BGH, Beschluss vom 20. Juni 2018 - XII ZB 573/17
Statthafte Klageart gegen Unterhaltsvereinbarungen
in einem einstweiligen Anordnungsverfahren
Anmerkung: Dem> Abänderungsantrag nach § 239 FamFG gegen eine vollstreckbare Unterhaltsvereinbarung (> Unterhaltstitel) kann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn der Antragsteller die Abänderung eines in einem einstweiligen Anordnungsverfahren (§§ > 49 ff FamFG) geschlossenen Unterhaltsvereinbarung begehrt. Soweit ein Unterhaltsvergleich nur die vorläufige Regelung der einstweiligen Anordnung übernimmt und den Unterhalt nicht endgültig regeln soll, hat er keine über die einstweilige Anordnung hinausgehende Wirkung und kann daher nicht als Titel i.S.d. § 239 FamFG gelten (vgl. OLG Jena FamRZ 2012, 54 f.; OLG Köln FamRZ 2015, 598, 599; Langheim FamRZ 2014, 1413, 1419). In einem solchen Fall hat der Antragsstellende die Wahl, ob er entweder gemäß § 54 FamFG auf Abänderung anträgt oder einen negativen Feststellungsantrag stellt (OLG Jena FamRZ 2012, 54, 55; Giers, Einstweiliger Rechtsschutz in der familienrechtlichen Praxis 2. Aufl. Rn. 269; Keidel/Giers 19. Aufl. § 54 Rn. 2).
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» Abänderung eines im einstweiligen Anordnungsverfahrens ergangenen Gerichtsbeschlusses
Die Beteiligten können dem im einstweiligen Anordnungsverfahren geschlossenen Unterhaltsvergleich eine weitergehende (nicht nur vorläufige) abschließende Wirkung beilegen, wofür allerdings sichere Anhaltspunkte gegeben sein müssen. Ist vor Gericht protokollierte die Unterhaltsvereinbarung – wenn auch nur zeitlich für die Dauer des Anordnungsverfahrens befristet – als endgültige Regelung gedacht, dann ist er nur den > Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage unterworfen und gemäß § 239 FamFG abänderbar (OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1377). Für einen summarischen (vorläufigen) Regelungscharakter spricht, wenn im einstweiligen Anordnungsverfahren zum Unterhaltsvergleich keine Vergleichsgrundlage aufgenommen wurde.
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» Abänderungsverfahren
> Unterhaltsvergleiche können zwar > Vollstreckungstitel sein, doch weisen Sie keine Rechtskraft wie Gerichtsbeschlüsse auf. Damit sind sie weit offener für Abänderungsmöglichkeiten als ein > Gerichtsbeschluss. Deshalb differenziert das Gesetz bei der Frage nach der Abänderungsmöglichkeit von Unterhaltstiteln nach der > Art des Unterhaltstitel.
Soll eine vollstreckbare > Unterhaltsvereinbarungen abgeändert werden, gilt § > 239 Abs.2 FamFG. Der BGH erklärt, wie der Verweis des § 239 Abs.2 FamFG auf die Vorschriften des BGB zu interpretieren ist. Er stellt fest, dass sich die Abänderung von Vergleichen allein nach "materiellen Kriterien" richtet (vgl. BGH, Senatsurteil vom 25. 11. 2009 - XII ZR 8/08 - Tz. 13; Senatsurteil vom 19. März 1997 - XII ZR 277/95; Senatsurteil vom 9. Juni 2004 - XII ZR 308/01). Die Abänderungsmöglichkeit eines Unterhaltsvereinbarung beurteilt sich damit nach materiellem Zivilrecht, also nach der Lehre zur materiellen Bindungswirkung von Verträgen. "Pacta sunt servanda" (wörtlich: "Verträge sind einzuhalten"). Materieller Bindungswille der Vertragspartner steht der Abänderungsmöglichkeit im Weg.
BGH, Urteil vom 23.11.2011 - XII ZR 47/10
Auslegung - Bindungswille
(Zitat) "Die Abänderung eines Prozessvergleichs richtet sich allein nach materiell-rechtlichen Kriterien (Senatsurteil BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 12 f. mwN). Dabei ist - vorrangig gegenüber einer Störung der Geschäftsgrundlage - durch Auslegung zu ermitteln, ob und mit welchem Inhalt die Parteien eine bindende Regelung hinsichtlich einer möglichen Herabsetzung bzw. Befristung getroffen haben (vgl. Senatsurteil BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 Rn. 13 mwN)."
In der Praxis kommt es häufig vor, dass die Abänderungsmöglichkeit vertraglich (nach dem Willen der Vertragsparteien) konkludent oder ausdrücklich ausgeschlossen oder beschränkt wurde. Der Parteiwille hat Vorrang und führt dazu, dass eine Auslegung (§ > 157 BGB) des Vergleichs stattfinden muss und zu ermitteln ist, ob der Parteiwille einer Abänderung entgegensteht (> Bindungswirkung des Vergleichs). Erst wenn die Unterhaltsvereinbarung kein Zeichen für einen vertraglichen Abänderungsausschluss aufweist, kann an einen Abänderungsgrund nach Maßgabe des § > 313 BGB gedacht werden.
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Schwierig wird es, wenn in der Vereinbarung auf die Frage der Abänderungsmöglichkeit nicht eingegangen wurde. Bedeutet dieses vetragliche Schweigen, dass es keine Abänderungsmöglichkeit geben soll? Oder ist das stets ein eindeutiges Indiz dafür, dass ein Abänderungsgrund nach § 313 BGB geprüft werden kann? Auch hier muss im Wege der Auslegung und mit der Frage nach dem Willen der Partein die Lösung erfolgen. Auch wenn der Vergleich Regelungen zur Abänderung zum Teil enthält, kann daraus nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass eine Abänderung wegen nicht im Vergleich geregelter Gründe ausgeschlossen sein soll. (Zitat: BGH, Urteil v. 26. Mai 2010 - XII ZR 143/08, Rn 18) "Auch daraus, dass die Parteien im Hinblick auf die Einkommensentwicklung eine spätere Abänderung des Vergleichs bedachten und insoweit zur Abänderbarkeit des Vergleichs eine nähere Regelung trafen, folgt noch nicht, dass sie andere, Abänderungsgründe ausschließen wollten. Bei der gebotenen interessengerechten Auslegung ist vielmehr zu berücksichtigen, dass neben den Einkommensverhältnissen etliche andere Gesichtspunkte für eine Abänderung in Betracht kommen (vgl. BGH vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08; FamRZ 2010, 192: verfestigte Lebensgemeinschaft), die einen generellen Ausschluss der Abänderung aus weiteren Gründen als fernliegend erscheinen lassen. Schon aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Abänderungsbestimmung in dem Vergleich im Zweifel nicht als eine abschließende Regelung gewollt war."
Soweit nach Gesetz ein Unterhaltsanspruch einer vertraglichen Regelung zugänglich ist (zur Vertragsfreiheit > hier), kommt ein vollständiger Abänderungsausschluss in Betracht. In der Praxis kann dies beim > nachehelichen Unterhalt durchaus der Fall sein. Je weiter sich der Ausschluss auf jeden erdenklichen Abänderungs- oder sogar Erlöschensgrund (z.B. § 1586 BGB > Wiederverheiratung) erstrecken soll, desto höhere Anforderungen werden an die ausdrückliche Formulierung der jeweiligen auszuschließenden Abänderungs- und Erlöschensgründe in der Unterhaltsvereinbarung gestellt.
Die Wiederverheiratung ist ein Erlöschensgrund nach § 1586 Abs.1 BGB für den > nachehelichen Unterhalt. Es ist in Rechtsprechung und Literatur unstreitig, dass dieser Erlöschungsgrund vertraglich abdingbar ist und nicht zu den indisponiblen Schutzrechten des Unterhaltsrechts zählt. Es kann jedoch darüber gestritten werden, wie deutlich in der Unterhaltsvereinbarung erklärt sein muss, dass der nacheheliche Unterhalt nicht wegen Wiederheirat erlischt. Das OLG Bamberg, Urteil vom 1. 4. 1999 - 2 UF 20–99 hat dazu entschieden (Leitsatz): "Die Wiederverheiratungsklausel des § 1586 BGB kann vertraglich abbedungen werden. Hierzu bedarf es einer klaren und eindeutigen Festlegung. (...) Im Zweifel ist das nicht anzunehmen." Dies bedeutet: Im Einzelfall muss über die Auslegung der Unterhaltsvereinbarung ermittelt, ob die Wiederheirat den (unabänderlich) vereinbarten und titulierten Unterhalt zum erlöschen bringt und mit einer > Vollstreckungsabwehrklage angreifbar ist. Bleiben (Auslegungs-)Zweifel, dann erlicht der vereinbarte Unterhalt mit der Wiederheirat. Dazu Fall aus unserer Praxis, Az.: 306/18)
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(Zitat) "Geltungsgrund des Vergleichs ist allein der Wille der Beteiligten, welcher auch maßgebend ist für Art und Umfang einer in Betracht kommenden Titelanpassung (vgl. Wendl/Dose - Schmitz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Auflage 2015, § 10 Rn. 262). Für die Annahme einer Unabänderlichkeit setzt die Rechtsprechung des BGH hohe· Hürden. So genügt ein pauschaler > Unterhaltsvergleich ohne Aufnahme einer Geschäftsgrundlage nicht; wenn auch für den Fall der Gesetzesänderung oder der Änderung der Rechtsprechung keine Änderung gewollt sein soll, müssen diese Fälle in der Vereinbarung ausdrücklich genannt sein (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2009 - XII ZR 8/08). Regelmäßig ist eine Unabänderbarkeit anzunehmen, wenn im Zusammenhang mit einer Vermögensauseinandersetzung gleichzeitig ein umfassender Unterhaltsverzicht zum nachehelichen Unterhalt vereinbart wird (vgl. Musielak/Borth - Grandel, FamFG, 5. Auflage 2015, § 239 Rn. 15)
§ 239 Abs.2 FamFG ermöglicht mit Verweis auf das allgemeine Zivilrecht die Anwendung des § > 313 BGB als Abänderungsmaßstab. Damit wird klar, dass die in § 313 BGB formulierten Voraussetzungen die Abänderungshürde für einen Abänderungsgrund darstellen:
BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 - XII ZR 143/08
Zur Äbänderung ohne veränderte tatsächliche Verhältnisse
Leitsatz: "[...] Eine Abänderung des Vergleichs ist insoweit auch ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und ohne Bindung an den Vergleich möglich."
Objektive Sachlage und subj. Vorstellung:
Ist § 239 FamFG i.V.m. § 313 BGB (= Störung der Geschäftsgrundlage) erfasst regelmäßig solche Fälle, in denen sich die unterhaltsrelevanten Umstände nach Vertragsabschluss unvorhersehbar verändert haben. Doch zwingende Voraussetzung ist das wiederum nicht. Es kann auch eine Abänderung in Betracht kommt, wenn eine falsche Vorstellung der Vertragsparteien über die Geschäftsgrundlage (Bemessungsgrundlagen) zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorherrschte. Die objektive Sachlage für die Unterhaltsberechnung muss sich nach Vertragsabschluss tatsächlich nicht geändert haben. Damit zeigt sich, dass Abänderungsgrund auch ein Grund sein kann, der von Anfang an objektiv - aber anfänglich subjektiv unentdeckt - vorlag.
Irrtum - Täuschung - Drohung:
Wenn sich ein Anfechtungsgrund wegen Irrtum (§ 119 BGB) oder wegen Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB) feststellen lässt, kann auch eine > Anfechtung der Unterhaltsvereinbarung in Betracht kommen. Im Gegensatz zur Abänderung, welche zu einer Vereinbarungsanpassung führt, gilt die Unterhaltsvereinbarung bei Anfechtung als von Anfang an nichtig (§ 142 Abs.1 BGB).
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Ist eine Geschäftsgrundlage zur Unterhaltsvereinbarung festzustellen und wurde die Abänderung nicht vertraglich ausgeschlossen, so ist der Weg frei zur Abänderung im Wege der Vertragsanpassung an die gewollte Geschäftsgrundlage. Nach § 313 BGB findet diese nur insoweit statt, wie ein Festhalten der Vertragsparteien an die ursprüngliche Unterhaltsvereinbarung nicht zugemutet werden kann. Dazu muss sich der Unterhalt wesentlich ändern (> Wesentlichkeitsschwelle). Im Regelfall ist diese Voraussetzung gegeben, wenn der Zahlbetrag an Unterhalt sich um mehr als 10 % aufgrund der veränderten > Bemessungsgrundlagen ändert. Abzustellen ist jeweils auf die Umstände des Einzelfalls.
Weiterführende Links:
» zu den Abänderungsgründen
» Zum Begriff "wesentliche Veränderung"
Man mag daran denken, allein die Tatsache einer eingetretenen Insolvenz nach Abschluss der Unterhaltsvereinbarung als einen Abänderungsgrund nach § 313 BGB heranzuziehen. Denn dass die Parteien auch eine Unterhaltsvereinbarung getroffen hätten, wenn die spätere Insolvenz bei Vertragsabschluss bekannt gewesen wäre, darf regelmäßig bezweifelt werden. Allerdings fallen grundsätzlich wirtschaftliche Leistungsschwierigkeiten in den Risikobereich des Unterhaltsschuldners. Nur im Ausnahmefall, wenn die Leistung des Unterhalts wirtschaftlich unmöglich wird und zwar aufgrund von Umständen außerhalb des Einfluss- und Risikobereich des Unterhaltsschuldners, kann ein Festhalten an der Unterhaltsvereinbarung als > unzumutbar erscheinen. In diesem Fall könnte eine Neuberechnung der Unterhaltspflichten nach Maßgabe des gem. § 850c ZPO pfändungsfreie Einkommens in Betracht kommen.
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Gerichtliche Entscheidungen können nur nach Maßgabe des § > 238 Abs.3 FamFG rückwirkend abgeändert werden. § 238 Abs.3 FamFG gilt aber nicht für Unterhaltsverträge oder > Jugendamtsurkunden. Hier richtet sich die Frage nach der rückwirkenden Abänderung gem. § > 239 Abs.2 FamFG ausschließlich nach den Vorschriften des BGB. Somit ist für die Abänderung von Unterhaltsverträgen § > 313 BGB maßgebend. § 313 BGB erklärt aber nicht, ob der vertraglich geregelte Unterhalt rückwirkend auf den Zeitpunkt der Änderung der Vertragsgrundlagen oder vielmehr erst ab dem Zeitpunkt des Verlangens der Abänderung für die Zukunft zu erfolgen kann.
(Zitat, Rn 15) „Auf Prozessvergleiche ist die Präklusionsvorschrift des § > 238 Abs. 2 FamFG - ebenso wie § > 323 Abs. 2 ZPO - nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von vornherein nicht anzuwenden, weil sie die Rechtskraftwirkung unanfechtbar gewordener Entscheidungen sichern soll (vgl. Senatsurteile vom 23. Mai 2012 - XII ZR 147/10, Rn. 14, vom 7. Dezember 2011 - XII ZR 159/09, Rn. 23 und vom 3. November 2004 - XII ZR 120/02, 102 f.) und dieser Zweck bei gerichtlichen Vergleichen nicht in Betracht kommt (vgl. Senatsurteil vom 23. November 1994 - XII ZR 168/93). Vielmehr richtet sich die Abänderung eines Prozessvergleichs gemäß § -> 239 Abs. 2 FamFG allein nach materiell-rechtlichen Kriterien. Dabei ist durch Auslegung zu ermitteln, ob und mit welchem Inhalt die Parteien eine bindende Regelung hinsichtlich späterer Abänderungen getroffen haben (vgl. Senatsurteile vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10, Rn. 15).“
OLG Naumburg, Urteil v. 08.12.2009 - 3 UF 9/09Die Abänderung von Unterhaltsvereinbarungen setzt eine gestörte Geschäftsgrundlage voraus. Doch was passiert, wenn sich keine Geschäftsgrundlage ermitteln, d.h. erkennen lässt? Es gibt Vergleiche, die keinerlei Geschäftsgrundlagen (> Bemessungsfaktoren des Unterhalts) vorformulieren oder es kann sich auch im Wege der Auslegung der Parteiwillen keine Geschäftsgrundlage des Vergleichs ermitteln lassen (z.B. fehlen Angaben zu den Berechnungsgrundlagen bzw. zum unterhaltsrelevanten Einkommen usw.). Wenn sich keine Geschäftsgrundlage ermitteln lässt, stellt sich die Frage, was dann abgeändert werden kann. Der Gegenstand einer Abänderung (hier Geschäftsgrundlage) existiert nicht oder kann nicht beweissicher aufgeklärt werden. Aus der bloßen Festlegung eines Pauschalbetrages. d.h. aus dem Fehlen einer Berechnungsgrundlage ergibt sich ein vereinbarter Ausschluss der Abänderbarkeit nicht. Hier behilft sich die Rechtsprechung damit, dass ohne jegliche Bindung an nicht vorhandene (oder nicht rekonstruierbare) Vertragsgrundlagen eine vollständige Neuberechnung des Unterhalts im Wege eines Abänderungsverfahrens zulässig ist und zwar wird die Abänderung durchgeführt, als würde es sich um eine Erstfestsetzung des Unterhaltsanspruchs handeln (BGH, Urteil v. 3.5.2001 - XII ZR 62/99). Das gilt aber nur dann, wenn sich keine Regelung (Willen) der Vertragsparteien erkennen lässt, die ausdrücklich die Abänderung ausschließt (BGH, Urteil v. 25.09. - XII ZR 8/08, Rn 15).
Leitsatz: "Ist in einem pauschalen Unterhaltsvergleich keine Geschäftsgrundlage niedergelegt, kann dies für einen Ausschluss der Anpassung an die abweichenden tatsächlichen Verhältnisse bei Vertragsschluss sprechen. Die Abänderbarkeit wegen Änderung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) durch geänderte tatsächliche Verhältnisse seit Vertragsschluss oder durch eine Änderung des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist dadurch aber regelmäßig nicht ausgeschlossen."
Anmerkung: Im Ergebnis führt dies Rechtsprechung zu folgender Beweislastverteilung: Eine Unterhaltsvereinbarung ohne Geschäftsgrundlage wird zunächst vermutet, dass die Vereinbarung nicht abänderbar ist. Diese Vermutung kann jedoch vom Abänderungsbegehrenden widerlegt werden. Dafür muss er eine tatsächliche Veränderung zwischen dem Zeitpunkt des Abschlusses der Unterhaltsvereinbarung und der aktuell maßgebenden Bemessungsgrundlagen substantiiert darlegen und im Streitfall beweisen.
Weiterführende Links:
» der gerichtliche Weg zur Unterhaltsabänderung
Weitere Beispiele:
» Zur Abänderung eines Vergleichs zum Kindesunterhalt wegen Änderung der Düsseldorfer Tabelle: OLG Koblenz, Urteil vom 05.09.2018 - 13 U 308/18
Die rückwirkende Herabsetzung eines Unterhaltstitels verfolgt den Zweck, den in der Vergangenheit > zu viel bezahlten Unterhalt zurückfordern zu können. Für alle nach dem 01.09.2009 eingeleiteten Abänderungsverfahren ist zur Abschneidung des Einwands nach § > 818 Abs.3 BGB (Einwand fehlender Bereicherung wegen Verbrauch der Unterhaltszahlungen) die gleichzeitige, ggf. hilfsweise Erhebung einer > Rückforderungsklage nicht mehr notwendig. Das seit dem 01.09.2009 geltende FamFG hat mit § > 241 FamFG klargestellt, dass bereits die Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens die Wirkung einer verschärften Haftung nach § > 818 Abs.4 BGB auslöst und ab diesem Zeitpunkt Rückforderungen ermöglicht. Wer sich vor diesem Zeitpunkt Rückforderungsmöglichkeiten sichern und den Unterhalt "unter Vorbehalt der Rückforderung" bezahlen will, sollte an die > Darlehenslösung des BGH denken.
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OLG Koblenz, Urteil vom 05.09.2018 - 13 U 308/18
Abänderung einer auf Einigung basierenden Jugendamtsurkunde
Zur Abänderung eines Prozessvergleichs über > nachehelichen Unterhalt wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit (§ 1574 BGB)
(Zitat) "Bei einer > Freistellungsabrede handelt es sich nicht um eine Unterhaltsvereinbarung im eigentlichen Sinne. Zwar können die Grundsätze über die vertragliche Bemessung des Unterhalts und die Anpassung von Unterhaltsvereinbarung an veränderte Verhältnisse nicht unmittelbar angewendet werden, wenn die Anpassung einer Freistellungsvereinbarung in Rede steht, jedoch gelten die allgemeinen Regeln über das Fehlen und dem Wegfall der Geschäftsgrundlage aber auch für die Freistellungsvereinbarungen, denn sie sind als Ausprägung des § 242 BGB ebenso wie für schuldrechtliche Verträge, auch für Verträge des Familienrechts anwendbar. Nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt daher vorliegend eine Anpassung der Freistellungsabrede in Betracht. Es hat eine Anpassung und Auslegung zu erfolgen. Diese führt dazu, dass im vorliegenden Fall dem Antragsteller ein > Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB zusteht."
Anmerkung: Der barunterhaltspflichtige Vater des Kindes bezahlte zur Abfindung des künftigen Kindesunterhalts an die Mutter einen einmaligen Betrag. Im Gegenzug dafür stellte die Mutter den Vater von Barunterhaltsplichten für das Kind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres frei. Der Abfindungsbetrag wurde nach Maßgabe der voraussichtlichen Barunterhaltspflicht bis zur Volljährigkeit des Kindes ermittelt. Im zu entscheidenden Fall kam es zur Abänderung einer Freistellungsvereinbarung zum Kindesunterhalt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (vgl. > OLG Hamm, Urteil vom 07.01.1988 - 6 UF 356/97), weil das Kind unvorhergesehen weit vor Erreichen seiner Volljährigkeit seinen gewöhnlichen Aufenthalt von der Mutter zum Vater wechselte. Der Vater beanspruchte mit Abänderung der Freistellungsvereinbarung den überbezahlten Anteil der geleisteten Abfindung.
Weiterführende Links:
» Voraussetzungen für eine zulässige Freistellungsvereinbarung zum Kindesunterhalt