Beweislast
zur Erfüllung der Erwerbsobliegenheit

  • Einkommenskorrektur
    nach Maßgabe der Erwerbsobliegenheit

    Die Höhe des Unterhaltsanspruchs wird maßgeblich bestimmt von der Höhe des > Einkommens der Unterhaltsbeteiligten (> Bemessungsgrundlage). Dabei ist jeder bestrebt, möglichst wenig Einkommen zu haben (> mehr). Doch wer seine Einkommensmöglichkeiten nicht > optimiert und damit seiner Erwerbsobliegenheit nicht nachkommt, dem droht unterhaltsrechtlich die Zurechnung > fiktiven Einkommens. Unterhaltsrechtliche Erwerbsobliegenheit gibt Anlass, das > unterhaltsrelevante Einkommen zu > korrigieren.


  • Erfüllung der Erwerbsobliegenheit
    beweisen

    Die Beweislast für die Erfüllung der > Erwerbsobliegenheit stellt sich wie folgt dar: Der betroffene Unterhaltsbeteiligte muss darlegen und beweisen, dass er alles unternommen hat, um durch das Finden eines Arbeitsplatzes seine Leistungsfähigkeit wiederherzustellen. Was hierfür alles unternehmen werden muss, ist
    > Thema dieser Seite.

    Es gibt jedoch Situationen, in denen keine Erwerbsobliegenheit besteht, beispielsweise während des Erziehungsurlaubs. In solchen Fällen oder anderweitigen berechtigten Erwerbshinderungsgründen ist die betreffende Person nicht verpflichtet, eine Tätigkeit aufzunehmen und wird als nicht leistungsfähig eingestuft. Hier konzentriert sich die Beweislast auf das Vorliegen des Erwerbshinderungs- bzw. Erwerbsminderungsgrundes. 


Grundsätze
der Beweislastverteilung

Erwerbsobliegenheit
Wann wird dagegen verstoßen?


Rechtsprechung

OLG Brandenburg, Beschluss vom 26.2.2020 – 9 UF 248/19
Beweislast bei Erwerbslosigkeit für mögliches fiktives Einkommen


Leitsatz: Ein Unterhaltsberechtigter, der trotz Erwerbslosigkeit Unterhalt beansprucht, hat die Darlegungs- und Beweislast für seine > Bedürftigkeit. Er muss in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte er im Einzelnen unternommen hat, um einen zumutbaren Arbeitsplatz zu finden und die sich ergebenden Erwerbsmöglichkeiten auszunutzen. Eine Beweiserleichterung nach § 287 Abs. 2 ZPO kommt ihm nicht zugute. Eine behauptete vollständige Erwerbsunfähigkeit ist auch für eine stundenweise Geringverdienertätigkeit von vornherein durch eine Unterhaltspartei darzulegen und zu beweisen. Sie trägt nicht nur die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie keine Vollzeitstelle zu erlangen vermag, sondern auch dafür, dass dies in gleicher Weise für eine geringfügige Beschäftigung im Mini-Job-Bereich usw. gilt.

Anmerkung: Wie kann ein > Verstoß gegen die Erwerbsobliegenhe it bewiesen werden? Wer muss hierzu entsprechend vortragen und Beweise anbieten? Der BGH erklärt dazu: Es kommt insofern vorwiegend auf die individuellen Verhältnisse an, die vom Familiengericht aufgrund des - ggf. beweisbedürftigen - Parteivortrags und der > offenkundigen Umstände umfassend zu würdigen sind (vgl. auch Senatsurteil vom 15. November 1995 - XII ZR 231/91 - FamRZ 1996, 345, 346 mwN). Im Unterhaltsverfahren trägt grundsätzlich der Unterhaltsgläubiger die volle > Darlegungs - und Beweislast für den > Bedarf und seine > Bedürftigkeit. Der Unterhaltsschuldner muss seine fehlende > Leistungsfähigkeit beweisen, wenn er sich auf diesen > Einwand berufen möchte. Daraus ergibt sich aber noch nicht, wer den Verstoß gegen eine Erwerbsobliegenheit darzustellen und zu beweisen hat.

Angriffsmittel


Einen Verstoß gegen die > Erwerbsobliegenheit ist stets ein Vorwurf (= Angriffsmittel), den eine Partei gegen die andere erhebt. Besteht der Vorwurf zu Recht, dann ist dies für den Betroffenen ungünstig. Nach den allgemeinen Beweisregeln trifft die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen einer Erwerbsobliegenheit und einer > realen Beschäftigungsmöglichkeit denjenigen, der den Vorwurf erhebt. Zu den unter Beweis zu stellenden Angriffsmittel gehören


Verteidigungsmittel


Wenn der Beweis der Angriffsmittel gelingt, ist nun der Betroffene aufgefordert, ausreichend Gründe darzulegen (= Verteidigungsmittel) und im Streitfall zu beweisen, die der Erwerbsobliegenheit entgegenstehen, wie z.B.


Beweislast
bei Krankheit


Nicht selten wird in Unterhaltsverfahren versucht die Erwerbsobliegenheit mit dem Einwand zu kippen, man sei krank. Als Beleg und Nachweis dafür wird dem Familiengericht ein ärztliches Attest vorgelegt. Was davon zu halten ist, erfahren Sie beim Thema


Beweislast
bei Kinderbetreuung


Nur in den ersten drei Lebensjahren des betreuten Kindes besteht > keine Erwerbsobliegenheit. Danach ist zu begründen, warum eine Kinderbetreuung eine Erwerbstätigkeit unzumutbar erscheinen lässt. Nach BGH muss derjenige, der sich auf Erwerbshindernisse wegen Kinderbetreuung beruft, diese Umstände für die Erwerbshindernisse konkret darlegen und beweisen. Um die kind- und elternbezogenen Belange, die einer Ausweitung der Erwerbstätigkeit entgegenstehen, mit Substanz im Verfahren vortragen zu können, empfiehlt es sich, dem Mandanten im ersten Beratungsgespräch aufzugeben, bis zum nächsten Besprechungstermin einen Wochenstundenplan zu erstellen, aus dem für jeden Wochentag detailliert hervorgeht, zu welchen Zeiten der Unterhaltsgläubiger und das/die Kinder sich jeweils wo aufhalten und wie sowie mit welchem Zeitaufwand sie dort hingelangen (Fahrtzeiten? Kita-/Schulbetreuungszeiten, Freizeitbeschäftigungen der Kinder: Was? Wo? Hinbringen erforderlich?). Vor dem Hintergrund ist es äußerst hilfreich, wenn Sie in Form eines Tagebuchs bzw. Wochenkalenders uns exakt schriftlich erklären, welche Tätigkeiten Sie von in der Früh beim Aufstehen bis abends zur Kinderbetreuung verrichten. Die Übersicht sollte mindestens über einen Zeitraum von 2 Wochen aussagekräftige Darstellungen enthalten. Auch hier entscheidet in aller Regel nicht eine Beweisaufnahme über den Ausgang des Verfahrens, sondern die Qualität der Darlegung kind- und elternbezogener Belange durch den Unterhaltsgläubiger.


Schätzungen
zur Höhe des fiktiven Einkommens bei Obliegenheitsverletzung


Welche Kriterien zur Schätzung der Höhe des fiktiven Einkommens herangezogen werden, erfahren Sie > hier


Anscheinsbeweis
für reale Beschäftigungsmöglichkeit

Kernaussage
zur Beweislastverteilung


Wer keiner (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit nachgeht, dem wird im Wege des Anscheinsbeweises unterstellt, dass er bei ausreichenden Bewerbungsbemühungen eine solche Erwerbstätigkeit finden würde. Fehlende ausreichende Bewerbungsbemühungen indizieren die reale Beschäftigungschance ( Büttner-Niepmann, NJW 2005, 2357 m.w.N.).

Wenn den Angreifer die Beweislast für eine reale Beschäftigungsmöglichkeit trifft, muss er dafür nicht Kenntnisse von der Datenbank der Bundesagentur für Arbeit haben. Übt der Betroffene keine > Vollzeittätigkeit aus, streitet für den Angreifer ein sog. Anscheinsbeweis für bestehende reale Beschäftigungsmöglichkeit

Einfach ist für den Angreifer der Nachweis einer realen Beschäftigungsmöglichkeit immer dann, wenn der Betroffene keine > Vollzeittätigkeit ausübt. Gegen diese Vermutung (= Anscheinsbeweis) kann sich der Betroffene nur erfolgreich verteidigen, wenn er ausreichende > Bewerbungsbemühungen darlegt und beweist.

Schwierig wird es für den Angreifer, wenn die Behauptung aufgestellt wird, der Betroffene habe statt der ausgeübten Vollzeittätigkeit eine besser dotierte Arbeitsstelle oder eine zusätzliche Tätigkeit aufzunehmen. Hier greift kein Anscheinsbeweis. Den Angreifer trifft jetzt die volle Beweislast für eine der Behauptung entsprechende reale Beschäftigungsmöglichkeit.


Bewerbungsbemühungen
konkret darlegen und beweisen


BGH, Urteil vom 21. September 2011 - XII ZR 121/09
Umfang der Bewerbungsbemühungen darlegen


Leitsatz: Die Anzahl der zum Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit vom Anspruchsteller vorgetragenen Bewerbungen ist nur ein Indiz für seine dem Grundsatz der Eigenverantwortung entsprechenden Arbeitsbemühungen, nicht aber deren alleiniges Merkmal. Für ausreichende Erwerbsbemühungen kommt es vielmehr wie für das > Bestehen einer realistischen Erwerbschance vorwiegend auf die individuellen Verhältnisse und die Erwerbsbiografie des Anspruchstellers an, die vom Familiengericht aufgrund des - ggf. beweisbedürftigen - Parteivortrags und der offenkundigen Umstände umfassend zu würdigen sind (Fortführung der Senatsurteile vom 30. Juli 2008 - XII ZR 126/06 - FamRZ 2008, 2104 und vom 27. Januar 1993 - XII ZR 206/91 - FamRZ 1993, 789).

Anmerkung: Um den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast zu genügen, muss in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte im Einzelnen unternommen wurden und diese dokumentieren. Nicht ausreichend sind allgemeine Hinweise auf die schlechte Arbeitsmarktlage oder persönliche Umstände, da ein Erfahrungssatz, dass wegen des Vorliegens insoweit ungünstiger Bedingungen ein Arbeitsplatz nicht gefunden werden kann, nicht existiert (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 13. Dezember 2006 - 9 WF 371/06). Vielmehr kann das Bestehen einer Erwerbsmöglichkeit nur anhand > konkreter Erwerbsbemühungen überprüft werden. Zur Darlegung der Bewerbungsbemühungen ist es ideal, wenn Sie einen Bewerbungsordner erstellen. Darin enthalten ist Ihr Bewerbungsschreiben mit dazugehörigen Zertifikaten und Arbeitszeugnissen. Mit diesem Ordner dokumentieren Sie, wie Sie sich mit Ihren Bewerbungsunterlagen intensiv um einen Arbeitsplatz bemühen. Erfassen Sie jeden Bewerbungsvorgang und legen pro Vorgang im Ordner ein Register an. Jeden Bewerbungsvorgang pro Arbeitgeber kennzeichnen Sie mit einer fortlaufenden Register-Nr. Die jeweiligen Bewerbungsvorgänge stellen Sie in einer tabellarischen Übersicht wie folgt dar:

Tabellarische Übersicht zu den Bewerbungsbemühungen:

Meldung

am

bei Arbeitsamt

Reaktionen

Register-Nr.

Bewerbungen

Datum

bei Firma

Reaktion

Register-Nr.

Bewerbung 1

1

Bewerbung 2

2

Bewerbung 3

3

Bewerbung 4

4

Bewerbung 5

5

Etc..


Den Ordner „Bewerbungen“ mit den jeweiligen Registern sowie die tabellarische Übersicht stellen Sie zur Umsetzung im Schriftsatz Ihrem Anwalt zur Verfügung.


Erwerbsbemühungen

des Unterhaltsschuldners

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 13. Dezember 2006 - 9 WF 371/06
Erwerbsbemühung bei Arbeitslosigkeit - 20 bis 30 Bewerbungen /Monat


(Zitat) "Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats führt dies dazu, dass der arbeitslose Unterhaltspflichtige das Absenden von mindestens 20 - 30 ernsthaften Bewerbungen im Monat substanziiert darzulegen hätte, um seiner > gesteigerten Erwerbsverpflichtung nachzukommen."

OLG Dresden, Urteil vom 15.09.1999 - 20 UF 259/99
Zum Nachweis der Bewerbungsbemühungen nach Arbeitslosigkeit


(Zitat) "Zu Unrecht ist die Beklagte indes der Auffassung, der Kläger habe gegen diese Verpflichtung verstoßen. Er hat ausweislich der vorgelegten Bewerbungsschreiben sich bundesweit um eine Arbeitsstelle in seinem bisherigen Beruf beworben und er hat darüber hinaus auch – wenngleich im geringeren Umfang – sich selbst auf Stellenanzeigen, die nicht durch das Arbeitsamt vermittelt wurden, beworben. Mit der Vorlage dieser Bewerbungen ist der Kläger auch seiner Darlegungs- und Beweislast nachgekommen. Zu Unrecht geht in diesem Zusammenhang die Beklagte davon aus, dass der Kläger auch gehalten gewesen wäre, Eingangsbestätigungen seiner Bewerbungen bzw. Ablehnungsschreiben zu jeder einzelnen Bewerbungen zur Glaubhaftmachung vorzulegen. Dem Senat ist aus vielen unterhaltsrechtlichen Verfahren bekannt, dass Bewerbungen nicht von jedem Stelleninserenten beantwortet werden, insbesondere wenn eine Besetzung der Stelle mit dem Bewerber nicht in Betracht kommt. In vielen Fällen werden von den inserierenden Firmen nicht einmal Bewerbungsunterlagen zurückgesandt."

BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - XII ZB 185/12
Erwerbsbemühungen bei gesteigerter Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs.2 BGB
Fortbildungsbemühungen ungelernter Arbeitskräfte


(Zitat) "Für die Feststellung, dass für einen Unterhaltsschuldner > keine reale Beschäftigungschance bestehe, sind - insbesondere im Bereich der > gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB - strenge Maßstäbe anzulegen. Für gesunde Arbeitnehmer im mittleren Erwerbsalter wird auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit regelmäßig kein Erfahrungssatz dahin gebildet werden können, dass sie nicht in eine vollschichtige Tätigkeit zu vermitteln seien (vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 784; Botur in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1603 BGB Rn. 12 mwN). Dies gilt auch für ungelernte Kräfte oder für Ausländer mit eingeschränkten deutschen Sprachkenntnissen (OLG Hamm FamRZ 2002, 1427, 1428 mwN; Botur in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1603 BGB Rn. 12). Auch die bisherige Tätigkeit des Unterhaltsschuldners etwa im Rahmen von Zeitarbeitsverhältnissen ist noch kein hinreichendes Indiz dafür, dass es ihm nicht gelingen kann, eine besser bezahlte Stelle zu finden. Das gilt auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige überwiegend im Rahmen von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB IV gearbeitet hat. Zu den insbesondere im Rahmen von > § 1603 Abs. 2 BGB zu stellenden Anforderungen gehört es schließlich auch, dass der Unterhaltspflichtige sich um eine Verbesserung seiner deutschen Sprachkenntnisse bemüht (Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 784 mwN).

Dem genügen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen nicht. Für seine Annahme, dass es an einer Erwerbsmöglichkeit des Antragsgegners fehle, die ihm die Zahlung des Mindestunterhalts auch nur teilweise erlaube, hat das Oberlandesgericht nur auf seine "bisherige Erwerbsvita" und darauf abgestellt, dass er über keine Berufsausbildung verfüge. Damit hat das Oberlandesgericht noch keine Umstände festgestellt, die seine Schlussfolgerung auf eine fehlende Erwerbsmöglichkeit rechtfertigen könnten. Mangels eines entsprechenden Erfahrungssatzes erscheint es vielmehr nicht ausgeschlossen, dass der Antragsgegner eine Vollzeitstelle erlangen kann. Auch die bisherige Tätigkeit in geringfügiger Beschäftigung steht dem nicht entgegen. Etwa unzureichende Sprachkenntnisse können den Antragsgegner nicht mehr ohne weiteres entlasten, nachdem seine Unterhaltspflicht mit der Geburt des Antragstellers bereits 2004 einsetzte. Dass der Antragsgegner, wie es in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt ist, bemüht ist, sich fortzubilden und eine Ausbildung zu absolvieren, um seinem Kind in der Zukunft einmal Unterhalt zahlen zu können, genügt schließlich nicht."


Erwerbsbemühungen
des Unterhaltsberechtigten

BGH, Versäumnisurteil vom 30. Juli 2008 - XII ZR 126/06,
Beweislast des Unterhaltsgläubigers für Fehlen einer realen Beschäftigungsmöglichkeit


(Zitat, Rn 18 ff.) "Nach der Rechtsprechung des Senats ist Voraussetzung des Anspruchs aus § 1573 Abs. 1 BGB, dass sich der Ehegatte unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel nachhaltig bemüht haben muss, eine angemessene Tätigkeit zu finden, wozu die bloße Meldung beim Arbeitsamt nicht genügt. Er trägt im Verfahren zudem die uneingeschränkte Darlegungs- und Beweislast für seine Bemühungen und muss in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte und in welchem zeitlichen Abstand er im Einzelnen in dieser Richtung unternommen hat. Die Beweiserleichterung nach § 287 Abs. 2 ZPO kommt ihm nicht zugute (Senatsurteil vom 27. Januar 1993 - XII ZR 206/91 - FamRZ 1993, 789, 791). Die Auffassung der Revision, dass eine nennenswerte Anzahl von Stellen, für welche die Beklagte von ihrem wissenschaftlichen Anforderungsprofil in Frage komme, nicht existiere, stellt die Feststellung unzureichender Erwerbsbemühungen durch das Berufungsgericht nicht in Frage. Die Beklagte hätte sich nicht nur auf Stellen im Bereich der Wissenschaft bewerben können und müssen, sondern ihr stand aufgrund ihrer Ausbildung einschließlich der Zusatzqualifikation als Heilpraktikerin wie auch der wenigstens zeitweilig ausgeübten Praxis im psychosozialen Bereich ein wesentlich weiteres Berufsfeld offen. (...) Die unzureichende Arbeitssuche führt indessen noch nicht notwendig zur Versagung des Anspruchs aus § 1573 Abs. 1 BGB. Die mangelhafte Arbeitssuche muss vielmehr für die Arbeitslosigkeit auch ursächlich sein. Eine Ursächlichkeit besteht nicht, wenn nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes sowie den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des Unterhalt begehrenden Ehegatten für ihn keine > reale Beschäftigungschance bestanden hat (Senatsurteil vom 27. Januar 1993 - XII ZR 206/91 - FamRZ 1993, 789, 791). Vielmehr ist für die Frage der realen Beschäftigungschance darauf abzustellen, ob eine solche bestanden hätte, wenn die Beklagte von Anfang an ihrer Erwerbsobliegenheit genügt hätte (vgl. auch Senatsurteil vom 20. Februar 2008 - XII ZR 101/05 - FamRZ 2008, 872, 873 f. mit Anmerkung Hoppenz). Dabei ist vor allem einzubeziehen, dass die Beklagte, wie das Familiengericht und das Berufungsgericht übereinstimmend festgestellt haben, bei einer zunächst in Teilzeit ausgeübten Tätigkeit trotz ihres Alters die Chance einer späteren - sukzessiven - Aufstockung zu einer Vollzeitstelle deutlich verbessert haben könnte. Das Berufungsgericht hat die auf Seiten der Beklagten bestehenden Schwierigkeiten, ihr Alter, ihre kaum entwickelte berufliche Praxis und die lange Zeit des beruflichen Ausstiegs in die Betrachtung mit einbezogen. Auch wenn sich diese Faktoren im Ergebnis lediglich bei der Höhe des erzielbaren Einkommens niedergeschlagen haben, hat das Berufungsgericht sie ersichtlich gewürdigt. Wenn es in Anbetracht der bereits seit 1998 von den Parteien angenommenen (Teilzeit-)Erwerbsobliegenheit unter Einbeziehung von Fortbildungsmöglichkeiten dennoch eine bestehende reale Beschäftigungschance ("im abhängigen oder selbständigen Bereich") gesehen hat, ist dies als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung nicht zu beanstanden. In Anbetracht des vorhandenen beruflichen Spektrums brauchte das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen auch keine konkrete Tätigkeit zu benennen. Eine Tätigkeit als Putz- oder Verkaufshilfe hat das Berufungsgericht der Beklagten ferner nicht unterstellt. Das für erzielbar erklärte Nettoeinkommen von 1.300 € bewegt sich vielmehr im selben Rahmen wie das von der Beklagten im Vergleich vom 28. Januar 2002 akzeptierte Einkommen von 818 € für eine Halbtagstätigkeit und ist schon deswegen im Zweifel noch angemessen im Sinne von § 1574 BGB (alter und neuer Fassung). Auch wenn schließlich eine sichere rückblickende Einschätzung nicht mehr möglich war und ist, gehen verbleibende Zweifel hinsichtlich einer fehlenden realen Beschäftigungschance zu Lasten der beweisbelasteten Beklagten (Senatsurteil vom 27. Januar 1993 - XII ZR 206/91 - FamRZ 1993, 789, 791). Dass es sich bei der realen Beschäftigungschance um eine objektive Voraussetzung handelt (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 1145, 1146 - betreffend den Unterhaltsschuldner), ändert an der Beweislastverteilung nichts. Der vom Berufungsgericht im angefochtenen Urteil darüber hinausgehend zum Ausdruck gebrachten Überzeugung von einer realen Beschäftigungschance der Beklagten bedurfte es wegen der die Beklagte treffenden Beweislast demnach nicht."

BGH, Urteil v. 27.05.2009 - XII ZR 78/08
Erwerbsbemühungen & Eigenverantwortung beim nachehelichen Unterhalt


(Zitat, Rn 41 f.) "Das Berufungsgericht hat der Antragsgegnerin mangels hinreichender Erwerbsbemühungen ein fiktives Einkommen zugerechnet. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats. Das gilt zunächst insoweit, als die Antragsgegnerin im Rahmen der sie nach § 1569 BGB treffenden unterhaltsrechtlichen Eigenverantwortung gehalten war, ihre > nicht ausreichend ertragreiche selbständige Tätigkeit aufzugeben und sich stattdessen um eine nichtselbständige Tätigkeit zu bemühen. Im Rahmen der Unterhaltsbedürftigkeit nach § 1577 Abs. 1 BGB trägt die Antragsgegnerin als Gläubigerin die Darlegungs- und Beweislast sowohl für hinreichende Erwerbsbemühungen als auch das Fehlen einer realen Beschäftigungschance (Senatsurteile vom 30. Juli 2008 - XII ZR 126/06 - FamRZ 2008, 2104, 2105 und vom 27. Januar 1993 - XII ZR 206/91 - FamRZ 1993, 789, 791 - jeweils zum Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 1 Rdn. 522)."

BGH, Urteil v. 21.09.2011 - XII ZR 121/09
Erwerbsbemühungen bei nachehelicher Eigenverantwortung - Erwerbschancen über 50


(Zitat, Rn 15 ff.) "Die Anzahl der vom Anspruchsteller vorgetragenen Bewerbungen ist nur ein Indiz für seine dem Grundsatz der Eigenverantwortung entsprechenden Arbeitsbemühungen, nicht aber deren alleiniges Merkmal. Vielmehr kann auch bei nachgewiesenen Bewerbungen in großer Zahl die Arbeitsmotivation nur eine vorgeschobene sein, während andererseits bei realistischer Einschätzung der Arbeitsmarktlage auch Bewerbungen in geringerer Zahl ausreichend sein können, wenn etwa nur geringe Chancen für einen Wiedereintritt in das betreffende Berufsfeld bestehen (vgl. OLG Hamm FamRZ 2010, 1914 für eine Textilverkäuferin). Allerdings kann allein durch einen Rückgriff auf das Lebensalter des Unterhalt Begehrenden von über 50 Jahren ebenfalls nicht generell belegt werden, dass für ihn keine realistische Erwerbschance bestehe (vgl. dazu Kaiser/Dahm NZA 2010, 473 mwN). Vielmehr kommt es auch insofern vorwiegend auf die individuellen Verhältnisse an, die vom Familiengericht aufgrund des - ggf. beweisbedürftigen - Parteivortrags und der offenkundigen Umstände umfassend zu würdigen sind (vgl. auch Senatsurteil vom 15. November 1995 - XII ZR 231/91 - FamRZ 1996, 345, 346 mwN zur entsprechenden Lage beim Unterhaltspflichtigen).

BGH, Urteil vom 18.1.2012 - XII ZR 178/09
Erwerbsbemühungen & nacheheliche Eigenverantwortung


Leitsatz: Der unterhaltsberechtigte Ehegatte trägt im Rahmen des Unterhaltsanspruchs wegen Erwerbslosigkeit die Darlegungs- und Beweislast nicht nur dafür, dass er keine reale Chance auf eine Vollzeitarbeitsstelle hat, sondern auch dafür, dass dies in gleicher Weise für eine geringfügige Beschäftigung (sog. Mini-Job) und auch für eine Erwerbstätigkeit im Rahmen der Gleitzone nach § 20 Abs. 2 SGB IV (sog. Midi-Job) zutrifft.

Ab Rn 30 der Entscheidung geht der BGH nochmals ausführlich auf die Anforderungen an eine zumutbare Arbeitssuche ein und betont, dass allein die bloße Anmeldung beim Arbeitsamt den Anforderungen an die Bemühungen um einen Arbeitsplatz nicht genügt. Gleichzeitig stellt der BGH klar, dass die mangelhafte Arbeitssuche ursächlich für die Arbeitslosigkeit sein muss. Dies ist nicht der Fall, wenn keine reale Beschäftigungschance besteht (Senatsurteil vom 21. September 2011 - XII ZR 121/09 - FamRZ 2011, 1851 Rn. 13 f. mwN).