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Im Familienrecht gilt, dass der BGH als oberste Rechtsinstanz nur dann über den Fall entscheiden kann, wenn ein OLG die Rechtsbeschwerde zum BGH per Beschluss ausdrücklich zulässt. Dazu wird in der Begründung der OLG-Beschlüsse häufig wie folgt ausgeführt:
“Der Senat lässt gemäß § 70 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG die Rechtsbeschwerde zu. Die einschlägigen Rechtsfragen sind von grundsätzlicher Bedeutung und, soweit ersichtlich, höchstrichterlich bisher nicht geklärt worden…”
Zulassungsvoraussetzungen gem. § 70 Abs.2 FamFG, § 574 Abs.2 ZPO sind
1. die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung oder
2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (BGH).
BGH, Beschluss vom 20.03.2019 -XII ZB 544/18
zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 70 Abs.2 Satz1 Nr.1 FamFG kommt einer Rechtsfrage nicht zu, wenn sie zwar vom Bundesgerichtshof bislang noch nicht entschieden worden ist, in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte aber einhellig beantwortet wird und die hierzu in der Literatur vertretenen abweichenden Meinungen vereinzelt geblieben sind (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 – II ZR 54/09 – NJW-RR 2010, 1047).
Wird die Rechtsbeschwerde nicht vom OLG ausdrücklich zugelassen, können die Verfahrensbeteiligten selbst, eine solche Vorlage zum BGH nicht auf direktem Weg erzwingen. Das im allgemeinen Zivilrecht bekannte Rechtsmittel einer Nichtzulassungsbeschwerde gibt es für die Verfahrensbeteiligten in Familiensachen nicht. Diese Situation wird häufig kritisiert (> mehr). Worum geht es? Die Kritik richtet sich meist dagegen, dass ein OLG evtl. unter fehlerhafter Anwendung des § 70 Abs.2 FamFG den Weg zum Bundesgerichtshof zu Unrecht versperrt.
Lässt das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zum Bundegerichtshof nicht zu, wird nach jedem erdenklichen Rechtsbehelf gegriffen, der die Beschwerdeentscheidung zum “kippen” bringen könnte. Als Notanker wird an außerordentliche Rechtsbehelfe gedacht. Die Gegenvorstellung ist z.B. ein gesetzlich nicht vorgesehener, in der Vergangenheit von der Rechtsprechung entwickelter außerordentlicher Rechtsbehelf, für den seit der Schaffung der Anhörungsrüge in § 321a ZPO und gleichlautend in § 44 FamFG bei Behauptung der Verletzung rechtlichen Gehörs kein Raum mehr ist.
Die Anhörungsrüge ist gem. § 44 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FamFG zulässig. Nach § 44 FamFG ist ein Verfahren auf die Rüge eines durch eine Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn weder ein Rechtsmittel/Rechtsbehelf noch eine andere Abänderungsmöglichkeit gegeben ist ( Subsidiarität der Anhörungsrüge) und das Gericht den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Materielle Voraussetzung für den Erfolg einer Anhörungsrüge ist allein die Verletzung rechtlichen Gehörs der beschwerten Partei durch eine unanfechtbare gerichtliche Endentscheidung. Der aus Art. 103 Abs. 1 GG fließende Grundsatz besagt, dass jedem Beteiligten eines Gerichtsverfahrens Gelegenheit gegeben werden muss, sich zu allen entscheidungsrelevanten Punkten zu äußern und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in seine Überlegungen einzubeziehen hat. Entscheidungserheblich ist ein Verstoß hiergegen, wenn er sich auf den betreffenden Beteiligten negativ auswirkt. Das Gericht ist aber nicht gehalten, solche von den Beteiligten vorgebrachte Punkte in seinen Entscheidungen expressis verbis zu verarbeiten, die es für irrelevant oder nebensächlich hält. Was relevant ist, entscheidet das Gericht, nicht die Parteien ( OLG Nürnberg, Beschluss vom 08.06.2020 – 9 UF 1202/19, intern vorhanden, unser Az.: 53/20).
Gerichtliche Verfahren dauern immer länger. “Warten auf Gerechtigkeit” (Kloepfer) ist heute geradezu der Regelfall, wenn der Bürger den Klageweg, gleich welchen Gerichtszweiges, beschreitet. Dies ist nicht nur psychisch belastend, sondern kann auch vermögensrechtliche Einbußen zur Folge haben oder das betroffene Recht sogar gänzlich zunichtemachen. Die Verfahrensdauer stellt aber auch einen Anreiz dar, es in aussichtslosen Fällen auf einen Rechtsstreit ankommen zu lassen, um Zeit zu gewinnen. Die lange Dauer der Prozesse erweist sich so als “Fundamentalproblem des ganzen Rechtsschutzes” (Sendler).
(Quelle: Volker Schlette, Der Anspruch auf gerichtliche Entscheidung in angemessener Frist – Verfassungsrechtliche Grundlagen und praktische Durchsetzung, Schriften zum Öffentlichen Recht (SÖR), Band 790, 1999.)
OLG Rostock , Beschluss vom 04.09.2009 – 3 W 74/09 – juris
Voraussetzungen für außerordentliche Untätigkeitsbeschwerde
(Zitat, Rn 14 ff) “ Nach der herrschenden Meinung kann das im Rechtszug übergeordnete Gericht grundsätzlich nur gegen eine ergangene, den Rechtsmittelführer beschwerende Entscheidung eines Gerichts, nicht aber gegen dessen vermeintliches oder tatsächliches Untätigbleiben angerufen werden (BVerfG, Kammerbeschl. v. 10.06.2005, 1 BvR 2790/04, NJW 2005, 2685; BGH, Senat für Anwaltssachen, Beschl. v. 21.11.1994, AnwZ (B) 41/94, NJW-RR 1995, 887; 3. Strafsenat, Beschl. v. 22.12.1992, StB 15/92, 3 BJs 960/91 – 4 (85) – StB 15/92, NJW 1993, 1279, 1280; BFH, Beschl. v. 28.05.2009, III B 73/09, juris; BFH, Beschl. v. 04.10.2001, V B 85/01, BFH/NV 2002, 364; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschl. v. 27.04.2009, L 11 B 45/09 AS, juris; Hessisches Landessozialgericht, Beschl. v. 11.02.2009, L 9 B 229/08 AS, juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.04.2009, 8 E 147/09, NJW 2009, 2615). Die Zivilprozessordnung sieht ein solches Rechtsmittel weiterhin nicht vor. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung über Rechtsbehelfe bei Verletzungen des Rechts auf ein zügiges gerichtliches Verfahren – Untätigkeitsbeschwerdengesetz – vom 22. August 2005 (vgl. http://www.bdfr.de/Untaetigkeitsbeschwerde_BMJ.pdf) ist noch nicht umgesetzt worden. Ob gegen das Untätigbleiben eines Gerichts in Ausnahmefällen ein außerordentliches Rechtsmittel zuzulassen sei, hat der Bundesgerichtshof offen gelassen (vgl. BGH, Beschl. v. 21.11.1994).
(Zitat, Rn 15) In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Untätigkeitsbeschwerde als außerordentliches Rechtsmittel (nach Maßgabe der Vorschriften des § 252 bzw. §§ 567 ff ZPO) aus rechtsstaatlichen Gesichtpunkten für zulässig gehalten, wenn mit ihr eine willkürliche Untätigkeit des Gerichts geltend gemacht wird, die einer endgültigen Rechtsverweigerung gleichkommt (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 07.07.2009 – 1 W 593 – 596/07 und 13 – 16/09, 1 W 593 – 596/07, 1 W 13 – 16/09, 1 W 593/07, 1 W 594/07 – juris; OLG Schleswig, Beschl. v. 20.05.2009, 15 WF 140/09, OLGR Schleswig 2009, 579; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.01.2008, I-24 W 109/07, MDR 2008, 406; OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.10.2007, 10 WF 237/07, FamRZ 2008, 288; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 03.05.2007, 2 WF 32/07, MDR 2007, 1393, OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.01.2007, 3 WF 232/06, FamRZ 2007, 1030).
Fakt ist :
Im Familienrecht gibt es von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche obergerichtliche Rechtsprechung, die nicht vollständig über den BGH vereinheitlicht wird. Die Sorge ein Oberlandesgericht könne von diesen Maßstäben fehlerhaft Gebrauch machen und damit den Weg zum BGH zu Unrecht versperren, wird durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gelöst.
Lösungsweg :
Wenn ein OLG zu Unrecht den Weg zum BGH versperrt, dann hat den Rechtsstreit nicht der gesetzlich vorgesehene Richter (Art. 101 Abs.1 S. 2 GG) entschieden und die OLG-Entscheidung hielte einer Verfassungsbeschwerde nicht stand (vgl. dazu > BVerfG, 07.09.2015 – 1 BvR 1863/12 ). Allerdings ist der Hinweis auf den Weg vor das Bundesverfassungsgericht nur ein sehr schwacher Trost. Denn statistisch liegt die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde unter 2 %.
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