Scheidung sofort
Wann geht das?

Familiengerichte stehen Härtefall-Scheidungen nach § 1565 Abs.2 BGB äußerst kritisch gegenüber. Deshalb muss die gängige Judikatur genau beachtet werden, um keinen unbegründeten Scheidungsantrag zu riskieren. Drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

    • Die Einhaltung einer > Trennungsphase muss nicht nur unzumutbar erscheinen, sondern
    • sich als eine unzumutbare "Härte" darstellen und
    • der Grund dafür muss "in der Person des anderen Ehegatten" liegen.


Fallgruppen

Keine unzumutbare Härte


  • Nachlässige Haushaltsführung
  • Unbegründete Eifersuchtsszenen
  • Einmalig im Affekt erfolgte körperliche Attacke

Umstrittene Fälle


  • Unterhaltspflichtverletzungen gegenüber Frau und Kindern
  • Aufnahme einer gleichgeschlechtlichen Beziehung

Unzumutbare Härte


  • Alkoholismus bei mehrfachem Scheitern oder Ablehnung von Entziehungskuren
  • Jahrelanger Drogenmissbrauch im Beisein der Kinder
  • Aufforderung zu sexuellen Perversionen (z. B. Gruppensex)
  • Ehebrecherische Beziehungen mit hieraus folgender Schwangerschaft (vgl. z. B. OLG Karlsruhe 13.04.2000 - 20 WF 32/00); zum Vaterschaftsanfechtungsverfahren)
  • Laufende Beleidigungen und Beschimpfungen in Gegenwart der Kinder
  • Nervenkrankheit, soweit diese nicht vor der Eheschließung bekannt war
  • Eheschließung, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu erlangen
  • Straftaten gegenüber dem Ehepartner (zur Unterhaltsverwirkung)
  • Suizidversuch, soweit der andere Ehegatte nicht mitursächlich für das Verhalten war.
  • Morddrohungen
  • Schwerste Beleidigungen, Bedrohungen und Misshandlungen des Anderen insbesondere in Gegenwart der Kinder.


Rechtsprechung

Treuebruch und Härtefall-Scheidung

Ein Treuebruch allein und das Auftreten mit dem neuen Partner in der Öffentlichkeit begründen keinen Härtegrund im Sinne des § 1565 Abs. 2 BGB. Erst wenn besondere Begleitumstände hinzukommen, die Art und Weise des Ehebruchs besonders verletzend und erniedrigend sind, kann ein Härtefallgrund vorliegen.

An die Definition „unzumutbare Härte“ werden strenge Anforderungen gestellt (OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 286), was sich aus der doppelten Einschränkung „unzumutbar“ und „Härte“ ergibt. Die Vorschrift dient als Ausnahmetatbestand, um eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres nicht zu verhindern, sondern in der Regel zu erschweren.

Fehlt ein solcher Härtegrund, ist das erste Trennungsjahr auch dann abzuwarten, wenn das Scheitern der Ehe uneingeschränkt feststeht. Nur wenn die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft vor Ablauf des Trennungsjahres aufgrund schwerwiegender Umstände als ausgeschlossen angesehen werden kann, ist ein vorzeitiges Scheidungsbegehren weder missbräuchlich noch leichtfertig (OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 286).

Es geht also nicht darum, dass die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft als solche nicht mehr zu erwarten ist, etwa weil ein Ehegatte oder sogar beide inzwischen nicht mehr daran festhalten wollen. Vielmehr ist es wesentlich, dass Umstände vorliegen müssen, auf die sich die Unzumutbarkeit stützt, und zwar in der Person des anderen Ehegatten.

In der früheren Rechtsprechung wurde Ehebruch teilweise als Grund für eine Scheidung betrachtet. Doch seit langem wird korrekterweise nur die Verletzung der Treuepflicht von langer Dauer oder zusammen mit zusätzlichen, tief greifenden und entwürdigenden Umständen als ausreichender Grund für eine Scheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB angesehen (OLG Stuttgart FamRZ 2002, 1342; OLG Braunschweig FamRZ 2000, 287; OLG Köln FamRZ 2003, 1565; Weber NJW 2006, 3039, 3040).

Damit wird nicht der Treuebruch selbst bagatellisiert, sondern es wird der gesetzgeberischen Wertung Rechnung getragen, die das Vorliegen einer unzumutbaren Härte verlangt. Deshalb müssen weitere Umstände wie beispielsweise
  • die Darstellung in der Öffentlichkeit (OLG Düsseldorf FamRZ 1986, 998) oder
  • ein ehebrecherisches Verhältnis in der früheren Ehewohnung (OLG Saarbrücken FamRZ 2005, 809; OLG Köln FamRZ 1999, 723; OLG Brandenburg FamRZ 2004, 25)
hinzutreten. Die Art und Weise sowie die Begleitumstände des Treuebruchs können dazu führen, dass ein Härtegrund gerechtfertigt ist. Diese Umstände lassen es für den anderen Ehegatten geradezu als entwürdigendes Unrecht erscheinen, wenn man ihn noch länger am Eheband festhalten wollte. Die Rechtsprechung hat beispielsweise den Geschlechtsverkehr mit der vorehelichen Tochter der Frau, mit Familienangehörigen oder der Schwägerin sowie offensichtlichen Ehebruch anerkannt, wenn dieser auch für Dritte in einer kleinen Gemeinde offensichtlich ist. Weitere demütigende Umstände wie die Aufnahme des Ehebruchpartners in die eheliche Wohnung oder die Aufforderung zum Geschlechtsverkehr zu dritt nach Entdeckung des ehebrecherischen Verhältnisses können ebenfalls die Verletzung der Treuepflicht belegen. Auch ein einmaliger Geschlechtsverkehr mit einem bis dahin unbekannten Mann, den die Ehefrau trotz entsprechenden Aids-Risikos zunächst verschweigt, sowie das unmittelbare Verlassen der Frau durch den Mann nach der Geburt eines gemeinsamen Kindes, um mit einer anderen Frau zusammenzuziehen, können als schwere Härte angesehen werden. Jedoch dürfte es auch bei fortgesetzten häufigen Ehebrüchen auf die Umstände des Einzelfalls ankommen (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 31. 3. 1981 - 10 WF 865/81, juris).

Loewe

OLG München, Beschluss vom 28. Juli 2010 - 33 WF 1104/10
Treuebruch allein ist noch kein Härtegrund. Es müssen weitere Umstände hinzukommen


(Zitat) „Da die Ehegattenjedoch noch nicht ein Jahr getrennt leben, kann die Ehe gem. § 1565 Abs. 2 BGB nur geschieden werden, wenn ihre Fortsetzung für die Antragstellerin aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine ‚unzumutbare Härte‘ darstellen würde. 
[...]
Die Vorschrift soll als Ausnahmetatbestand eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres zwar nicht verhindern, aber regelmäßig erschweren. Fehlt ein solcher Härtegrund, ist das erste Trennungsjahr auch dann abzuwarten, wenn das Scheitern der Ehe feststeht. Nur dann, wenn die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft vor Ablauf des Trennungsjahres aufgrund schwerwiegender Umstände als ausgeschlossen angesehen werden kann, ist ein vorzeitiges Scheidungsbegehren weder missbräuchlich noch leichtfertig (OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 286). Es geht also nicht darum, dass die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft als solche nicht mehr zu erwarten ist, etwa weil ein Ehegatte oder gar beide inzwischen hieran nicht mehr festhalten wollen. Wesentlich ist, dass Umstände, auf welche die Unzumutbarkeit gestützt werden soll, vorliegen müssen, und zwar in der Person des anderen Ehegatten.
[...]
Nach alldem ist festzustellen, dass hier zwar ein ehelicher Treuebruch vorliegt, der sich dadurch hervorhebt, dass er bereits wenige Tage nach der Eheschließung offenkundig geworden ist und zudem mit einer engen Freundin der Antragstellerin begangen wurde. Es ist auch nachvollziehbar, dass dies die Antragstellerin erheblich psychisch belastet hat. Jedoch ist vor dem Hintergrund des dargelegten Vergleichsmaßstabs nicht zu erkennen, dass diese Umstände allein eine unzumutbare Härte im Sinne von § 1565 Abs. 2 BGB begründen würden, welche bereits eine Abkürzung des gesetzlich grundsätzlich vorgegebenen Trennungsjahres rechtfertigen würden.“

Straftat und Härtefall-Scheidung

OLG Dresden, Beschluss vom 16.04.2012 − 23 UF 1041/11
Ernsthafte Bedrohungen und Tätlichkeiten rechtfertigen eine sofortige Scheidung wegen unzumutbarer Härte


Sachverhalt: Anfang 2011 eskalierten die Streitigkeiten zwischen den Eheleuten: Der Ehemann bedrohte seine Frau wiederholt mit dem Tod und kündigte an, er werde das Wohnhaus anzünden. Nach einer wilden Prügelei zwischen dem Ehemann und Landwirt und Schwiegervater zog die Ehefrau mit ihren Eltern aus. Dass sie sich scheiden lassen wollte, stand schon fest, als die Frau im Mai noch einmal auf den Hof fuhr, um einige Sachen abzuholen. Dort verfolgte sie ihr Ehemann mit einem Zimmermanns-Hammer und schrie, sie werde nicht mehr „lebend vom Hof kommen“. Daraufhin beantragte die Frau beim Amtsgericht, die Ehe sofort zu scheiden – ohne das Trennungsjahr abwarten zu müssen.

Aus den Gründen: (Zitat) „Diese unzumutbare Härte liegt nach Auffassung des Senats vor. Sie muss sich auf das Eheband, d. h. das „Weiter-Miteinander-Verheiratet-Sein“ beziehen, nicht bloß auf die Fortsetzung des ehelichen Zusammenlebens. An die unzumutbare Härte sind strenge Anforderungen zu stellen. Da es sich um eine Ausnahmesituation gegenüber der bloß gescheiterten Ehe handeln muss, kommt eine vorzeitige Scheidung bei bloßen Schwierigkeiten, Unstimmigkeiten oder ehetypischen Zerwürfnissen nicht in Betracht (Palandt/Brudermüller, BGB, 71. Aufl., § 1565 Rdnr. 9). Ausreichend für die Annahme einer unzumutbaren Härte in diesem Zusammenhang können jedoch unter anderem schwere Beleidigungen, grobe Ehrverletzungen, grobe Verstöße gegen die ehelichen Pflichten und ernsthafte Bedrohungen sein (OLG Brandenburg, FamRZ 2001, FAMRZ Jahr 2001 Seite 1458 = BeckRS 2001, BECKRS Jahr 30156064).

Solche Bedrohungen liegen hier vor. Wie das AG – vom Ag. nicht angegriffen – festgestellt hat, hat der Ag. die Ast. am 22. 5. 2011 mit den Worten bedroht „Ich bringe dich um! Du kommst nicht mehr lebend vom Hof!“. Der Ag. hielt dabei einen Zimmermannshammer in der Hand. Nach den Feststellungen des AG hatte er ihn zwar zwischenzeitlich nur noch hinter dem Rücken gehalten. Kurz zuvor war er jedoch mit erhobenem Zimmermannshammer aus der Garage gekommen. Die Drohung erfolgte nicht aus einer typischen Streitsituation heraus. Die Ast. war vielmehr kurz zuvor mit dem Auto auf das Grundstück gefahren, um sich Sachen aus der Wohnung zu holen. Der Ag. befand sich in der Garage, kam heraus und äußerte sofort die Drohung. Die besondere Enthemmung zeigt sich auch darin, dass der Ag. sich nicht durch die anwesenden Zeugen abschrecken ließ, solche erheblichen Bedrohungen zu äußern. Wegen dieser Tat ist gegen den Ag. schließlich auch vom AG Plauen mit Strafbefehl vom 10. 10. 2011 – rechtskräftig – eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen verhängt worden.

Dies war allerdings nicht der einzige Vorfall. In einem anderen Vorfall, den das AG ebenfalls festgestellt hat, am 21. 4. 2011, kam es zwischen dem Vater der Ast. und dem Ag. zu einer Auseinandersetzung, in deren Folge der Ag. den Vater der Ast. mit beiden Händen packte und gegen die Hauswand drückte, so dass der Vater der Ast. zu Fall kam, wobei er Hautabschürfungen davontrug. Diese Tat richtete sich zwar nicht gegen die Ast. selbst. Allerdings geschah sie auf dem Grundstück, auf dem sich die eheliche Wohnung befand. Auf diesem Grundstück wohnen auch die Eltern der Ast. Dieser Vorfall zeigt, dass der Ag. durchaus nicht nur droht, sondern auch tatsächlich Gewalt anwendet. (...) Drohungen, den Ehegatten zu töten, können eine solche unzumutbare Härte darstellen, selbst wenn sie nur gegenüber Dritten geäußert werden (OLG Brandenburg, FamRZ 2001, 1458). Der Senat hält die Drohungen insgesamt im vorliegenden Fall für so erheblich, dass eine solche Härte vorliegt.“

Links & Literatur



Links



Literatur


  • Annegret Will, Gewaltschutz in Paarbeziehungen mit gemeinsamen Kindern, in FPR 2004, 233
  • Ludwig Bergschneider, Härtefallscheidung vor Ablauf des Trennungsjahres, in NZFam 2016, 158