Jugendamtsurkunde
Der kostenfreie Titel zum Kindesunterhalt


Wann
ist eine Jugendamtsurkunde zu empfehlen?

Praxistipp


Vor Abgabe einer Jugendamtsurkunde ist zu klären

» Welches Kostenrisiko besteht, wenn die Errichtung einer Jugendamtsurkunde verweigert wird?

» In welcher Höhe soll der Unterhaltsanspruch tituliert werden?

» In welcher Form soll die Jugendamtsurkunde errichtet werden?



Unterhaltsverfahren
vermeiden
Kosten sparend 


Sinn und Zweck der Jugendamtsurkunde ist es, die kostenlose Erfüllung des Interesses des Kindes an einem Unterhaltstitel (> Titulierungsinteresse). Wenn die Aufforderung zur Abgabe einer Jugendamtsurkunde ins Haus flattert, sollte fachkompetenter Rat zum weiteren Vorgehen eingeholt werden.

Selbst wenn > Kindesunterhalt bisher freiwillig, regelmäßig und ohne > Unterhaltstitel bezahlen, sollten Sie wegen des > Titulierungsinteresses die Abgabe einer > kostenlosen Jugendamtsurkunde in Betracht ziehen. Wird die gewünschte Jugendamtsurkunde verweigert, kann es für den Unterhaltsschuldner zu einem sinnlosen > kostspieligen Gerichtsverfahren kommen. Die vollstreckbare Jugendamtsurkunde hilft, ein solches Gerichtsverfahren zu vermeiden und entzieht einem gerichtlichen > Kindesunterhaltsverfahren das Rechtsschutzbedürfnis. Weil gerichtliche Unterhaltsverfahren weitaus mehr > Kosten verursachen, als der > Gang zum Jugendamt, sollte schlicht aus Kostengründen den Kindesunterhalt freiwillig per Jugendamtsurkunde titulieren lassen, soweit er als berechtigt erscheint. Gleiches kann über ein > notarielles Schuldanerkenntnis erreicht werden, wenn man nicht zum Jugendamt möchte. Doch der Weg zum Notar löst Notarkosten aus. Dagegen ist die Errichtung der Jugendamtsurkunde ein > kostenloser Services der Jugendämter.
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Wenn Sie die Abgabe einer Jugendamtsurkunde verweigern, weil nach Ihrer Einschätzung der Unterhaltsanspruch nicht oder nicht in der geforderten Höhe besteht, riskieren Sie die Einleitung eines > gerichtlichen Verfahrens, entweder durch das Jugendamt als > Beistand des unterhaltsbedürftigen Kindes (meist im > vereinfachten Verfahren) oder durch den Anwalt der Gegenseite. In Unterhaltsverfahren besteht in der Regel > Anwaltszwang. Um ein unnötiges Kostenrisiko solcher Verfahren zu vermeiden, sollten Sie spätestens jetzt fachanwaltlichen Rat einholen. Achtung! Auch wenn die Eltern sich außergerichtlich auf einen bestimmten Barunterhalt für das Kind verständigt haben (> Unterhaltsvereinbarungen) und die vereinbarten monatlichen Zahlbeträge pünktlich und zuverlässig bezahlt werden, besteht ein > Titulierungsinteresse. Verweigert der Unterhaltspflichtige die Erstellung einer Jugendamtsurkunde, gibt er Anlass für ein gerichtliches Verfahren. Die Kosten eines solchen Verfahrens sind vollständig vom Unterhaltsschuldner zu tragen, es sei denn, er hat im Verfahren noch die Möglichkeit ein > sofortiges Anerkenntnis zu erklären. Wurde der Unterhaltsschuldner aber bereits außergerichtlich zur Abgabe einer Jugendamtsurkunde innerhalb einer angemessenen Frist aufgefordert, ist ein sofortiges Anerkenntnis im Verfahren nicht mehr möglich (Mehr dazu > hier).

AG Kaufbeuren, Beschluss vom 14.02.2014 - 2 F 8/14
Anerkenntnis mit vollständiger Kostentragung des Unterhaltsschuldners


Anmerkung: In diesem Fall ist der unterhaltspflichtige Vater der außergerichtlichen Aufforderung eine Jugendamtsurkunde zu erstellen nicht nachgekommen. Um dennoch einen Unterhaltstitel zu erreichen, wurde ein > Unterhaltsverfahren gegen den Vater eingeleitet. Im laufenden Verfahren hat der Vater noch vor der mündlichen Verhandlung den geforderten Unterhalt über seinen Rechtsanwalt anerkannt. Das Gericht erließ einen Anerkenntnisbeschluss. Das Anerkenntnis konnte den Vater nicht davor bewahren, die gesamten Verfahrenskosten (u.a. Anwaltskosten der Gegenseite inklusive (!) > Terminsgebühr für eine nicht stattgefundene mündliche Verhandlung) zu bezahlen. Hätte er außergerichtlich ein Anerkenntnis in Form der Jugendamtsurkunde abgegeben, so hätte es keinen Anlass für ein Gerichtsverfahren gegeben. Das zögerliche Verhalten kostete dem unterhaltspflichtigen Vater unnötige > Verfahrensgebühren


Teilanerkenntnis

mit Jugendamtsurkunde


Um die > Verfahrenskosten eines Kindesunterhaltsverfahrens im Streitfall möglichst gering zu halten, empfiehlt es sich, den unbestrittenen Teilbetrag per Jugendamtsurkunde > titulieren zu lassen (> Teilanerkenntnis), bevor es zu einem gerichtlichen Verfahren über die Gesamtsumme des geforderten Kindesunterhalts kommt. Dafür sprechen mehrere Gründe:

  • Hat das Jugendamt die > Beistandschaft übernommen, können Sie davon auszugehen, dass es ausschließlich die Interessen des Kindes vertritt. Das Jugendamt als > Beistand des Kindes steht nicht auf der Seite des barunterhaltspflichtigen Elternteils. Es vertritt allein die Interessen des Kindes. Erwarten Sie nicht, dass das Jugendamt Sie auf Ihre Rechte, mögliche Einwendungen gegen die Unterhaltsforderung oder z.B. auf alle Möglichkeiten zur > Einkommensbereinigung hinweist. Die Erfahrung zeigt, dass barunterhaltspflichtige Eltern oft den Berechnungen des Jugendamtes "blind" vertrauen und damit Geld verschenken. Oft sind die Vorstellungen des Jugendamtes zulasten des unterhaltspflichtigen Elternteils überzogen. Dies gilt insbesondere bei > Mangelfällen, die von den Jugendämtern gerne geleugnet werden, mit Hinweis auf angebliche > Leistungsfähigkeit, des barunterhaltspflichtigen Elternteils, weil diesem > fiktive Einkünfte unterstellt werden. Die Jugendämter wollen - so weit wie möglich - vermeiden, dass der Staat von Kindern und Müttern auf Zahlungen nach dem > Unterhaltsvorschussgesetz in Anspruch genommen wird.
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  • Bevor eine Jugendamtsurkunde > freiwillig erstellt wird, ist zunächst zu prüfen, ob von der Gegenseite der Kindesunterhalt richtig ermittelt wurde. Jugendämter kennen nicht unbedingt die Feinheiten der Ermittlung Ihres > unterhaltsrelevanten Einkommens und kümmern sich nicht darum, ob und wie Ihr Einkommen > bereinigt werden kann. Darum müssen Sie sich selbst kümmern. Hinweise, wie in der Praxis bei der Unterhaltsermittlung vorgegangen wird, erhalten Sie
    > hier

  • Im Fall des Teilanerkenntnisses der Unterhaltsforderung mittels Jugendamtsurkunde kann es nur noch zu einem Unterhaltsverfahren in Höhe des darüber hinausreichenden, noch strittigen Teils der Forderung kommen. Das begrenzt natürlich die Gesamtkosten eines gerichtlichen Verfahrens. Der > Gegenstandswert wird damit geringer. Besteht nach Ihrer Ansicht der Kindesunterhaltsanspruch zu Recht, ist insoweit die Abgabe einer Jugendamtsurkunde zu empfehlen. Sie müssen nicht den von der Gegenseite geforderten Betrag titulieren lassen. Doch Sie können mit einer Teiltitulierung das Rechtsschutzinteresse für ein gerichtliches Verfahren insoweit entziehen. Damit reduzieren Sie den verbleibenden Streitwert für ein Unterhaltsverfahren und somit die Verfahrenskosten. Wenn der Unterhaltsschuldner einen Titel bewirkt, der nach seiner Auffassung dem tatsächlich geschuldeten Anspruch entspricht, dann in solchen Fällen vom Unterhaltsberechtigten im Wege des > Abänderungsverfahrens vorzugehen, wenn er höheren Unterhalt als den einseitig durch Jugendamtsurkunde titulierten Betrag verlangt (BGH, Urteil vom 04.05.2011 − XII ZR 70/09, NJW 2011, 1874). Wenn daher ein solcher vollstreckbarer Jugendamtstitel vorliegt, ist für einen Leistungsantrag über den vollen Unterhalt kein Raum. Der Gegenstandswert für das Abänderungsverfahren ergibt sich nur noch dem geforderten Mehrbetrag, der über den bereits per Jugendamtsurkunde titulierten Betrag hinausgeht. Wenn nicht einmal eine Teiltitulierung mit Jugendamtsurkunde erfolgt, ist eine Leistungsklage über den vollen Unterhalt mit der entsprechenden Kostenfolge die Konsequenz (vgl. KG, Beschluss vom 21.03.2016 - 13 WF 33/16). 

  • Familiengerichte rechnen meist korrekter als Jugendämter


Wie
soll die Jugendamtsurkunde erstellt werden?

Formulare
der Jugendämter


Der Weg 
zur Jugendamtsurkunde


Die Jugendämter benutzen zur Errichtung von Jugendamtsurkunden > Formulare. Diese  sehen keinen Freiraum für Modifikationen vor, obwohl solche gesetzlich zulässig sind. Bedenken Sie!: Es darf nur das protokolliert werden, was Sie wollen. Sie müssen sich nicht an den vorformulierten Text halten. Das Prozedere ist freiwillig. Es ist Ihr > persönliches Schuldanerkenntnis mit > Bindungswirkung, das Sie in Form einer Jugendamtsurkunde abgeben. Lassen Sie sich nicht von Kommentaren beeindrucken, wie "das geht nicht, so etwas haben wir noch nie gemacht". Welche Modifikationen können sich anbieten?



Dynamischer

Unterhaltstitel?


Ob ein solcher Anspruch besteht, hat der BGH, Urteil vom 04.12.2013 - XII ZR 157/12, Rn 22 - nach wie vor - offen gelassen. Die Textvorlagen der Jugendämter beinhalten jedenfalls den Text für die Errichtung eines > dynamischen Titels. In Zeitintervallen von jeweils 6 Jahren wird in der > Düsseldorfer Tabelle nach Maßgabe des Alters des Kindes (> Altersstufen) ein neuer > Tabellenbedarf (= Grundbedarf) vorgesehen. Alle zwei Jahre wird der > Mindestunterhalt neu festgelegt. Ohne dass sich das Einkommen des Unterhaltspflichtigen ändert, erfährt der Kindesunterhalt damit mehrfach Veränderungen, bis das Kind nicht mehr auf Unterhalt angewiesen ist. Um nicht immer wieder > Abänderungsverfahren an die jeweils aktuelle Situation zu provozieren, sind in der Regel > dynamisch titulierte Jugendamtsurkunden sinnvoll, weshalb in der Regel darauf ein > Titulierungsanspruch besteht.


Kein dynamischer Unterhaltstitel

für volljährige Kinder


Ein volljähriges Kind kann für sich keinen dynamisierten Kindesunterhalt wie für ein minderjähriges Kind fordern. § > 1612a BGB erklärt eindeutig, dass ein dynamischer Kindesunterhalt mit Bezugnahme auf einen "Prozentsatz vom jeweiligen Mindestunterhalt" nur für ein minderjähriges Kind beantragt werden kann. Auch für > privilegiert volljährige Kinder (i.S.d. § > 1603 Abs.2 S.2 BGB) gilt insoweit keine Ausnahme (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 14.08.2003 - 7 WF 396/03: FamRZ 2004, 829-830).


Laufzeitbegrenzung

bis zur Volljährigkeit?


Wenn das > Kind volljährig wird, verändern sich die Bemessungsgrundlagen des Kindesunterhalts gravierend. Wir empfehlen barunterhaltspflichtigen Eltern, die Laufzeit der Jugendamtsurkunde bis zum Erreichen der Volljährigkeit zu begrenzen, wenn eine künftige Veränderung von Bemessungsgrundlagen absehbar ist (> MUSTER intern vorhanden). Die zeitlich begrenzte Jugendamtsurkunde läuft dann einfach aus. Die > Jugendamtsformulare sehen so etwas nicht vor. Ohne Befristung auf den Zeitpunkt der Volljährigkeit des Kindes sind Sie gezwungen, ein > Abänderungsverfahren gegen die Jugendamtsurkunde, mit dem volljährigen Kind, als Verfahrensgegner zu führen, wenn nicht ein > Titelverzicht erklärt wird. Laufzeitbegrenzungen sind sinnvoll, weil sie > Abänderungsverfahren vermeiden helfen und der Kindesunterhalt ohne risiko- und kostenerhöhendes Abänderungsverfahren an mögliche veränderte Einkommensverhältnisse angepasst werden kann. Der BGH hat zur Laufzeitbegrenzung noch keine allgemeingültige Entscheidung getroffen. Mehrere > OLG`s lehnen dies jedoch ab. Das unterhaltsberechtigte Kind muss also eine Jugendamtsurkunde mit Laufzeitbegrenzung nicht akzeptieren und auf einen zeitlich unbegrenzten > Unterhaltstitel bestehen und den Klageweg beschreiten.

OLG Hamm, Beschluss vom 09.02.2011 - 8 WF 37/11
Befristung einer Jugendamtsurkunde

Leitsatz: "Hat der Unterhaltspflichtige ohne eine entsprechende Übereinkunft einen auf die Zeit der Minderjährigkeit befristeten Titel geschaffen, so hat der Minderjährige daher einen Anspruch auf unbefristete Festsetzung seines Unterhaltsanspruchs in Form eines > dynamisierten Titels über einen bestimmten Prozentsatz des Mindestunterhalts."

OLG Bamberg, Beschluss vom 14.05.2018 - 2 UF 14/18
Zur Laufzeitbegrenzung einer Jugendamtsurkunde bis zur Volljährigkeit


Leitsatz: Ein minderjähriges Kind hat einen Anspruch auf die Errichtung eines unbefristeten Titels über zu zahlenden Kindesunterhalt, also eines Titels, der nicht auf die Zeit der Minderjährigkeit begrenzt ist.

Anmerkung: Das > Familiengericht München vertritt ebenfalls die Ansicht eines > Titulierungsanspruchs ohne Laufzeitbegrenzung. Ob der BGH die Ansicht des OLG Hamm teilt, bleibt abzuwarten. Bislang hat der BGH, Urteil vom 04.12.2013 - XII ZR 157/12, Rn 22 dazu nicht Stellung bezogen.