unternehmen gekürzt werden. Andernfalls würde der volle Unternehmensgewinn den Unternehmenswert bestimmen und zugleich beim Unterhalt Bemessungsgrundlage sein. Das wäre ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung. Dieser Aspekt ist wesentlich bei der Bewertung freiberuflicher Praxen und Unternehmen mit mitarbeitenden Unternehmern.