Sorgerecht für den nicht mit der Mutter verheiraten Vater


Das Wichtigste in Kürze

  1. Bis zur Volljährigkeit des Kindes haben die Eltern das Sorgerecht (§ 1626 BGB).  Sorgerecht ist die Entscheidungskompetenz der Eltern, um Angelegenheiten des minderjährigen Kindes zu regeln.
  2. Sind die Eltern bei Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, steht dem leiblichen Vater des Kindes das Mitsorgerecht – zusammen mit der Mutter – nicht automatisch zu. Um das Sorgerecht als leiblicher Vater zu erhalten, gibt es verschiedene Möglichkeiten und rechtliche Schritte, die unternommen werden können:
    1. Sorgerechtserklärung beim Jugendamt: Unverheiratete Eltern können das geteilte Sorgerecht durch eine Sorgerechtserklärung beim Jugendamt vereinbaren. Dies ist der einfachste Weg, das gemeinsame Sorgerecht zu erreichen, wenn beide Eltern damit einverstanden sind.
    2. Sorgerechtsantrag beim Familiengericht: Wenn die Mutter das geteilte Sorgerecht ablehnt, kann der Vater beim Familiengericht das gemeinsame Sorgerecht beantragen. In diesem Fall ist es wichtig, dass der Vater nachweisen kann, dass das gemeinsame Sorgerecht im besten Interesse des Kindes ist.
  3. Es ist wichtig zu beachten, dass in einigen Fällen, in denen das Kind bereits von der Mutter und ihrem Ehemann aufgezogen wird, der leibliche Vater möglicherweise Schwierigkeiten hat, eine Beziehung zu seinem Kind aufzubauen. In solchen Fällen hat der leibliche Vater jedoch Rechte auf Umgang mit seinem Kind, wenn dies dem Kindeswohl dient.
  4. Ein spezialisierter Rechtsanwalt kann dabei helfen, die rechtlichen und familiären Risiken von Streitigkeiten rund um das Sorgerecht einzuschätzen. Holen Sie sich bei Bedarf rechtlichen Rat ein und kontaktieren Sie uns noch heute.

  • Verfahren
    zum Sorgerecht für den leiblichen Vater

    Seit der  Gesetzesnovelle 2013 kann das Sorgerecht des leiblichen Vaters – auch gegen den Widerstand der Mutter – gerichtlich durchgesetzt werden. Es ist wichtig, dass der leibliche Vater sich über seine Rechte und Pflichten informiert und bei Bedarf rechtlichen Rat einholt, um den besten Weg zu finden, das Sorgerecht für sein Kind zu erlangen: 

    > Wegweiser zum Sorgerecht für den leiblichen Vater


Der gesetzliche Vater

Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes miteinander verheiratet, haben sie automatisch das gemeinsame Sorgerecht. Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet, wird es kompliziert: Zunächst muss geklärt werden, ob der leibliche Vater auch Vater im Sinne des Gesetzes ist oder werden kann (gesetzlicher Vater).

Es gibt die Situation, dass der gesetzliche Vater nicht der leibliche Vater ist (Fall: Kuckuckskind).  Ein minderjähriges Kind kann laut deutschem Recht nicht zwei gesetzliche Väter und deshalb auch keine zwei sorgeberechtigte Väter haben. Erst wenn die gesetzliche Elternschaft für den leiblichen Vater feststeht oder über ein Vaterschaftsverfahren erreicht werden kann, kann es anschließend zu einem Sorgerecht für den leiblichen Vater kommen. Entweder muss dazu die gesetzliche Vaterschaft

Gibt es weder eine einvernehmliche Vaterschaftsanerkennung noch eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung und ist das Kind auch nicht während der Ehe der Mutter mit einem anderen Mann geboren worden, so hat das Kind keinen gesetzlichen Vater. Bleibt ein anderer Mann als der leibliche Vater der gesetzliche Vater, so kann der leibliche Vater allenfalls das Umgangsrecht mit dem Kind anstreben.


Sorgeerklärungen

Außergerichtlich zum Mitsorgerecht

Es geht auch ohne gerichtliche Hilfe:

Wollen die Eltern einvernehmlich das gemeinsame Sorgerecht, haben sie eine entsprechende Sorgerechtserklärung abzugeben, die öffentlich beurkundet wird. Um das gemeinsame Sorgerecht zu erlangen, müssen nicht verheiratete Eltern nur erklären, dass sie es beide ausüben wollen. Für die Erklärungen ist nicht erforderlich, dass sie zusammenleben oder dass sie keine anderen Partner haben. Es ist jedoch wichtig, dass die Eltern persönlich Sorgeerklärungen (Merkblatt) beim Jugendamt oder einem Notar abgeben und diese öffentlich beglaubigen lassen (§ 1626d Abs.1 BGB). Diese Maßnahme gewährleistet die rechtliche Gültigkeit der Erklärungen.

Dafür ist u.a. der Notar oder die Urkundsperson eines Jugendamtes zuständig (§ 87e SGB-VIII). Die Erklärung können entweder beide Elternteile gemeinsam oder jeder einzeln abgegeben, und zwar auch bei unterschiedlichen Notaren oder Jugendämtern. Wurde die Vaterschaft vor der Geburt anerkannt1594 Abs.4 BGB), kann auch die Sorgeerklärung vor der Geburt des Kindes abgegeben werden (§ 1626b Abs.2 BGB). Beim Jugendamt ist die Beurkundung gebührenfrei, beim Notar dagegen nicht.

Das gemeinsame Sorgerecht entsteht und wird erst wirksam, wenn beide Eltern die Sorgeerklärung abgegeben haben. Liegen die Sorgeerklärungen in beurkundeter Form vor, sind sie bindend1626e BGB). Das gemeinsame Sorgerecht kann nicht mehr einseitig durch Widerruf oder Verzichtserklärung aufgegeben werden. 

Will die Mutter dem leiblichen Vater nicht freiwillig das (Mit-) Sorgerecht einräumen, kann der Vater dazu ein familiengerichtliches Verfahren anstreben.


Gerichtliche Übertragung
des Mitsorgerechts

§ 1626a BGB
Gesetzestext


(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu,

1. wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen),
2. wenn sie einander heiraten oder
3. soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.

(2) Das Familiengericht überträgt gemäß Absatz 1 Nummer 3 auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.

(3) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.


Rechtsprechung


OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.06.2020 - 20 UF 14/20 (Volltext veröffentlicht in FF 2020, 502)
§ 1626a Abs.1 Ziff.3 BGB: gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern


Anmerkung: Ohne Sorgeerklärungen kommt es bei nicht miteinander verheirateten Eltern zum gemeinsamen Sorgerecht nur, wenn das Gericht das gemeinsame Sorgerecht beschließt und entsprechend überträgt (§ 1626a Ziff.3 BGB). Das OLG Karlsruhe geht in seiner Entscheidung ausführlich auf die für die Übertragung erforderlichen Voraussetzungen ein. Es findet eine doppelte Kindeswohl-Prüfung statt.

AG Passau, Beschluss 17.10.2019 - 2 F 405/18
§ 1626a Abs.1 Ziff.3 BGB: gemeinsames Sorgerecht gegen den Willen der Mutter


Anmerkung: Der Beschluss ist ein Beispiel dafür, dass eine doppelte Kindeswohl-Prüfung zum gemeinsamen Sorgerecht der Eltern gegen den Willen der Mutter führen kann.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 09.12.2013 - 7 UF 1195/13
Wann widerspricht das
Mitsorgerecht des Vaters dem Kindeswohl?


Leitsatz: Aus der Neuregelung des § 1626a Abs.2 BGB ergibt sich ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Gunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge. Der Antrag des bisher nicht sorgeberechtigten Vaters, ihm das Mitsorgerecht zu übertragen, kann daher nur abgewiesen werden, wenn mit erheblicher Gewissheit festgestellt werden kann, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widersprechen würde.

Wann „widerspricht“ das gemeinsame Sorgerecht dem Kindeswohl?
Mit dem Begriff „Widerspruch“ gegen das Kindeswohl hat sich das OLG Nürnberg beschäftigt. Die gemeinsame Ausübung der Eltern­verantwortung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus und erfordert ein Mindestmaß an Übereinstim­mung zwischen ihnen (BVerfG 107, 150 ff., 169).

Dabei kann allein aus der Ablehnung einer gemeinsamen Sorge durch die Kindsmutter nicht die Annahme begründet werden, dass in einem solchen Fall die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widerspricht, weil es dann die Mutter in der Hand hätte, ob es zu einem gemeinsamen Sorgerecht kommt oder nicht. Es sind demnach kon­krete Anhaltspunkte darzutun, dass eine gemeinsame Sorge sich nachteilig auf das Kind auswir­ken würde. Dies gilt umso mehr, als beide Elternteile aufgerufen sind, zu lernen, ihre persönlichen Konflikte, die auf der Paar-Ebene zwischen ihnen bestehen mögen, beiseite zu lassen und um des Wohls ihres Kindeswillens sachlich, und soweit das Kind betroffen ist, konstruktiv miteinander umzugehen. Sie sind mithin gehalten – sich um des Kindeswillens – notfalls unter Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe von außen, um eine angemessene Kommunikation zu bemühen.

Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt der gemeinsamen elterlichen Sorge als Leitbild der Aus­übung der elterlichen Sorge der Vorrang zu. Deshalb ist die gemeinsame elterliche Sorge im Re­gelfall auch dann anzuordnen, wenn die Eltern nicht miteinander verheiratet sind. Aus der gesetz­lichen Vermutung, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl entspricht, leitet sich ein Regel-Ausnahme-Verhältnis ab. Der Antrag eines mit der Mutter des Kindes nicht verheirate­ten Vaters, ihm das Mitsorgerecht zu übertragen, kann daher nur abgewiesen werden, wenn mit erheblicher Gewissheit festgestellt werden kann, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widersprechen würde.

Kommunikationsstörung
und gemeinsames Sorgerecht


Mit welchem Sachvortrag erfolgreich gegen die Kommunikationsverweigerung der Mutter als Argument gegen das gemeinsame Sorgerecht vorgegangen werden kann, erfahren Sie anhand eines Beispiels aus unserer Praxis:

Muster – Schriftsatz
wenn nachhaltige Kommunikationsstörung von der Mutter behauptet wird

AG Kaufbeuren, Beschluss vom 01.07.2014 - 2 F 259/14
Mitsorgerecht des leiblichen Vaters trotz Kommunikationsstörungen



Soziale Bindung zum Kind
und gemeinsames Sorgerecht


OLG Bamberg, Beschluss vom 08.07.2016 - 7 UF 118/16 (intern vorhanden)
zur emotionalen Bindung als Grundlage für das gemeinsame Sorgerecht


Anmerkung: Die Entscheidung stellt zum einen klar, dass der Wille eines Kindes im Grundschulalter für die Frage des Mitsorgerechts keine Rolle spielt. In diesem Alter sei ein Kind ohnehin nicht in der Lage, im Hinblick auf die Bedeutung des gemeinsamen Sorgerechts einen eigenständigen Willen zu bilden. Zum anderen wird eine bestehende soziale Bindung des Kindes zum Vater als Grundlage für ein gemeinsames Sorgerecht erkannt. Diese muss allerdings nicht stark ausgeprägt sein, sondern lediglich vorhanden. So genügt es, wenn Umgangskontakte stattfinden – wenn auch nur ein begleiteter Umgang – bei denen sich das Kind dem Vater zuwendet, indem es mit ihm unbeschwert spielt.


Gerichtliche Übertragung
des alleinigen Sorgerechts

§ 1671 Abs.2 BGB
Gesetzestext


(1) [Anmerkung: Fall der Übertragung des alleinigen Sorgerechts, wenn bisher gemeinsames Sorgerecht besteht. Mehr dazu > hier; Gesetzestext > hier]

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1. die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder

2. eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) [Anmerkung: betrifft Adopition/Annahme]

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.


Verfahren
seit dem Jahr 2013

§ 155a FamFG
Gesetzestext


(1) Die nachfolgenden Bestimmungen dieses Paragrafen gelten für das Verfahren nach § 1626a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Im Antrag auf Übertragung der gemeinsamen Sorge sind Geburtsdatum und Geburtsort des Kindes anzugeben.

(2) § 155 Absatz 1 ist entsprechend anwendbar. Das Gericht stellt dem anderen Elternteil den Antrag auf Übertragung der gemeinsamen Sorge nach den §§ 166 bis 195 der Zivilprozessordnung zu und setzt ihm eine Frist zur Stellungnahme, die für die Mutter frühestens 6 Wochen nach der Geburt des Kindes endet.

(3) In den Fällen des § 1626a Absatz 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat das Gericht im schriftlichen Verfahren ohne Anhörung des Jugendamts und ohne persönliche Anhörung der Eltern zu entscheiden. § 162 ist nicht anzuwenden. Das Gericht teilt dem nach § 87c Absatz 6 Satz 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zuständigen Jugendamt seine Entscheidung unter Angabe des Geburtsdatums und des Geburtsorts des Kindes sowie des Namens, den das Kind zur Zeit der Beurkundung seiner Geburt geführt hat, zu den in § 58a des Achten Buches Sozialgesetzbuch genannten Zwecken formlos mit.

(4) Werden dem Gericht durch den Vortrag der Beteiligten oder auf sonstige
Weise Gründe bekannt, die der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, gilt § 155 Absatz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Termin nach Satz 2 spätestens einen Monat nach Bekanntwerden der Gründe stattfinden soll, jedoch nicht vor Ablauf der Stellungnahmefrist der Mutter nach Absatz 2 Satz 2. § 155 Absatz 3 und § 156 Absatz 1 gelten entsprechend.

(5) Sorgeerklärungen und Zustimmungen des gesetzlichen Vertreters eines beschränkt geschäftsfähigen Elternteils können auch im Erörterungstermin zur Niederschrift des Gerichts erklärt werden. § 1626d Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.

Anmerkungen


Der Bundestag hat am 31.01.2013 das Gesetz Regelung der gemeinsamen Sorge für nichteheliche Väter beschlossen. Das Gesetz ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Es tritt einen Monat nach seiner Verkündung in Kraft. Das Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern wurde am 19.April 2013 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und tritt damit am 19. Mai 2013 in Kraft. Bemerkenswert ist der neue § 155a FamFG der neben der kurzen Stellungnahmefrist für die Mutter (§ 155a Abs. 2 FamFG) ein beschleunigtes Verfahren ohne Beteiligung des Jugendamts vorsieht (§ 155a Abs. 3 FamFG). Auf bereits geborene nichteheliche Kinder findet das Gesetz ebenfalls Anwendung. Es gelten keine Übergangsvorschriften. Den Eltern bleibt es weiter unbenommen, eine gemeinsame Sorgerechtserklärung kostenlos beim Jugendamt abzugeben. Sie müssen nicht das gerichtliche das Verfahren § 155a FamFG betreiben.

Der Gesetzesentwurf sah vor, dass der Familienrichter dem Antrag des Vaters auf gemeinsame Sorge stattgeben muss, wenn dem die Mutter nicht innerhalb von sechs Wochen seit Zustellung des Antrags widerspricht und dem Gericht keine entgegenstehenden Gründe des Kindeswohls bekannt sind. Diese Vorgabe wurde nun im Gesetz abgeschwächt: in Ausnahmefällen kann vor der Entscheidung des Familiengerichts das Jugendamt und die Eltern persönlich angehört werden.


Historie
bis zur Novelle 2013

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
im Jahr 2010


BVerfG,
Beschluss v. 21.07.2010 - 1 BvR 420/09


Anmerkung: Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 21.07.2010, § 1626a Abs. 1 Nr.1 und § 1672 Abs.1 BGB für verfassungswidrig erklärt. Damit ist der automatische Ausschluss des leiblichen Vaters vom Sorgerecht, weil die Mutter ihre Zustimmung verweigert, verfassungswidrig. Laut BVerfG ist dieses absolute Vetorecht der Mutter gegen eine gemeinsame Sorge mit dem leiblichen Vater ist eine unverhältnismäßige Beschneidung des nach Art. 6 Abs.2 GG geschützten Elternrechts des leiblichen Vaters. Das BVerfG rügt, dass der leibliche Vater nach den §§ 1626a Abs.1 Nr.1 BGB und 1672 Abs.1 BGB keine Möglichkeit hat, die Weigerung der Mutter gerichtlich überprüfen zu lassen. Hier zur Pressemitteilung Nr. 57/2010 vom 3. August 2010.

Rechtsprechung
nach dem Bundesverfassungsgericht


Bis zum Erlass eines neuen Gesetzes mussten die Familiengerichte nach Vorgabe des BVerfG ihre Entscheidungen fällen. Jetzt konnten leibliche Väter die Einräumung des gemeinsamen Sorgerechts beim Familiengericht beantragen, auch wenn die Mutter der gemeinsamen Sorge nicht zustimmen will. Beispielhaft werden dazu folgende Entscheidungen genannt:

Loewe

OLG Rostock,
Beschluss v. 11.02.2011 - 10 WF 39/11 (FamRB 2011, 336)


Das Gericht betont folgende Voraussetzungen

  • Tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern
  • Mindestmaß an Übereinstimmung
  • Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft
  • Darlegungslast trifft den Vater, dass gemeinsames Sorgerecht dem Kindeswohl am besten entspricht und dass die oben genannten Voraussetzungen gegeben sind. Nur ein Wettern und Zeichnung eines schlechten Bildes zum Verhalten der Mutter wird nicht zum Erfolg führen.

OLG Schleswig-Holstein,
Beschluss vom 22.12.2011 - 10 UF 171/11,

dazu Pressemitteilung vom 14.02.2012: Wenn nach Einschätzung des Gerichts das gemeinsame Sorgerecht zu weiterem Konfliktstoff zwischen den Eltern führt, sind die hieraus sich für das Kind ergebenden Belastungen mit dem Kindeswohl nicht vereinbar.

OLG Frankfurt,
Beschluss vom 16.12.2011 - 4 UF 158/10

Hier hatte ein Antrag des nicht sorgeberechtigten Vaters auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts gegen die alleinsorgeberechtigte Mutter Erfolg. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 21.07.2010 ging hier das Gericht bei der Prüfung der Sorgerechtsübertragung nach den Maßstäben vor, die nach § 1671 BGB für Eltern gilt, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht.

Links & Literatur


 

Links



Literatur


  • Zempel, Gemeinsame elterliche Sorge nicht verheirateter Eltern – Entwicklung der Rechtsprechung, in: FF 2016, 385
  • Karin Jurcyk, Sabine Walper, Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern, München 2010


In eigener Sache


  • OLG Bamberg - 7 UF 118/16, gemeinsames Sorgerecht gegen Widerstand der Mutter, unser Az.: 51/ 16