Unterhaltsrechtliches Einkommen bestimmen
bei privater Nutzung eines Dienstwagens.

Das Wichtigste in Kürze

  1. Unterhaltsrelevantes Einkommen:
    Um das unterhaltsrelevante Einkommen zu bestimmen, wenn ein privat genutzter Dienstwagen zu berücksichtigen ist, sind mehrere Schritte erforderlich: Das Gesamteinkommen bildet den Ausgangspunkt für die Berechnung des unterhaltsrelevanten Einkommens. Dazu zählen alle Einnahmen des Unterhaltspflichtigen, wie Gehalt, Boni, Zulagen und geldwerte Vorteile. Dazu ist umfassend Auskunft zu verlangen.
  2. Auskunft zum Gesamteinkommen:
    Dank unserer langjährigen Erfahrung haben wir spezielle Formulare für die anwaltliche Praxis zur Verfügung, die eine ordnungsgemäße und vollständige Auskunft gewährleisten.
  3. Geldwerter Vorteil eines Dienstwagens:
    Die private Nutzung eines Dienstwagens ist ein geldwerter Vorteil, der im Unterhaltsrecht dem Erwerbseinkommen zugerechnet wird. Mit welchem Wert der Gebrauchsvorteil in Ansatz zu bringen ist, ist die Kernfrage.
  4. Steuerrechtlicher Nutzwert und
    unterhaltsrechtlicher Vorteil
    :
    Es ist wichtig zu beachten, dass der in Gehaltsabrechnungen ausgewiesene steuerliche Nutzwert (PKW gw. Vorteil) nicht unbedingt dem unterhaltsrechtlichen Schätzwert entspricht.
    Welche Schätzungsmethode im Einzelfall zum unterhaltsrechtlich korrekten Wert führt, ist oft Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen.
  5. Rat vom Experten:
    Es wird empfohlen, sich an einen Experten für Unterhaltsrecht zu wenden, um eine unterhaltsrechtlich fundierte Berechnung zu erhalten, um unnötigen Streit zu vermeiden. Für Beratungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns noch heute.

  • Rechtlicher Leitfaden
    zum geldwerten Vorteil des Dienstwagens im Unterhaltsrecht

    Unser Leitfaden hilft Ihnen, das unterhaltsrelevante Einkommen richtig einzuschätzen. Erfahren Sie mehr über die notwendigen Schritte mit Berücksichtigung des Dienstwagens und das Vorgehen für Ihren Fall.

    > Leitfaden zum Firmanfahrzeug mit privater Nutzung


Firmenfahrzeug
für Angestellte oder des Unternehmers

Je nachdem, ob für die Erwerbstätigkeit des Unterhaltsbeteiligten ein privates Fahrzeug, ein Dienstwagen oder Firmenwagen zum Einsatz kommt, hat die unterschiedliche unterhaltsrechtliche Konsequenzen: 


Privater PKW
des Arbeitnehmers


  • Wer mit seinem privaten PKW als Angestellter vom Wohnort zur Arbeit fährt, hat berufsbedingte Aufwendungen. Diese Pendlerkosten können Abzugsposten für die Einkommenbereinigung sein.
  • Zahlt der Arbeitgeber wegen der beruflichen Nutzung eines privaten Fahrzeugs einen Zuschuss, spricht man von „Car Allowance“. Der Zuschuss gilt als Einkommen. 

Firmenfahrzeug
für Arbeitnehmer für private Zwecke


Rechtsprechung

OLG Brandenburg, Beschluss 30.08.2021 - 9 UF 239/20
Geldwerter Vorteil – Unterhaltsrelevantes Erwerbseinkommen


(Zitat) „Sachbezüge sind zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers, die in einem geldwerten Vorteil bestehen. Die Bewertung erfolgt mit dem Betrag, der am Verbrauchsort für eine vergleichbare Ware oder Leistung üblicherweise zu zahlen ist (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Auflage 2019, § 1 Rn. 91). Dieser Wert ist nach § 287 ZPO zu schätzen (OLG Karlsruhe FamRZ 2016, 237, 238). Für die unterhaltsrechtliche Anrechnung von Sachbezügen kommt es aber vorrangig darauf an, ob mit ihnen allein ein tatsächlich entstandener beruflicher Mehraufwand abgegolten werden soll oder ob hierdurch ein ansonsten privat anfallender Kostenaufwand vermieden wird. Der Sachwert muss also dem Unterhaltspflichtigen durch die Möglichkeit der privaten Nutzung zufließen, ohne dass der Unterhaltspflichtige dafür die entsprechenden Kosten aufbringen muss (BGH FamRZ 2021, 186). Wird der Sachwert (z.B. ein Firmenwagen) gemäß den vertraglichen Regelungen dagegen nur geschäftlich genutzt, scheidet eine Erhöhung des unterhaltsrechtlichen Einkommens aus (OLG Karlsruhe FamRZ 2013, 1811). Dann kann eine Zurechnung allein indirekt darüber erfolgen, dass ein ansonsten anfallender beruflich bedingter Aufwand entfällt. Wenn der Arbeitgeber also z.B. einen Betriebs-Pkw nur für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unentgeltlich zur Verfügung stellt, steht dies jedenfalls insoweit berufsbedingten Kosten entgegen (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Auflage 2019, § 1 Rn. 91)."

Anmerkung: Stellt der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter einen Dienstwagen (auch) zur privaten Nutzung zur Verfügung, so ist die Nutzung des Firmenwagens für private Zwecke ein geldwerter privater Vorteil, der unterhaltsrechtlich zu monetarisieren ist. Je höher der Anteil des privaten Einsatzes des Firmenwagens ist, desto höher ist die entsprechende Ersparnis des Einsatzes von Geldmitteln aus dem Einkommen. Wer keinen Dienstwagen hat, muss mit eigenen Mitteln die Anschaffung eines PKW finanzieren und hat daneben weitere gebrauchsunabhängige Fixkosten, um das Fahrzeug einsatzbereit zu halten. Der tatsächliche Gebrauch des Fahrzeuges führt daneben zu zusätzlichen gebrauchsabhängigen Kosten. Wie sich die üblichen Kosten für den Gebrauch eines PKW über die Nutzung eines Firmenfahrzeuges einspart, hat einen entsprechenden geldwerten Vorteil, der unterhaltsrechtlich dem Einkommen hinzugerechnet wird.


Firmenfahrzeug
des Unternehmers


Regelmäßig wird auch beim Unternehmer davon ausgegangen, dass sein betrieblicher PKW auch privat genutzt wird. Für die private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs durch den Unternehmer hat dieser insoweit eine Nutzungsentnahme (geldwerter privater Vorteil) zu versteuern, die in der Regel nach der 1 %-Regelung ermittelt wird oder mit Fahrtenbuch konkret ermittelt wird. Beim Unternehmer wird der geldwerte private Vorteil bereits in der Gewinnermittlung berücksichtigt: hier wird der betriebliche PKW-Aufwand wird um den Privatanteil mit der 1%-Regelung korrigiert; es wird ein entsprechend höherer steuerlicher Gewinn in den Gewinnermittlungsunterlagen des Unternehmens ausgewiesen (vgl. OLG Zweibrücken, 18.04.2013 - 6 UF 156/12, Rn 16).


Firmenfahrrad
als geldwerter Vorteil


Immer häufiger kommt es vor, dass Betriebe für ihre Mitarbeiter Fahrräder leasen, die die Arbeitnehmer auch privat nutzen dürfen. Die Bandbreite an geleasten Rädern reicht dabei vom einfachen Tourenrad bis hin zum E-Bike, bei dem ein Elektromotor das Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h unterstützt. Für die private Nutzung einschließlich der Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte muss der Arbeitnehmer – wie beim Dienstwagen – einen geldwerten Vorteil = Sachlohn versteuern. Dieser ist monatlich mit 1 v.H. der auf volle 100 € abgerundeten Preisempfehlung des Herstellers anzusetzen (1 v.H.-Regel). Beträgt beispielsweise die Preisempfehlung des Herstellers für ein E-Bike 2.975 €, muss der Arbeitnehmer für die Privatnutzung einschließlich der Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte monatlich 1 v.H. x 2.900 = 29 € versteuern. Im Gegenzug darf der Arbeitnehmer für Radfahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte 30 Cent je Entfernungskilometer als Werbungskosten abziehen. Die Fahrradgestellung durch den Arbeitgeber spart Lohnsteuer und Sozialabgaben: Dafür, dass der Arbeitnehmer das Fahrrad privat nutzen darf, zahlt der Arbeitgeber ein um die Leasingrate gekürztes Gehalt aus (= Gehaltsumwandlung). Die Minderung des Gehalts um die Leasingrate ist meist höher als der Sachlohn nach der 1 v.H.-Regel. Beträgt im obigen Fall der Gestellung eines E-Bikes die monatliche Leasingrate 80 €, werden Lohnsteuer und Sozialabgaben monatlich statt auf einen Barlohn von 80 € nur auf einen Sachlohn von 29 € erhoben. Dies gilt allerdings nur, wenn das Dienstfahrrad aufgrund der Ausgestaltung von Leasing- und Überlassungsvertrag dem Arbeitgeber zuzuordnen ist. Laut OFD Nordrhein-Westfalen ist das Fahrrad dem Arbeitnehmer zuzuordnen, wenn er das Fahrrad auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nutzen darf und alle Rechte und Pflichten aus dem Leasingvertrag des Arbeitgebers übernommen hat. In diesem Fall liegt kein Sachlohn vor, d.h. Lohnsteuer und Sozialversicherung sind aus dem ungekürzten Bruttolohn abzuführen.


Geldwerter Vorteil
Konkret ermitteln oder schätzen?

Die Frage ist: Wie hoch ist im konkreten individuellen Fall die tatsächliche Kostenersparnis (Gebrauchsvorteil) für einen Angestellten mit gestellten Firmenwagen – auch für private Zwecke – gegenüber einem Angestellten, der seinen Mobilitätsbedarf mit einem privat finanzierten Fahrzeug deckt und für berufsbedingte Zwecke (Pendlerkosten) verwendet?

Diesen geldwerten Gebrauchsvorteil zu monetarisieren, ist das unterhaltsrechtliche Kernproblem. Um die Ersparnis an Eigenaufwendungen zu ermitteln, wird im Unterhaltsrecht die Frage gestellt, welches Fahrzeug (fiktiv unterstellt) sich der unterhaltspflichtige Mitarbeiter anschaffen würde und welche Kosten damit verbunden wären, wenn er keinen Dienstwagen für Privatfahrten nutzen könnte?

Der aus dieser Vergleichsbetrachtung sich ergebende Unterschiedsbetrag ergibt den unterhaltsrelevanten geldwerter Vorteil, der dem Einkommen hinzuzurechnen ist.
Wird neben dem Firmenwagen noch ein weiteres privates Fahrzeug unterhalten, so ändert dies grundsätzlich nichts daran, dass der Wert der privaten Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens als Einkommen angerechnet wird (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 02.09.2013 - 13 UF 136/12, Rn 31, 73). Hier wird danach gefragt, ob es nicht unwirtschaftlich sei, neben dem Firmenwagen ein weiteres (Privat-)Fahrzeug zu unterhalten (Stichwort: Obliegenheit zur Einkommensoptimierung).


Konkrete Berechnung
des privaten Gebrauchsvorteils


Dafür müsste in der Praxis zur

  • Art des Firmenfahrzeugs,
  • der Laufleistung und
  • insbesondere dem Umfang der Privatnutzung

konkret vorgetragen werden. Folgende Rechengrößen müssten bekannt sein:

  • die gebrauchsunabhängigen Fixkosten für die Anschaffung und Fahrbereitschaft des PKWs
  • die gebrauchsabhängigen Fahrtkosten
  • Der quotale Anteil der privaten Nutzung und damit der Anteil dieser Kosten an den Gesamtkosten des PKWs. In der Praxis ist man meist der Problematik konfrontiert, dass konkrete Berechnungen nicht angestellt werden können, weil kein Fahrtenbuch und keine konkreten Aufzeichnungen oder Belege über die tatsächlichen Kosten des PKWs zur Verfügung stehen. Wer eine konkrete Berechnung des privaten Gebrauchsvorteils versuchen will, dem stehen z.B. folgende digitale Hilfsmittel zur Verfügung:

ADAC-Kostenrechner:
Mit diesem KFZ-Kosten-Rechner können Sie die Gesamtkosten der Nutzung eines Kraftfahrzeuges ermitteln.


Kosten pro Kilometer von STEUERTIPPS:
Mit diesem Online-Rechner können Sie komfortabel die Kosten eines PKWs inklusive der Anschaffungskosten mit der üblichen linearen Abschreibung über 6 Jahre pro Kilometer ermitteln. Achten Sie darauf, dass der Rechner den Abschreibungsbetrag mit ausweist.




Schätzungsmethoden
zur Ermittlung des privaten Gebrauchsvorteils


OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.10.2010 - 9 WF 266/10
Konkrete Berechnung
des privaten Nutzwerts oder Schätzung?


(Zitat) "Mangels konkreten Vortrags zur Art des Firmenfahrzeugs, der Laufleistung und insbesondere dem Umfang der Privatnutzung kann der geldwerte Vorteil, der keineswegs zwangsläufig dem steuerlichen Gehaltsanteil entspricht und deshalb durch die Steuermehrbelastung auch nicht aufgezehrt wird, nur im Weg einer Schätzung nach § 287 ZPO ermittelt werden. Anders kann nur dann verfahren werden, wenn der Arbeitnehmer (gegebenenfalls unter Heranziehung einschlägiger Kostentabellen) konkret darlegt, was er durch die private Nutzung des Firmenfahrzeugs erspart (vgl.: OLG München, FamRZ 1999, 1350; OLG Karlsruhe, FamRZ 2006, 1759; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 11. Aufl., Rz. 809; Langheim, Die Ermittlung des geldwerten Vorteils für die private Nutzung eines Dienstwagens im Unterhaltsrecht, FamRZ 2009, 665; Johannsen/Henrich/Büttner, Familienrecht, 5. Aufl., § 1361 BGB Rz. 42)."

Anmerkung: Ist die konkrete Berechnung des privaten Gebrauchsvorteils nicht möglich, sind die Gerichte grundsätzlich auf eine realitätsgerechte Schätzung des privaten Gebrauchsvorteils angewiesen. Dass geschätzt werden kann, ist allgemein anerkannt. Dass gesetzliche Grundlage dafür § 287 ZPO darstellt, ist unstreitig. Aber welche Schätzungsmethode zum richtigen Ergebnis führt, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Dabei lassen sich zwei ganz unterschiedliche Schätzungsmethoden erkennen, die gedanklich nicht vermischt werden dürfen:

  • Schätzungsmethode I:
    Diese Methode basiert auf dem Gedanken, dass der unterhaltsrelevante Gebrauchsvorteil aus dem steuerrechtlich ermittelten Gebrauchsvorteil abgeleitet werden kann. Es wird also davon ausgegangen, dass der nach steuerlichen Vorgaben ermittelte Gebrauchsvorteil – Bewertung nach der 1%-Methode – (§ 8 Abs.2 S. 2 u. 3 EStG i. V. m. § 6 Abs.1 Nr. 4 EStG) eine für das Unterhaltsrecht zutreffende Schätzungsgrundlage bietet. Vorteil dieser Methode ist, dass sich der steuerrechtliche Gebrauchsvorteil aus den Gehaltsnachweisen entnehmen lässt. Allerdings stellt sich die weitere Einkommensbereinigung völlig anders dar, als bei der Schätzungsmethode II.
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  • Schätzungsmethode II:
    Diese Methode lehnt eine Orientierung am steuerrechtlich ermittelten Gebrauchsvorteil ab. Zur Bemessung des geldwerten Vorteils der privaten Nutzung eines Firmenwagens wird die ADAC-Tabelle herangezogen. Der Wert des privaten Nutzungsvorteils wird, um die steuerliche Mehrbelastung der Firmenwagen-Besteuerung bereinigt.
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  • Schätzungsmethode III:
    Hier wird ohne Bezugnahme auf den steuerlichen Nutzwert oder ADAC-Tabelle ein pauschaler Schätzwert für die private Nutzung des Firmenfahrzeugs dem Nettoeinkommen aufgeschlagen
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Es hat sich keine einheitliche Rechtsprechung herausgebildet, welcher Schätzungsmethode der Vorzug zu geben ist. Der BGH (Urteil vom 16.07.2008 - XII 109/05, Rn 64) jedenfalls hat keine Beanstandungen gegen die Anwendung der Schätzwertmethode III. Hier wurde ein pauschaler Schätzwert in Höhe von 200 € dem Netto-Einkommen hinzugerechnet. Alle drei Schätzungsmethoden finden sich in der Rechtsprechung wieder.

  • Weiterführende Literatur:
    » Ernst Sarres, Der Dienstwagen – ein umstrittener Vermögensvorteil, in: FK 2003, 89 


Schätzungsmethode I
mit Hilfe des steuerlichen Nutzwerts

Steuerlicher Wert
der privaten Nutzungsmöglichkeit


Firmenwagenrechner
Steuerlicher Nutzwert des Firmenwagens



1 %-Regelung: Wenn die konkreten Kosten des Dienstwagens nicht bekannt sind, wird im Steuerrecht für den Privatanteil der Gesamtkosten  ein steuerrechtlicher Wert nach der sog. 1-Prozent-Regelung (= monatlich 1 % des Brutto-Inlands-Listenneupreises) angesetzt. Für die private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs durch den Unternehmer hat dieser insoweit eine Nutzungsentnahme zu versteuern, die in der Regel nach der 1 %-Regelung ermittelt wird. (Rechtsprechung des BFH zur 1%-Regelung, in: NJW 2013, 3053ff).  Im Rgelefall wird davon ausgegangen, dass ein Dienstwagen auch privat genutzt wird (Anscheinsbeweis).
.
Gegenbeweis ausschließlich betrieblichen Nutzung: Der Anscheinsbeweis für einen privaten Nutzungsanteil kann entkräftet werden, wenn für private Fahrten andere Fahrzeuge zur Verfügung stehen, die mit dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar sind (BFH, Urteil vom 04.12.2012 - VIII R 42/09). Diese Entkäftung des Anscheinbeweises  gelingt jedoch nicht, wenn das andere (rein für Privatzwecke genutzte) Fahrzeug nicht ständig und uneingeschränkt zur Verfügung steht, z.B.  weil das Privat-Fahrzeug  regelmäßig auch vom Ehepartner bzw. Lebensgefährten genutzt wird.

Steuerliches Berechnungsschema
zum steuerlichen Nutzwert
Betrag (Euro)
Brutto-Inlands-Listenpreis des Fahrzeuges30.050,00
auf volle 100 € abgerundet30.000,00
davon 1 % pro Monat (Bemessung des Nutzungsvorteils wegen Überlassung des Dienstfahrzeuges auch für private Zwecke (BFH, Urteil v. 07.11.2006 – VI R 95/04, in NJW 2006, 1167).300,00


Steuerlicher
Wert
der ersparten Pendlerkosten


Der Wert nach der 1-Prozent-Regelung erhöht sich um einen weiteren Wert, nämlich um pauschal monatlich 0,03 % des Brutto-Inlands-Listen(neu)preises je Entfernungskilometer für Fahrten zwischen Arbeitsplatz und Wohnung, wenn der Dienstwagen auch für diese Wegstrecken dem Arbeitnehmer zur Verfügung steht. Für weitere Privatfahrten, etwa für Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung kommt ein steuerlicher Wert von 0,002 % des Listenpreises pro Entfernungskilometer hinzu, soweit der Dienstwagen dafür genutzt wird.

Steuerrechtliches Berechnungsbeispiel zum Nutzwert inkl. Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz Betrag
(Euro)
Brutto-Inlands-Listenpreis des Fahrzeuges30.050,00
auf volle 100 € abgerundet30.000,00
davon 1 % pro Monat300,00
+ 0,03 % pro km Entfernung zur Arbeit (hier: 30 km)270,90
= zu versteuernder Nutzwert570,90

Im Gegenzug ist der Arbeitnehmer berechtigt – vgl. § 40 Abs. 2 S. 2 und 3 EStG –, die Fahrtkosten zur Arbeitsstätte als Werbungskosten abzusetzen nach den Maßgaben des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG, also mit 0,30 € pro Entfernungskilometer.

Dem Arbeitnehmer steht es als weitere Alternative frei, ein Fahrtenbuch zu führen und damit das Verhältnis der privaten Nutzung sowie der Fahrten zur Arbeitsstätte zu der dienstlichen Nutzung nachzuweisen. Als Vorteil ist dann der Anteil an den gesamten Fahrzeugaufwendungen zu versteuern, der der privaten Nutzung entspricht, § 8 Abs. 2 S. 4 EStG. Dies ist in der Praxis allerdings selten anzutreffen.

Beispiel zur Verdeutlichung:
(Im Einzelnen hierzu Holthusen FamRZ 2020, 71 zur Berechnung unter Berücksichtigung von Steuern und Sozialversicherungsabgaben)

Unterhaltsschuldner U bekommt von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen mit einem Bruttolistenpreis von 40.000 € zur Verfügung gestellt. Er wohnt 25 km von seiner Arbeitsstätte entfernt und fährt 18 Tage im Monat zur Arbeit. Er hat einen persönlichen (Grenz-)Steuersatz von 30 %. U muss für die private Nutzung gemäß § 8 Abs. 2 S. 2 EStG monatlich 400 € versteuern (1 % von 40.000 €); es folgt mithin ein Steuernachteil von 120 € (30 % von 400 €). Zudem müssen zusätzlich Sozialversicherungsabgaben gezahlt werden, sofern nicht die Beitragsbemessungsgrenze überschritten wurde; für den Arbeitnehmer dürften hier typischerweise gerundet 20 % anfallen, mithin 80 €. Insgesamt fallen mithin für den Nutzungsvorteil etwa 200 € an Abgaben an. Gemäß § 8 Abs. 2 S. 3 EStG kommen für die Fahrten zur Arbeitsstätte 40.000 € × 0,0003 (also 0,03 %) × 25 km = 300 € zu versteuerndes Einkommen hinzu; daraus folgt eine Steuerpflicht von 90 € sowie die entsprechende Sozialversicherungsabgabenpflicht (Ansatz erneut ca. 20 %) von 60 €. Gleichzeitig kann U für diese Fahrten Werbungskosten absetzen gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 EStG i. H. von 25 km × 18 Fahrten × 0,30 = 135 €, woraus sich eine Steuerminderung von gerundet 40 € ergibt. Mithin summieren sich die steuerlichen Nachteile und Sozialversicherungsabgaben für den Arbeitnehmer hinsichtlich der Fahrten zur Arbeitsstätte bei der Anwendung der Regel-Versteuerung auf 110 € (90 € Versteuerung abzüglich 40 € Steuervorteil für Werbungskosten + 60 € Sozialversicherungsabgaben).

Übernahme des steuerlichen Nutzwerts
für die unterhaltsrechtliche Einkommensermittlung


Muster-Gehaltsabrechnung
mit steuerlichem Nutzwert


Häufig wird im Grundsatz auf den zu versteuernden Betrag nach der 1 %-Regelung gemäß § 8 Abs. 2 S. 2 EStG abgestellt (so etwa Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Kap.3, Rn 197). Zum Teil wird allerdings auch ermittelt, welche Beträge der betreffende Beteiligte konkret ausgezahlt erhält, und dann eine Pauschale für die private Nutzung des Dienstwagens aufgeschlagen. Insofern wird argumentiert, dass auf die konkrete Ersparnis von Eigenaufwendungen abzustellen sei, was sich auch aus Nr. 4 der Leitlinien der Oberlandesgerichte ergebe. Solche Lösungen werden insbesondere angewendet, wenn der sich aus der 1 %-Regelung ergebende Betrag zu hoch erscheint, weil der Betroffene privat einen weniger kostenaufwändigen Pkw halten würde, jedoch die Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen. Für Elektrofahrzeuge ist die Besteuerung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3 Hs. 2 EStG abweichend geregelt und geringer. Es wird nicht danach differenziert, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den zusätzlichen Vorteil gewährt, die Benzinkosten auch für private Fahrten zu übernehmen. Auf die so ermittelten Beträge sind auch Sozialversicherungsabgaben zu leisten, § 3 Abs. 1 S. 1 und 3 SvEV (Sozialversicherungsentgeltverordnung). Ist dieser steuerliche Nutzwert im Gehaltsnachweis ausgewiesen, sei das ausgewiesene Netto-Einkommen nicht weiter zu korrigieren. Der Nutzungsvorteil ist nicht noch um die steuerlich entstehenden Nachteile zu bereinigen, weil durch die Mitversteuerung des steuerlichen Nutzwerts höheren Steuern bei der Ermittlung des Nettoeinkommens bereits zum Abzug kommen. Vom Nettoeinkommen ist allerdings wieder derjenige Anteil des steuerlichen Nutzwertes (= privater Gebrauchsvorteil), der darauf entfällt, dass der Arbeitnehmer das Firmenfahrzeug kostenfrei (einschließlich der Betriebskosten) für Pendlerfahrten von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte nutzen darf. Der steuerliche Nutzwert erfasst hier nämlich berufsbedingte Aufwendungen, deren Absetzung jedem Erwerbstätigen zusteht. Hierfür bedarf es keiner Ermittlung, in welchem konkreten Umfang die in den Lohnbescheinigungen ausgewiesenen Beträge auf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallen, weil für die Absetzung von Fahrtkosten als berufsbedingte Aufwendungen auf die anerkannte Abrechnungsweise nach km-Sätzen zurückgegriffen werden kann ( Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Kap.3, Rn 197).

OLG Hamm, Urteil vom 23.04.2004 - 10 UF 44/02
Bewertung der Nutzung des Dienstwagens für private Zwecke nach steuerlicher Vorgabe


(Zitat) "Für die monatlichen Fahrtkosten des Beklagten hat der Senat 385,00 DM in Ansatz gebracht. Hinsichtlich des Vorteils der privaten Nutzung des vom Arbeitgeber des Beklagten zur Verfügung gestellten PKWs ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die steuerliche Bewertung mit 1% des Listenpreises den Vorteil zutreffend erfasst und deshalb nicht vom Bruttoeinkommen abzusetzen ist (vgl. auch die Empfehlungen des 15. Deutschen Familiengerichtstages, A I 1 b)."

OLG Hamm, Urteil v. 21.04.2008 - 2 UF 166/07
Bezugnahme auf steuerliche Werte


Anmerkung: Diesen Weg geht OLG Hamm weiter und bezieht sich hierbei auf seine eigene ständige Rechtsprechung. Allgemein ist die Tendenz in der Rechtsprechung festzustellen, dass eine Bezugnahme auf die steuerlichen Werte stattfindet, wenn keine anderen Anhaltspunkte für ein Abweichen davon dem Gericht ersichtlich sind.

OLG Dresden, Urteil vom 25.09.2009 - 24 UF 717/08 , Seite 13
Bezugnahme auf steuerliche Werte


(Zitat) „ Der Wert des vom Kläger gefahrenen Dienstwagens ist in den Gehaltsbescheinigungen mit 294 € monatlich bereits berücksichtigt. Dies erscheint angemessen und wird vom Senat nicht anders bewertet. Dass der vom Kläger genutzte Privatanteil am Pkw einen höheren Wert hat, ist nicht hinreichend ersichtlich".

Anmerkung: Nach einer weiteren Entscheidung des OLG Hamm (FamRZ 2015, 1974) ist in dem Fall, in dem im Gesamtbrutto der geldwerte Vorteil, der in der Zurverfügungstellung des Firmenfahrzeugs bereits enthalten ist, eine gesonderte Berechnung nicht durchzuführen, da sich der geldwerte Vorteil regelmäßig nach dem steuerrechtlich zu veranschlagenden Wert bemisst. Der Firmenwagenvorteil ist nicht noch um die hierdurch entstehenden steuerlichen Nachteile zu bereinigen, weil die durch die Mitversteuerung des geldwerten Vorteils höheren Steuern bei der Ermittlung des Nettoeinkommens ohnehin abgezogen werden, sodass eine Vorab-Bereinigung eine unzulässige Doppelberücksichtigung des Steuernachteils darstellen würde.

Einkommensermittlung
wenn im Brutto-Einkommen (lt. Gehaltsnachweis) der steuerliche
Nutzwert enthalten ist


Grundsätzlich wird im dem Gehaltsnachweis wird der private Gebrauchsvorteil wertmäßig gemäß §  8 Abs.2 S.2 EStG iVm § 6 Abs.1 Nr.4 EStG für die Einkommensbesteuerung erfasst. Dafür wird berechnungstechnisch das Steuer-Brutto um den Steuerwert des Gebrauchsvorteils erhöht und entsprechend in den Gehaltsnachweisen ausgewiesen, ohne dass hierbei dem Arbeitnehmer auch tatsächlich ein höheres Gehalt bezahlt wird. Entsprechend findet auf den Gehaltsnachweisen beim Auszahlungsbetrag wiederum ein Abzug des rein steuerlichen Wertansatzes statt. Der Ansatz des Steuerwerts führt also tatsächlich zu keinem real höheren Gehaltsauszahlung, sondern führt lediglich zur Erhöhung der Einkommenssteuerschuld. Da das erhöhte Steuer-Brutto auch Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge ist, müssen auch entsprechend mehr Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden.

Beispiel:
Ein Arbeitnehmer mit der Möglichkeit der privaten Nutzung eines Firmenwagens verdient monatlich Brutto 5.000,- €. Für die private Nutzung des Firmenwagens kommt ein monatlich zu versteuernder Betrag von 570,90 € brutto (siehe Beispiel oben) hinzu und erhöht das zu versteuernde Gesamtbrutto-Einkommen. Für die Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge ist das Steuer-Brutto in Höhe von 5.570,90 € maßgebend. Der in der Gehaltsabrechnung berücksichtigte Sachvorteil wird vom Netto-Einkommen nicht an den Arbeitnehmer ausbezahlt. Er kann in der Lohnabrechnung wieder vom Netto-Einkommen abgesetzt werden, was dann zu einem reduzierten Netto-Auszahlungsbetrag führt. Wir nehmen im Beispiel einen Arbeitnehmer (Geburtsjahr 1965) mit Steuerklasse I und ohne Kinderfreibeträge an und berechnen das Jahr 2012. Man gelangt dabei zu einem Netto-Zahlbetrag in Höhe von 2.459,17 € zggl. steuerlichen Nutzwert für den Firmenwagen in Höhe von 570,90 € (brutto).

Brutto-Netto-Rechnung
mit steuerlichen Nutzwert

Steuerklasse:1
Kirchensteuerpflichtig:ja
Kirchensteuersatz:8,0
Krankenkasse:Pflicht-Versicherung
Kassensatz (nur gesetzliche KK):15,5
Rentenversicherungspflicht:ja (west)
Kinderfreibeträge:0
Euro/Monat
Brutto-Arbeitslohn:5.000,00
Sachwertvorteil Firmenwagen (1%-Regelung)570,90
Lohnsteuer:1.366,25
Solidaritätszuschlag:75,14
Kirchensteuer:109,30
Krankenversicherung:313,65
Pflegeversicherung:46,86
Rentenversicherung:546,05
Arbeitslosenversicherung:83,58
Netto-Arbeitslohn (inkl. steuerlicher Nutzwert)3.030,07
Abzug des nicht auszubezahlenden Sachwertvorteils- 570,90
Auszahlungsbetrag2.459,17 €


Der Sachwert (570,90 €) wird nicht zusätzlich ausbezahlt, sondern lediglich versteuert. Der ganze Effekt dieser Gehaltsberechnungs-Methode führt dazu, dass der Arbeitnehmer wegen der Anrechnung des Firmenwagens weniger Netto-Einkommen erzielt. Geht man davon aus, dass der Gebrauchvorteil des Firmenwagens mit der 1%-Regelung richtig erfasst ist, ist dieser in Höhe des Bruttobetrags dem Betroffenen wieder dem Einkommen unterhaltsrechtlich zuzurechnen. bei Verwendung und Übernahme des steuerrechtlichen Nutzwertes für unterhaltsrelevante Zwecke ist Bemessungsgrundlage für das unterhaltsrelevante Einkommen gleich 3.030,07 €.

Anlass für Korrekturen des steuerlichen Nutzwertes:
Übersteigt der Pkw, den der Unterhaltsschuldner von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt bekommt, deutlich das Niveau seiner tatsächlichen Einkommens- und Lebensverhältnisse, würde, wenn man die steuerrechtliche Pauschalierung für die Bemessung des Nutzungswertes heranzieht, ein Nutzungswert „aufgedrängt“, welcher für ihn gar nicht realisierbar ist (so OLG Hamm FamRZ 2008, 281). Dies gilt umso mehr, wenn die Gestellung eines kostspieligen Pkw ihren Grund ua darin hat, dass der Unterhaltsschuldner im Außendienst tätig ist und in diesem Tätigkeitsfeld ein repräsentativer Wagen üblich ist, um das Erscheinungsbild des Arbeitgebers durch einen Firmen-Pkw entsprechend zu prägen. In diesem Fall kann nur ein geringerer geschätzter Nutzungswert angesehen werden, der den tatsächlichen Einkommens- und Lebensverhältnissen des Unterhaltsschuldners entspricht und nicht der steuerrechtliche Pauschalbetrag von 1 % (OLG Hamm FamRZ 2008, 281; vgl. auch OLG Karlsruhe FamRZ 2006, 1759; OLG München FamRZ 1999, 1350; OLG Köln FamRZ 1994, 897; Romeyko, Der private Nutzungswert des Geschäftswagens, FamRZ 2004, 242).

Abzug der Pendlerkosten
nach Kilometerpauschale


Private Nutzungsmöglichkeit | Fahrtkosten zum Arbeitsplatz:
Als nächstes stellt sich die Frage, der Gebrauchsvorteil des Firmenwagens wegen Verwendung für private Zwecke um den Gebrauchsanteil für Fahrten zwischen Privatwohnung und Arbeiststätte weiter zu bereinigen ist. Denn bei diesen Pendler-Fahrten handelt es sich nicht um reine private Gebrauchsvorteile. Unterhaltsrechtlich werden Aufwendungen für Fahrten zur Arbeitsstätte als berufsbedingter Aufwand behandelt. Steuerlich können für Pendler-Fahrten mit dem Dienstwagen Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 EStG abgesetzt werden. In der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechungspraxis zeigt sich insgesamt ein diffuses Bild. Der Ansatz der privaten Nutzungsmöglichkeit ist strittig und letztlich für den Einzelfall zu entscheiden. Die Orientierung an der in der Regel gewählten Pauschalversteuerung von 1 % des Bruttopreises je Monat erscheint vorzugswürdig. Dabei ist ggf. im Einzelfall eine Anpassung für den konkreten Fall vorzunehmen und zu berücksichtigen, ob auch Treibstoffkosten vom Arbeitgeber übernommen werden. Der durch die kostenfreien Fahrten zur Arbeitsstätte entstehende Vorteil ist unterhaltsrechtlich zu neutralisieren.

Rechtsprechung

OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.04.2022 - 9 UF 155/21 - juris
Bereinigung des steuerrechtlichen Gebrauchsvorteils um Pendlerkosten nach Kilometerpauschale


Anmerkung: Das OLG hat die Berechnung des geldwerten Vorteils aus der Nutzung eines Dienstwagens wie folgt vorgenommen:
  1. Nutzung für private Zwecke (§ 8 II S. 2 EStG i. V. mit § 6 I Nr. 4 S. 2 EStG):
    Bruttolistenpreis Pkw 42.300 € × 1 % = 423 €.
  2. Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (§ 8 II S. 3 EStG):
    Bruttolistenpreis Pkw 42.300 € × 0,03 % × 31 km (Entfernungskilometer) = 393,39 €.
  3. Dem geldwerten Vorteil von 393,39 € stellt das OLG danach die Werbungskosten i. S. des § 9 I S. 3 Nr. 4 EStG gegenüber (Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte), siehe LS. 6.
    Berechnung ab 2019: 31 km × 2 × 0,30 € × 220 Tage : 12 = 341 €.
    Berechnung ab 2022: 31 km × 2 × 0,42 € × 220 Tage : 12 = 477,40 €.
Das OLG weist darauf hin, dass der geldwerte Vorteil aus der Bereitstellung eines Dienstwagens der Einkommensteuer unterliegt und aufgrund dieses Bezugs auch Sozialversicherungsabgaben gemäß § 3 I S. 1, 3 SvEG abzuführen sind, die das unterhaltsrelevante Einkommen entsprechend mindern (Quelle: FamRZ 2023, 1116, 1117).

OLG Hamm, Beschluss vom 09.07.2015 - 14 UF 70/15
Zur Ermittlung des geldwerten Vorteils, wenn Firmenfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte kostenfrei einschließlich aller Betreibskosten genutzt werden darf (Schätzungsmethode I)


(Zitat, Rn 42ff) "Zur Ermittlung des Erwerbseinkommens des Antragsgegners sind die in den Lohnbescheinigungen 12/2013 und 12/2014 ausgewiesenen Jahreswerte "Gesamtbrutto" zugrundezulegen. In diesem Gesamtbrutto ist der geldwerte Vorteil, den die Zurverfügungstellung des Firmenfahrzeuges ausmacht, bereits enthalten. Da sich dieser Vorteil regelmäßig nach dem steuerrechtlich zu veranschlagenden Wert bemisst (vgl. OLG Hamm FamRZ 2009, 981, Juris-Rn. 52; Leitlinien des OLG Hamm zum Unterhaltsrecht, Rn. 4), und die steuerliche Richtigkeit der in den Lohnbescheinigungen ausgewiesenen Positionen nicht angegriffen ist, bedarf es hierzu weder näherer Ausführungen noch einer gesonderten Berechnung. Soweit in der zitierten Entscheidung des OLG Hamm ausgeführt ist, dass der Firmenwagenvorteil noch um die hierdurch entstehenden steuerlichen Nachteile zu bereinigen sei, kann dem nicht gefolgt werden, denn die durch die Mitversteuerung des geldwerten Vorteils höheren Steuern werden ja bei der Ermittlung des Nettoeinkommens ohnehin abgezogen, so dass eine Vorab-Bereinigung eine unzulässige Doppelberücksichtigung des Steuernachteils darstellen würde."

(Zitat, Rn 45) "Bei der Ermittlung des Nettoeinkommens wieder abzusetzen ist allerdings derjenige Anteil des geldwerten Vorteils, der darauf entfällt, dass der Anteilsgegner das Auto auch für seine Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte kostenfrei einschließlich der Betriebskosten nutzen darf. Denn hierbei handelt es sich um berufsbedingte Aufwendungen, deren Absetzung vom Einkommen jedem Erwerbstätigen zusteht. Auch hierfür bedarf es aber keiner Ermittlung, in welchem konkreten Umfang die in den Lohnbescheinigungen ausgewiesenen Beträge auf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallen, weil für die Absetzung von Fahrtkosten als berufsbedingte Aufwendungen auf die anerkannte Abrechnungsweise nach km-Sätzen zurückgegriffen werden kann. Danach ergeben sich bei einem einfachen Arbeitsweg von 23 km (vgl. den Einkommensteuerbescheid für 2013) 23 x 2 x 0,30 € x 220 : 12 = 253 € monatlich."


OLG Hamm, Urteil vom 23.04.2004 - 10 UF 44/02
Zur Anwendung der Kilometerpauschale beim privatgenutzten Dienstwagen


(Zitat, Rn 51) "Für die monatlichen Fahrtkosten des Beklagten hat der Senat 385,00 DM in Ansatz gebracht. Hinsichtlich des Vorteils der privaten Nutzung des vom Arbeitgeber des Beklagten zur Verfügung gestellten PKWs ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die steuerliche Bewertung mit 1% des Listenpreises den Vorteil zutreffend erfasst und deshalb nicht vom Bruttoeinkommen abzusetzen ist (vgl. auch die Empfehlungen des 15. Deutschen Familiengerichtstages, A I 1 b). Eine Erhöhung des Nettoeinkommens kommt dann nicht mehr in Betracht; auch müssen dem Beklagten konsequenter Weise die monatlichen Fahrtkosten zugebilligt werden. Die einfache Entfernung zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeitsstelle in E ist in den Steuerbescheiden mit 30 km angesetzt. Dabei ist von 220 Arbeitstagen des Beklagten pro Jahr auszugehen. Für eine Abweichung zu seinen Gunsten auf 230 Tage hat er nichts vorgetragen. Danach ergibt sich auf der Grundlage der im Jahr 2000 noch maßgeblichen Berechnungsweise des Senates – bei Strecken von mehr als 20 km werden 0,35 DM/km zugrunde gelegt - ein monatlicher Gesamtbetrag in Höhe von 385,00 DM (220 Arbeitstage x 30 km x 2 x 0,35 DM : 12)."

Anmerkung: Wenn nach Schätzungsmethode I vorgegangen wird, dann ist der steuerliche Nutzungsvorteil, der den Wert für ersparte Pendlerkosten mit umfasst, in jedem Fall um die Pendlerkosten nach der Kilometermethode zu bereinigen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zur Schätzungsmethode II. Hier wird keine Bereinigung eines steuerlichen Nutzungsvorteils durch Abzug von Pendlerkosten (berufsbedingter Aufwendungen) durchgeführt.


Schätzungsmethode II
Steuerlicher Nutzwert entspricht nicht dem geldwerten Vorteil

Die Schätzungsmethode II basiert auf der Grundannahme, dass der steuerliche Nutzwert und der unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende geldwerte Vorteil eines Firmenwagens nicht identisch sind. Sie findet bevorzugt dann Anwendung, wenn mit dem steuerlichen Nutzwert keine realitätsgerechte Bestimmung des tatsächlichen Gebrauchsvorteils des Firmenwagens gelingt. Jedenfalls können die steuerrechtlich eingestellten Werte des Sachbezugs nicht ohne Weiteres dem Einkommen des Antragstellers hinzugerechnet werden, weil die rein steuerrechtlich bedingten Berechnungen den Umfang des geldwerten Vorteils nicht erkennen lassen, den der Antragsteller aus der privaten Nutzung des PKW tatsächlich zieht. Der Sachbezug ist beim Gehalt ein durchlaufender Posten und wird vom Auszahlungsbetrag wieder abgezogen. Er ist mit Steuern und dem Rentenversicherungsanteil belastet. Der Sachbezug korrespondiert nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen wirtschaftlich nicht mit dem geldwerten Vorteil. Das heißt, der Nutzungsanteil des Firmenwagens ist in der Regel geringer als der Nennwert des Sachbezugs. Erscheint z.B. in der Gehaltsabrechnung der Sachbezug mit einem Betrag von 1.000 €, ist dieser Betrag nicht mit dem Betrag gleichzusetzen, der einkommenserhöhend angesetzt werden muss. Dies bedarf der Schätzung des Gerichts (§  278 ZPO).

Geldwerter Vorteil
weicht vom steuerlichen Nutzwert ab


OLG Hamm, Urteil vom 16.08.2007 - 6 UF 42/07
Aufgedrängter steuerliche Nutzwert


(Zitat) "Der Mercedes-Benz-Kombi, den der Beklagte von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt bekommt, übersteigt nämlich deutlich das Niveau seiner tatsächlichen Einkommens- und Lebensverhältnisse. Hinzu tritt, dass die Gestellung eines solch kostspieligen Pkws ihren Grund unter anderem darin hat, dass der Beklagte im Außendienst tätig ist und nach der Erfahrung des Senats in diesem Tätigkeitsfeld ein repräsentativer Wagen üblich ist und auch das Erscheinungsbild des Arbeitgebers entscheidend durch einen Firmen-Pkw geprägt wird. Dem Beklagten würde daher, wenn man die steuerrechtliche Pauschalierung für die Bemessung des Nutzungswertes heranziehen wollte, ein Nutzungswert „aufgedrängt“, welcher für ihn gar nicht realisierbar ist."

Anmerkung: Eine Korrektur des steuerlichen Ansatzes kann geboten sein, wenn sich der Unterhaltspflichtige aufgrund seiner angespannten wirtschaftlichen Situation (z.B. Verbraucherinsolvenz, vier Unterhaltsberechtigte etc.) privat ein weniger teures Fahrzeug anschaffen würde. Dann ist es gerechtfertigt, dem Einkommen nur den Nutzungsvorteil eines seinem Einkommen, seinen Unterhaltspflichten und seinen Verbindlichkeiten entsprechenden Fahrzeugs zuzurechnen (OLG Karlsruhe FamRZ 2016, 237). Ein Abstellen auf den steuerlichen Nutzwert ist ungeeignet, wenn festgestellt wird, dass die Klasse des Firmenwagens deutlich das Niveau seiner tatsächlichen Einkommens- und Lebensverhältnisse des Arbeitnehmers übersteigt. Dann stellt sich die steuerrechtliche Pauschalierung für die Bemessung des Nutzungswertes als "aufgedrängter" Nutzungswert dar, welcher für den Arbeitnehmer ohne Firmenfahrzeug im Privatbereich gar nicht realisierbar wäre (so OLG Hamm FamRZ 2008, 281).

Zur Übernahme steuerlicher Nutzwerte, wenn arbeitsvertraglich lediglich eine private Nutzung von 5.000 km/Jahr gestattet war, vgl. Niepmann, NZFam 2022, 981.

Praxistipp: Wer für unterhaltsrechtliche Zwecke den Wert des Gebrauchsvorteils abweichend vom steuerlichen Wert berücksichtigt wissen will, muss dem Familiengericht über einen konkreten Vortrag klarmachen, dass die Übernahme der steuerlichen Werte zu einer falschen Schätzung nach § 278 ZPO führt. Dies wird nur gelingen, wenn dem Gericht konkret vorgerechnet wird, welche tatsächlichen Kosten der Arbeitnehmer für die Unterhaltung eines eigenen Fahrzeuges aufwenden müsste bzw. nach Maßgabe seiner wirtschaftlichen Verhältnisse würde. Wer dem Gericht klar machen kann, dass der Arbeitnehmer im Fall einer fiktiv unterstellten Anschaffung eines Privatfahrzeuges sich ein geringwertigeres Fahrzeug anschaffen würde, als den Dienstwagen, den er tatsächlich nutzt, so kann der Ansatz des Anteils der ersparten Eigenaufwendungen nochmals abweichend vom steuerlichen Wert gesenkt werden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 02.08.2006 – 16 WF 80/06). Kann plausibel anhand der wirtschaftlichen Gesamtverhältnisse des Unterhaltsschuldner erklärt werden, dass nur die Anschaffung eines geringwertigeren Fahrzeuges in Betracht käme oder im Extremfall die Anschaffung eines Fahrzeuges unterbleiben würde, kann es zu einem Ansatz von ersparten Aufwendungen in Höhe von NULL kommen.

Geldwerter Vorteil
ADAC-Tabelle als Schätzungsgrundlage


ADAC-Kostenrechner


Der geldwerte Vorteil ist der Betrag, den der Betreffende dadurch spart, dass er kein eigenes Fahrzeug finanzieren muss. Kann für die Bestimmung des Sachwertvorteils des Firmenwagens nicht auf den zu versteuernden Nutzwert zurückgegriffen werden, muss zur Schätzung eine anderweitige Bemessungsgrundlage gefunden werden. Für die Unterhaltsberechnung ist der Betrag anzusetzen, der am Markt für Anschaffung und Unterhaltung des Fahrzeugs zu zahlen wäre, um den privaten Mobilitätsbedarf zu decken, den ein Angestellter ohne Firmenwagen aufzubringen hätte. Um diesen Betrag zu ermitteln, bedient sich die Rechtsprechung zum Teil der ADAC-Tabelle zur Ermittlung der durchschnittlichen Gesamtkosten eines Pkw. (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 02.09.2013 - 13 UF 136/12 , Rn 72). Sofern die wirtschaftlichen Verhältnisse die Anschaffung eines dem Dienstwagen vergleichbares Fahrzeug nicht zulassen, kann statt dessen ein Wert für ein kleineres Fahrzeug zugrunde gelegt werden. Da es sich um Gesamtkosten handelt ist davon wiederum der Anteil in Abzug zu bringen, der auf die (Ab-)Nutzung der Firmenfahrzeugs für den betrieblichen Einsatz und Nutzung für Fahrten von Wohnort zum Arbeitsplatz (Pendlerfahrten) entfällt.

Wird zum Nachweis der Nutzung des Firmenfahrzeugs für private Zwecke ein Fahrtenbuch verwendet, kann nach Kilometerpauschale der zum jeweiligen Fahrzeug (ADAC-Tabelle) und privat gefahrenen Kilometern der Wert des privaten Nutzungsanteils bestimmt werden.

Wird kein Fahrtenbuch geführt, wird nach Schätzungsmethode I der Nutzungswert  nach der steuerlichen 1 %-Regel  - § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG - bemessen, unabhängig vom Umfang der Nutzung (BFH, Urteil v. 21.4.2010 - VI R 46/08 -, NJW 2010, 2751). Das steuer- und sozialabgabenpflichtige Einkommen erhöht sich um diesen Betrag. Für abhängig Beschäftigte wird der Wert durch eine Vergleichsberechnung bereinigt, um die zusätzliche Steuer- und Sozialabgabenbelastung zu berücksichtigen (OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.04.2022 - 9 UF 155/21 -, FamRZ 2023, 1116 [LSe mit Anmerkungen von Borth] = NZFam 2022, 975).

Nach Schätzungsmethode II, ist die Rechtsprechung auf Schätzungen des Privatanteils nach § 278 ZPO angewiesen. In der Regel wird ein PkW an 220 Tagen Arbeitstagen pro Jahr (= 365 Tage) für Pendlerfahrten und dienstliche Fahrten genutzt; beruflich veranlasster Anteil: 220/365 = 60%. Damit ist ein Anhaltspunkt für eine Schätzung und Ermittlung des Privat-Anteils (40%) an den Gesamtkosten gegeben. So kann etwa für den Schätzwert des privaten Nutzungsanteils ein Anteil von 40 % der Gesamtkosten des Firmenwagens (lt.  ADAC-Tabelle) als Schätzungsgrundlage herangezogen werden. Der Anteil der Dienstfahrten ist ebenso wie die Pendlerfahrten unterhaltsrechtlich den berufsbedingten Aufwendungen und nicht dem privaten Nutzungsanteil zuzurechnen. Aus diesem Grund wird bei dieser Wertermittlungsmethode des geldwerten privaten Vorteils (Schätzungsmethode II) dieser nicht nochmals um die 5%-Pauschale bereinigt.

Schätzwert bereinigen
von steuerlicher Mehrbelastung


Auch wenn als Schätzwert für den unterhaltsrelevanten privaten Nutzungsanteil nicht auf den steuerlichen Nutzwert abgestellt wird, muss die Gehaltsabrechnung mit Firmenwagen sich an die steuerlichen Vorgaben halten. Mit anderen Worten: Die Gehaltsabrechnung (Brutto-Netto-Rechnung) hat nach Maßgabe des steuerlichen Nutzwert zu erfolgen (Beispiel: Gehaltsabrechnung mit steuerechtlichem Nutzwert). Die Einkommensbesteuerung mit Firmenwagen führt immer zu einer steuerlichen Mehrbelastung gegenüber der Gehaltsabrechnung ohne Einbezug des Firmenwagens. Da geldwerter Vorteil im Sinne des Unterhaltsrechts der Betrag ist, den der Betreffende dadurch spart, dass er kein eigenes Fahrzeug finanzieren muss, ist der Schätzwert für den privaten Nutzungsanteil von der steuerlichen Mehrbelastung zu bereinigen.

Rechtsprechung
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.07.2021 - 6 UF 167/20
Vorteil der privaten Nutzung eines Firmenfahrzeugs: Berücksichtigung steuerlicher Mehrbelastung

(Zitat, Rn 15): Wird einem Arbeitnehmer ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt, erhöht sich grundsätzlich sein unterhaltspflichtiges Einkommen, soweit er eigene Aufwendungen für die Unterhaltung eines Pkw erspart (Wendl/Dose, a.a.O., § 1, Rz. 92 m.w.N.; Eschenbruch/Henjes, Der Unterhaltsprozess, 7. Aufl., Kapitel 4, Rz. 78ff, 83; OLG Karlsruhe FamRZ 2016, 237). Dabei bieten die hierfür steuerlich in Ansatz gebrachten Beträge einen Anhaltspunkt für die Bewertung des geldwerten Vorteils. Der unterhaltsrechtlich relevante Betrag ist in der Regel identisch mit demjenigen, der in der Verdienstabrechnung ausgewiesen ist, allerdings bereinigt um abgeführte Steuern und Eigenanteile [Privatanteil] (siehe dazu Senatsbeschluss vom 29. September 2016 – 6 UF 44/16 -; Beschlüsse des 9. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 8. Oktober 2014 – 9 UF 18/14 – und vom 17. April 2013 – 9 UF 58/12 –).

OLG München, Beschluss vom 19.02.1999 - 12 UF 1545/98
Vorteil der privaten Nutzung eines Firmenfahrzeugs: Berücksichtigung steuerlicher Mehrbelastung

Leitsatz: Unterhaltsrechtliches Einkommen ist als vermögenswerter Vorteil auch die Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs. Der vermögenswerte Vorteil ist dabei aber nicht mit dem Gehaltsbestandteil der PKW-Nutzung identisch, sondern in jedem Einzelfall nach § 287 ZPO zu schätzen. Hierbei ist die steuerliche Mehrbelastung zu beachten, die durch die Erhöhung des Bruttoeinkommens durch die PKW-Nutzung entsteht.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 02.08.2006 - 16 WF 80/06
Die steuerlicher Mehrbelastung bei geldwertem Vorteil wegen privater Nutzung des Firmenwagen

(Zitat): "Die erforderliche Schätzung wird im Hauptsacheverfahren vorzunehmen sein. Dabei wird zu beachten sein, dass der Beklagte auf monatlich 357 EUR Steuern und Abgaben bezahlt, unabhängig davon, wie hoch man den angemessenen Nutzungsvorteil ansetzt. Steuern und Sozialversicherungsbeiträge auf brutto 49.387 EUR zahlt der Beklagte im übrigen aus seinen Geldeinkünften, sodass letztlich 357 EUR an Nicht-Geldeinkünften im den Bedarf bestimmenden Einkommen enthalten sind, von denen er weder Barunterhalt noch für sich selbst Wohnung und sonstige Subsistenzmittel zahlen kann."

OLG Hamm, Urteil vom 30. 10. 2008 - 2 UF 43/08
Geldwerter Vorteil bereinigt von steuerlicher Mehrbelastung


Anmerkung: Diese Entscheidung bietet ein gutes Beispiel, wie die steuerliche Mehrbelastung ermittelt wird und bringt diese vom ermittelten Nutzungsvorteil in Abzug. Allerdings wurde zur Bestimmung des Nutzungsvorteils die Bezugnahme auf die ADAC-Tabellen abgelehnt. (Zitat, Rn 93) "Anhaltspunkte, die den Ansatz eines höheren Nutzungsvorteils rechtfertigen können sind nicht vorhanden. Der Verweis der Antragsgegnerin auf die ADAC-Tabellen zur Bewertung der Gesamtkosten für das Fahrzeug des Antragstellers überzeugt nicht. Dabei wird übersehen, dass die private Nutzung nur einen Teil der Gesamtnutzung ausmacht, weil der Antragsteller das Fahrzeug nicht nur privat, sondern beruflich nutzt." Damit wird klar, dass eine Bezugnahme auf die ADAC-Tabelle nur erfolgversprechend ist, wenn Anhaltspunkte für den Umgfang der privaten Nutzung im Verhältnis zur beruflichen Nutzung vorgetragen werden.

Berechnung
der steuerlichen Mehrbelastung


Für die Berechnung wird an das obige Beipspiel angeknüpft, Zunächst ist eine Einkommmensberechnung mit dem steuerlichen Nutzwert durchzuführen.

Brutto-Netto-Rechnung
mit steuerlichen Nutzwert

Steuerklasse:1
Kirchensteuerpflichtig:ja
Kirchensteuersatz:8,0
Krankenkasse:Pflicht-Versicherung
Kassensatz (nur gesetzliche KK):15,5
Rentenversicherungspflicht:ja (west)
Kinderfreibeträge:0
Euro/Monat
Brutto-Arbeitslohn:5.000,00
Sachwertvorteil Firmenwagen (1%-Regelung)570,90
Lohnsteuer:1.366,25
Solidaritätszuschlag:75,14
Kirchensteuer:109,30
Krankenversicherung:313,65
Pflegeversicherung:46,86
Rentenversicherung:546,05
Arbeitslosenversicherung:83,58
Netto-Arbeitslohn (inkl. steuerlicher Nutzwert)3.030,07
Abzug des nicht auszubezahlenden Sachwertvorteils- 570,90
Auszahlungsbetrag2.459,17 €

Anschließend ist eine fiktive Vergleichsrechnung ohne steuerlichen Nutzwert durchzuführen. Bei der Vergleichsrechnung ist von einem Steuer-Brutto in Höhe von 5.000,- € auszugehen.

Fiktive Einkommensberechnung
ohne steuerlichen Nutzwert

Steuerklasse:1
Kirchensteuerpflichtig:ja
Kirchensteuersatz:8,0
Krankenkasse:Pflicht-Versicherung
Kassensatz (nur gesetzliche KK):15,5
Rentenversicherungspflicht:ja (west)
Kinderfreibeträge:0
Euro / Monat
Brutto-Arbeitslohn:5.000,00
Lohnsteuer:1.137,50
Solidaritätszuschlag:62,56
Kirchensteuer:91,00
Krankenversicherung:313,65
Pflegeversicherung:46,86
Rentenversicherung:490,00
Arbeitslosenversicherung:75,00
Netto-Arbeitslohn = Auszahlungsbetrag:2.783,43


Steuerliche Mehrbelastung
wegen steuerlichem Nutzwert

Die Differenz zwischen 2.783,43 € (Geldzufluss ohne steuerliche Mehrbelastung) und 2.459,17 € (Geldzufluss mit steuerlicher Mehrbelastung) ist gleich 324,26 €. Dieser Differenzbetrag entspricht der steuerlichen Mehrbelastung des Firmenfahrzeugs. Wird nun ein geldwerter Vorteil abweichend vom steuerlichen Nutzwert (570,90 €) ermittelt (z.B. mit ADAC-Tabelle ), ist der geldwerte Vorteil um die steuerliche Mehrbelastung (324,26 €) zu bereinigen. Dieser ist dem realen Netto-Geldzufluss (hier: 2.459,17 €) hinzuzurechnen. Nach dieser Methode ist das OLG Hamm, Urteil vom 30. 10. 2008 - 2 UF 43/08, Rn 87 ff vorgegangen.

Wurde dagegen nach Schätzungsmethode I vorgegangen, unterbleibt eine solche Bereinigung, da dies eine Doppelberücksichtigung des Steuernachteils zur Folge hätte.Dafür wird bei Schätzungsmethode I eine Bereinigung durch Abzug der Pendlerkosten nach Kilometerpauschale erfolgen. Das ist bei der Schätzungsmethode II nicht der Fall:

Kein Abzug
von Pendlerkosten


Im Regelfall bestehen für Arbeitnehmer die berufsbedingten Aufwendungen im Wesentlichen aus den Pendlerkosten für Fahrten vom Wohnort zur Arbeitsstelle. Diese werden regelmäßig über den Ansatz der Kilometerpauschale erfasst. Diese kommt bei der Schätzungsmethode II nicht zum Abzug. Denn hier wurde der Schätzwert bereits von allen betrieblich veranlassten Fahrten bereinigt.

Sofern der Arbeitgeber außer ersparter Pendlerkosten weitere berufsbedingte Aufwendungen geltend machen kann, sind diese bei der Einkommensbereinigung zu berücksichtigen. Nach unserer Auffassung müssen diese jedoch konkret vorgetragen und belegt werden oder es wird die 5 %-Pauschale abzüglich der Pendlerkosten nach Kilometerpauschale berücksichtigt. Dazu müssen jedoch konkrete Anhaltspunkte für weitere berufsbedingte Aufwendungen vorgetragen werden.


Schätzungsmethode III
Geldwerter Vorteil als pauschaler Schätzwert

Fehlt ein konkreter Vortrag zur Art des Firmenfahrzeugs (Bezug zur ADAC-Tabelle ist nicht möglich), der Laufleistung und insbesondere dem Umfang der Privatnutzung oder liegen keine Gehaltsnachweise mit Berücksichtigung des steuerlichen Nutzwerts vor, kann der geldwerte Vorteil nur über eine Schätzungspauschale bestimmt werden.

Diese Schätzungspauschale berücksichtigt nur den geschätzten privaten Nutzungsvorteil des Firmenwagens sowie die steuerliche Mehrbelastung. Ein solcher pauschaler Schätzwert wird ohne weitere Korrektur dem gezahlten Netto-Einkommen aufgeschlagen.
Hinzugerechnet wird bei einem Mittelklassewagen ein pauschaler Schätzbetrag in Höhe von 150 € (OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.10.2010 - 9 WF 266/10). Der BGH, Urteil vom 16.07.2008 - XII 109/05, Rn 64, hat es nicht beanstandet, dem monatlichen Nettoeinkommen eines geschäftsführenden Mitgesellschafters in Höhe von ca. 4.000 € einen Vorteil für die private Nutzung des dienstlich zur Verfügung stehenden Firmenfahrzeugs in Höhe von 200 € hinzuzurechnen, wenn der Pkw auch für private Zwecke unentgeltlich zur Verfügung steht. Im Regelfall wird ein Betrag zwischen 150 € und 300 € angemessen sein (Gerhardt, Hdb. Familienrecht, 6. Kapitel Rn 70: bis zu 500 €).

Ist der Arbeitnehmer mit Firmenfahrzeug – abweichend vom Regelfall – von sämtlichen Kosten der Fahrzeugnutzung (insbesondere inkl. Tankkosten) befreit, kann ein zusätzlicher Aufschlag von pauschal 100,– € auf den Gesamtschätzwert angemessen sein.

OLG Hamm, Urteil v. 21.04.2008 - 2 UF 166/07
Schätzwert des Gebrauchsvorteils bei vollständiger Befreiung von Betriebskosten für das Firmenfahrzeug - 100 € Zuschlag


(Zitat) Den aus der Nutzung des Firmenwagens resultierenden Vorteil hat der Senat auf insgesamt monatlich 288,57 € geschätzt (§ 287 Abs. 2 ZPO).

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt der für die Kfz-Nutzung nach dem Steuerrecht zu veranschlagende Wert (Einprozentregelung) im Regelfall die Ausgangsgröße für die Bemessung des Nutzungsvorteils im Unterhaltsrecht dar. Nach der Bescheinigung der Arbeitgeberin des Beklagten vom 9.11.2006 (Bl. 257 d.A.), deren Richtigkeit die Klägerin nicht entgegengetreten ist, beträgt dieser steuerliche Wert für den vom Beklagten genutzten Opel Signum monatlich 308,00 € (Schätzungsmethode I).

Soweit in dem steuerlichen Wert zu versteuernde Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von im Jahr 2006 ab November 323,40 € monatlich enthalten sind, stellen diese keinen anzusetzenden Nutzungsvorteil dar, weil diesem ein berufsbedingter Aufwand gegenüber steht (Wertbereinigung um die Pendlerkosten bei Schätzungsmethode I).

Bei einer unter Benutzung eines Steuerprogramms errechneten Nettoquote von 61,22 % resultiert hieraus (bei genauer prozentualer Berechnung) ein Nettovorteil von monatlich 188,57 € (308 € * 61,22 %) (Ermittlung des Netto-Vorteils).

100 € – Zuschlag - Schätzungsmethode III (Zitat): „In Abweichung von gerichtsbekannt vielen anderen Fällen der Firmenwagennutzung ist der Beklagte völlig von sämtlichen Kosten der Fahrzeugnutzung befreit, soweit er den Pkw in Deutschland betankt. Unter diesen Umständen ist es unter Berücksichtigung der allgemeinkundig hohen laufenden Betriebskosten für ein Fahrzeug der Mittelklasse im Jahre 2006 und im Folgezeitraum angemessen, dem o.a. Wert einen monatlichen Betrag von geschätzt 100,00 € hinzuzurechnen, woraus sich der vorangehend angeführte Gesamtnutzungsvorteil errechnet.“


Car Allowance
Arbeitgeberzuschuss zum privaten Fahrzeug

Rechtsprechung

BGH, Beschluss vom 21.10.2020 - XII ZB 201/19
Car Allowence : Einkommensermittlung


(Zitat, Rn 29 ff) "Die Frage, wie die so genannte „ Car Allowance “, also ein vom Arbeitgeber gewährter Zuschuss für die dienstliche Nutzung eines vom Arbeitnehmer selbst anzuschaffenden Pkw, unterhaltsrechtlich zu beurteilen ist, ist – soweit ersichtlich – bislang in der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur noch nicht beantwortet. Bei einem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Dienstwagen geht es allein um die Bewertung, welcher Sachwert dem Unterhaltspflichtigen durch die Möglichkeit der privaten Nutzung zufließt, ohne dafür die entsprechenden Kosten aufbringen zu müssen (vgl. Senatsurteil BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, 1739 Rn.64f.; Holthusen FamRZ 2020, 71, 72 mwN). Hier ist hingegen zu klären, ob der grundsätzlich unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Zuschuss von monatlich 1.000 € für den dienstlichen Gebrauchdes Pkw aufgebraucht wird. Deswegen sind von den konkret bzw. pauschal bemessenen Kosten nur diejenigen anteilig abzusetzen, die durch die dienstliche Nutzung veranlasst sind. Die Bemessung der dienstlich veranlassten Aufwendungen nach § 287 ZPO ist in erster Linie Sache des Tatrichters. [...] Dass das Oberlandesgericht von den Einkünften des Antragsgegners monatlich die Kosten für das Auto in Form der Leasingrate, der Kraftfahrzeugversicherung und -steuer sowie einer Kilometerpauschale abgezogen hat, ist im Ansatz von Rechts wegen nicht zu beanstanden, auch wenn eine pauschale Berücksichtigung im Umfang der dienstlich veranlassten Fahrleistung möglich gewesen wäre (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 10. Aufl. §1 Rn.135ff.). [...] Allerdings hat es nicht erwogen [...], dass der Antragsgegner das Fahrzeug auch privat nutzen konnte. Deshalb hätte es die Beträge für die Kraftfahrzeugversicherung, die -steuer und die Leasingrate nicht ohne weitere Prüfung des Umfangs der privaten Nutzung vollständig vom Einkommen abziehen dürfen."

Links & Literatur



Links



Literatur & Rechtsprechung


  • Thomas Herr, Das Kraftfahrzeug bei Trennung und Scheidung, Schriftenreihe im DAV, 2019
  • Winfired Maier, Über Wohnwert und Nutzungen im Unterhaltsrecht, in FamRZ 2016, 426
  • Torsten Galinsky, Der Firmenwagen im Unterhaltsrecht, in: NZFam 2015, 951
  • OLG Hamm, 10.12.13 - 2 UF 216/12, Dienstwagen zur privaten Nutzung erhöht unterhaltspflichtiges Einkommen, Pressemitteilung
  • Richard Romeyko, Der private Nutzungswert des Geschäftswagens, FamRZ 2004, 242
  • Ernst Sarres, Der Dienstwagen – ein umstrittener Vermögensvorteil

In eigener Sache


  • AG Duisburg-Ruhrort - 15 F 142/23: Bereinigung des steuerlichen Nutzwertes von berufsbedingten Aufwendungen, unser Az.: 30/23
  • AG Landsberg am Lech, Beschluss vom 02.08.2021 - 1 F 13/21, unser Az.: 11/20
  • Expertise zum privaten Nutzungsvorteil eines Firmenwagens, unser Az.: 35/ 21 (D3/380- 21)