Kindesunterhalt
wenn Eltern Vermögen besitzen

  • Bedarf des Kindes 
    nach Maßgabe der Vermögensverhältnisse der Eltern?

    Der Vermögensstamm der Eltern ist für die Bemessung des Bedarfs an Kindesunterhalt grundsätzlich irrelevant (> Bemessungsgrundlage: Vermögen). Gilt das auch, wenn die Eltern zwar Vermögen besitzen, aber nur geringes Einkommen erzielen?
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  • Leistungsfähigkeit der Elten
    mit Vermögen

    Bei der Bedarfsermittlung spielt das Vermögen der Eltern meistens keine Rolle. Auf der > Prüfungsebene zur Leistungsfähigkeit sieht es ganz anders aus.
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Bedarf des Kindes
bei Eltern mit Vermögen

AG München, Beschluss vom 30.04.2014 - 527 F 2587/14
(unser Az.: 456/13)
Vermögender Vater mit geringem Einkommen | Privatier


Anmerkung: Kinder, die bei einem Elternteil leben, leiten in der Regel ihre > Lebensstellung von den Eltern ab. Im Regelfall bestimmt sich die Lebensstellung des Kindes nach den > Einkommensverhältnissen der Eltern. Daran knüpft die > Bedarfsermittlung mit Düsseldorfer Tabelle an. Der Vermögensstamm der Eltern ist irrelevant. Diese Grundaussagen - und damit die Düsseldorfer Tabelle - versagen jedoch ihre Dienste, wenn Eltern kein oder nur geringes Einkommen beziehen, dafür aber ihren eigenen Lebensstandard mittels Verbrauch ihrer Vermögenssubstanz finanzieren. Wie bestimmt sich in diesem Fall der Bedarf des Kindes oder die Leistungsfähigkeit der Eltern? Im Fall des AG München hatte der Vater erhebliches Vermögen, jedoch nur ein geringes Einkommen. Es wurde darum gestritten, ob der > Bedarf des Kindes sich bei einkommenslosen Vaters nur am > Mindestunterhalt zu orientieren hat oder sich am realen Vermögensverbrauch des Vaters zum Bestreiten seines gehobenen Lebensstandards bemisst. Das Gericht vertrat die Ansicht, dass sich der Bedarf des Kindes nach der konkreten Lebensstellung des Vaters zu orientieren hat und fragte deshalb nach dem jährlichen durchschnittlichen Vermögensverbrauch, der zum Bestreiten des eigenen Lebensunterhalts des Vaters erfolgte. Zu diesem Zweck wurde der Vater verpflichtet > Auskunft zu seinem Vermögensbestand zu erteilen.


Leistungsfähigkeit der Eltern
mit Vermögen

Vermögen
Maßstab der Leistungsfähigkeit


Wer kein Einkommen erzielt, das den maßgeblichen > Selbstbehaltssatz übersteigt, ist nicht > leistungsfähig. Diese Aussage ist in Reinform nicht richtig, da sie das mögliche unterhaltsrelevante Vermögen außer Acht lässt. Inwieweit das vorhandene Vermögen des Unterhaltsschuldners> Schonvermögen darstellt und deshalb für die Frage der Leistungsfähigkeit keine Rolle spielt, hängt von der > familiären Beziehung der Beteiligten ab. Geht es um die Leistungsfähigkeit der Eltern, muss danach differenziert werden, ob für ein

Kind > Barunterhalt geschuldet wird.


Grundsätze
zur Vermögensverwertung


  • Es gibt beim > Kindesunterhalt kein gesetzliches Verbot, die Leistungsfähigkeit der Eltern nach dem Vermögensstamm und dessen Verwertungsmöglichkeit zu beurteilen. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus § > 1603 Abs.1 BGB (vgl. BGH vom 21.04.2004 - XII ZR 326/01).
  • Vermögensverwertung zumutbar?
    Weiter verkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung (> BGH) nicht, dass zur Leistungsfähigkeit nur der Vermögensstamm herangezogen werden darf, so weit die Verwertung dem Schuldner auch > zugemutet werden kann. Es kann keine Vermögensverwertung verlangt werden, die den Schuldner von weiteren fortlaufenden Einkünften abschneidet.


Rechtsprechung
Verwertbares Vermögen


BGH, Urteil vom 21.04.2004 - XII ZR 326/01,
Verwertung Vermögensstamm beim Verwandtenunterhalt

(Zitat, S.8) "Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat ein Unterhaltspflichtiger grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens zur Bestreitung des Unterhalts einzusetzen. Eine allgemeine Billigkeitsgrenze, wie sie insoweit etwa für den Unterhalt geschiedener Ehegatten gilt, sieht das Gesetz im Bereich des Verwandtenunterhalts nicht vor. Deshalb ist allein auf § 1603 Abs. 1 BGB abzustellen. Danach ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewährleisten. Außerstande zur Unterhaltsgewährung ist jedoch nicht, wer über > verwertbares Vermögen verfügt (Senatsurteile vom 23. Oktober 1985 - IVb ZR 52/84 - FamRZ 1986, 58, 50; vom 2. November 1988 - IVb ZR 7/88 - FamRZ 1989, 170, 171; vom 5. November 1997 - XII ZR 20/96 - FamRZ 1998, 367, 369 und BGHZ 75, 272, 278)".

BGH, Urteil vom 30.09.2006 - XII ZR 98/04
Verwertbares Vermögen

(Zitat, Rn 26, Rn 27) "Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss ein Unterhaltspflichtiger zwar grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens zur Bestreitung des Unterhalts einsetzen (vgl. Wendl/Dose aaO § 1 Rdn. 410 ff.). Eine allgemeine Billigkeitsgrenze, wie sie § > 1577 Abs.3 BGB und § 1581 Satz 2 BGB für den > nachehelichen Ehegattenunterhalt vorsehen, enthält das Gesetz im Bereich des Verwandtenunterhalts nicht. Deshalb ist auch hinsichtlich des einsetzbaren Vermögens allein auf § 1603 Abs. 1 BGB abzustellen, wonach nicht unterhaltspflichtig ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Hierzu außerstande ist jedoch nicht, wer über verwertbares Vermögen verfügt (Senatsurteil vom 5. November 1997 - XII ZR 20/96 - FamRZ 1998, 367, 369). Einschränkungen der Obliegenheit zum Einsatz des Vermögensstammes ergeben sich aber daraus, dass nach dem Gesetz auch die sonstigen Verpflichtungen des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen sind und er seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht zu gefährden braucht. Daraus folgt, dass eine Verwertung des Vermögensstammes nicht verlangt werden kann, wenn sie den Unterhaltsschuldner von fortlaufenden Einkünften abschneiden würde, die er zur Erfüllung weiterer Unterhaltsansprüche oder anderer berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten oder zur Bestreitung seines eigenen Unterhalts benötigt (Senatsurteil vom 2. November 1988 - IVb ZR 7/88 - FamRZ 1989, 170, 171; vgl. auch Büttner/Niepmann NJW 2003, 2492, 2498). Auch die Verwertung eines angemessenen selbst genutzten Immobilienbesitzes kann regelmäßig nicht gefordert werden (Brudermüller NJW 2004, 633, 637 m.w.N.). Allgemein braucht der Unterhaltsschuldner den Stamm seines Vermögens auch dann nicht zu verwerten, wenn dies für ihn mit einem wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Nachteil verbunden wäre (vgl. zum nachehelichen Unterhalt § 1577 Abs. 3 BGB); denn auch das wäre mit der nach dem Gesetz gebotenen Berücksichtigung der ansonsten zu erfüllenden Verbindlichkeiten nicht zu vereinbaren und müsste letztlich den eigenen angemessenen Unterhaltsbedarf des Verpflichteten in Mitleidenschaft ziehen (Senatsurteil vom 23. Oktober 1985 - IVb ZR 52/84 - FamRZ 1986, 48, 50)."


Rechtsprechung
Geschütztes Vermögen | Schonvermögen


Loewe

OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 19.05.2021 - 4 UF 41/21
Verwertbares Vermögen - Schonbetrag


Grundsätze:

1. Bei ansonsten eingeschränkter Leistungsfähigkeit für den Mindestunterhalt minderjähriger Kinder hat der Unterhaltspflichtige den Stamm seines Vermögens bis auf einen Schonbetrag in Höhe von rund 2.000,- bis 3.000,- EUR für den Unterhalt zu verwerten.

2. Steht Vermögen nicht sofort in bar zur Verfügung, ist es zumutbar, für einen überschaubaren Zeitraum den Unterhalt fremd zu finanzieren.

3. Schulden sind nur zu berücksichtigen, wenn sich der Unterhaltspflichtige zuvor vergeblich um eine Verringerung der Raten bemüht hat.

Anmerkung: Vorhandenes Vermögen wird im Unterhaltsrecht mit unterschiedlicher Intensität zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit berücksichtigt. Dabei ist die Pflicht zur Vermögensverwertung abhängig vom familiären Verhältnis der Beteiligten. Zusätzlich spielt für die Pflicht zum Vermögenseinsatz eine Rolle, ob es sich bei dem Vermögen um Altersvorsorgevermögen handelt. Soweit der Vorrang des Aufbaus einer privaten Altersvorsorge vor Unterhalt greift, ist vorhandenes Vermögen ist kein > unterhaltsrelevantes Vermögen.


Vermögensverwertung

für minderjährige Kinder

Wenn das > erzielbare (fiktive) Einkommen der Eltern nicht ausreicht, um den vollen Kindesunterhalt zu bezahlen, führt dies noch nicht zum > Mangelfall und Wegfall der Unterhaltspflicht wegen fehlender > Leistungsfähigkeit. Neben der Hinzurechnung fiktiven Einkommens und kann es zur Berücksichtigung des vorhandenen Vermögens kommen. Gerade beim Kindesunterhalt für minderjährige Kinder kommt es verstärkt zur Zurechnung fiktiver Einkünfte, weil hier die Eltern eine > gesteigerte Erwerbsobliegenheit trifft. Flankiert wird dies zusätzlich von einer > gesteigerten Leistungsfähigkeit gem. § 1603 Abs.2 BGB. Diese Vorschrift erklärt ausdrücklich, dass "alle verfügbaren Mittel", sämtliches > "verwertbares Vermögen" für den Unterhalt an minderjährige Kinder einzusetzen ist (> Grundsätze). Geht es um Absicherung des Mindestunterhalts für minderjährige Kinder, ist das > Altersvorsorgevermögen der Eltern ist ebenso wenig > Schonvermögen, wie das Einkommen der Eltern um Beiträge zur Altersvorsorge bereinigt werden kann.
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Von diesen Grundsätzen zur gesteigerten Leistungsfähigkeit (mit Einsatz aller verfügbaren Mitteln) gibt es erst dann eine > Ausnahme, wenn das unterhaltsbedürftige Kind selbst Vermögen besitzt (§ > 1603 Abs.2 S.3 BGB).
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Vermögensverwertung

für privilegiert volljährige Kinder

Was mit > "privilegiert volljährigen Kindern" gemeint ist, beschreibt § > 1603 Abs.2 S.2 BGB. Wenn das volljährige Kind, die in dieser Vorschrift beschriebenen Kriterien erfüllt, gilt für die Leistungsfähigkeit barunterhaltspflichtiger Eltern nichts anderes, wie zu Zeiten der Minderjährigkeit des Kindes (> hier). Ist das volljährige Kind kein sog. privilegiert volljähriges Kind, ändert sich für die Eltern die Obliegenheit zum Vermögenseinsatz (> hier). Hinzu kommt der Einsatz der > anteiligen Barunterhaltspflicht beider Elternteile.


Vermögensverwertung

für sonstige volljährige Kinder

Erfüllen volljährige Kinder nicht die Eigenschaften des § 1603 Abs.2 S.2 BGB (> privilegiert volljähriges Kind), stellt sich die Frage, ob Eltern immer noch ihr vorhandenes Vermögen für Unterhaltsleistungen an das Kind verwerten müssen. Die Antwort richtet sich jetzt allein nach dem Maßstab des § > 1603 Abs.1 BGB. Diese Vorschrift enthält nicht mehr die Pflicht, "alle zur Verfügung stehenden Mittel" gleichmäßig zur Erfüllung von Unterhaltspflichten einzusetzen. Jetzt gelten die von der Rechtsprechung entwickelten > Grundsätze zum > Schonvermögen beim Verwandtenunterhalt. Hat das volljähriges Kind selbst Vermögen, ist dieses vorrangig zur Bedarfsdeckung zu verwenden (> mehr).