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Scheidung sofort
Wann geht das?
Familiengerichte stehen Härtefall-Scheidungen nach § > 1565 Abs.2 BGB äußerst kritisch gegenüber. Deshalb muss die gängige > Judikatur genau beachtet werden, um keinen unbegründeten Scheidungsantrag zu riskieren. Drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
- Die Einhaltung einer > Trennungsphase muss nicht nur "unzumutbar" erscheinen, sondern
- sich als eine > "Härte" darstellen und
- der Grund dafür muss "in der Person des anderen Ehegatten" liegen.
Fallgruppen
Keine unzumutbare Härte
- Nachlässige Haushaltsführung
- Unbegründete Eifersuchtsszenen
- Einmalig im Affekt erfolgte körperliche Attacke
Umstrittene Fälle
- Unterhaltspflichtverletzungen gegenüber Frau und Kindern
- Aufnahme einer gleichgeschlechtlichen Beziehung
Unzumutbare Härte
- Alkoholismus bei mehrfachem Scheitern oder Ablehnung von Entziehungskuren
- Jahrelanger Drogenmissbrauch im Beisein der Kinder
- Aufforderung zu sexuellen Perversionen (z.B. Gruppensex)
- Ehebrecherische Beziehungen mit hieraus folgender Schwangerschaft (vgl. z.B. OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 1417)
- Laufende Beleidigungen und Beschimpfungen in Gegenwart der Kinder
- Nervenkrankheit, soweit diese nicht vor der Eheschließung bekannt war
- Eheschließung, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu erlangen
- Straftaten gegenüber dem Ehepartner
- Suizidversuch, soweit der andere Ehegatte nicht mitursächlich für das Verhalten war.
- Morddrohungen
- Schwerste Beleidigungen, Bedrohungen und Misshandlungen des Anderen insbesondere in Gegenwart der Kinder.
Rechtsprechung
OLG München, Beschluss vom 28. Juli 2010 - 33 WF 1104/10
Treuebruch allein ist noch kein Härtegrund. Es müssen weitere Umstände hinzukommen
b) Die Antragstellerin lastet dem Antragsgegner eine aus ihrer Sicht schwerwiegende Verletzung der ehelichen Treuepflicht an. Treuebruch ist aber nicht automatisch, sondern nur bei Hinzutreten weiterer Umstände ein Grund für die Unzumutbarkeit (OLG Stuttgart FamRZ 2002, 1342; OLG Rostock NJW 2006, 3648).
Während in der früheren Rechtsprechung teilweise jeder Ehebruch als Grund anerkannt wurde (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1978, 27; OLG Stuttgart FamRZ 1977, 646, 647; OLG Hamm NJW 1978, 168; OLG München FamRZ 1978, 113; weitere Nachw. bei Ey in MünchKommBGB 5. Aufl. 2010 § 1565 Rn. 110), wird seit langem zutreffend nur die Verletzung der Treuepflicht von langer Dauer oder zusammen mit zusätzlichen, tief greifenden, entwürdigenden Umständen als ein zur Scheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB ausreichender Grund angesehen (OLG Stuttgart FamRZ 2002, 1342; OLG Braunschweig FamRZ 2000, 287; OLG Bremen FamRZ 1996, 489; OLG Köln FamRZ 2003, 1565; Palandt/Brudermüller, BGB, 69. Aufl. 2010, Rn. 10; Johannsen/Henrich/Jaeger Rn. 70, je zu § 1565 BGB; Weber NJW 2006, 3039, 3040; enger Staudinger/Rauscher BGB [2004] § 1565 Rn. 170). Nicht jede Aufnahme einer außerehelichen Lebensgemeinschaft mit einem Dritten begründet die Unzumutbarkeit für den anderen Ehegatten, das Trennungsjahr abzuwarten (Johannsen/ Henrich/ Jaeger Rn. 69 in krit. Auseinandersetzung mit abw. Rechtsprechung, welche bei mehrmonatiger Aufnahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft bereits einen Härtegrund bejaht hat und demgegenüber mit Nachw. für eine engere, an der gesetzlichen Vorgabe der Einhaltung eines vollen Trennungsjahres orientierten Auslegung, z.B. OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 286, 287; OLG Köln FamRZ 1997, 24; OLG Schleswig NJW-RR 1989, 260, 261).
c) Damit wird nicht der Treuebruch selbst bagatellisiert (Ey a.a.O; a. A. Staudinger/Rauscher a.a.O.), sondern der gesetzgeberischen Wertung Rechnung getragen, die eben das Vorliegen einer unzumutbaren Härte verlangt. Deshalb müssen weitere Umstände wie etwa die Darstellung in der Öffentlichkeit (OLG Düsseldorf FamRZ 1986, 998) oder ein ehebrecherisches Verhältnis in der früheren Ehewohnung (OLG Saarbrücken FamRZ 2005, 809; OLG Köln FamRZ 1999, 723; OLG Brandenburg FamRZ 2004, 25; offen gelassen von OLG Köln FamRZ 1992, 319) hinzutreten, die es für den anderen Ehegatten geradezu als entwürdigendes Unrecht erscheinen lassen, wenn man ihn noch länger am Eheband festhalten wollte (OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 1201, 1203; OLG Rostock NJW 2006, 3648, 3649; OLG Stuttgart FamRZ 2002, 1342; Johannsen/Henrich/Jaeger Rn. 69).
d) Daraus folgt, dass die Art und Weise sowie die Begleitumstände des Treubruchs die Annahme eines Härtegrundes rechtfertigen können (Ey a.a.O. Rn 112 m.w.N.). Als Grund für die Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres hat die Rechtsprechung (Einzelnachweise zum Folgenden bei Ey a.a.O.) beispielsweise anerkannt den Geschlechtsverkehr mit der vorehelichen Tochter der Frau; mit Familienangehörigen oder der Schwägerin; den Ehebruch, der auch für Dritte in einer kleinen Gemeinde offensichtlich ist; wenn der Ehebruchspartner in die eheliche Wohnung aufgenommen wird oder zur Verletzung der Treuepflicht weitere demütigende Umstände hinzukommen, etwa die Aufforderung zum Geschlechtsverkehr zu dritt nach Entdeckung des ehebrecherischen Verhältnisses oder auch einmaliger Geschlechtsverkehr mit einem bis dahin unbekannten Mann, den die Ehefrau ebenso wie die hierdurch begründete Schwangerschaft trotz entsprechenden Aids-Risikos dem Ehemann zunächst verschweigt. Eine schwere Härte kann auch dann anzunehmen sein, wenn der Mann die Frau unmittelbar nach der Geburt eines gemeinsamen Kindes verlässt, um mit einer anderen Frau eheähnlich zusammenzuziehen. Hingegen sollen auch fortgesetzte häufige Ehebrüche keinen Härtegrund darstellen (OLG Nürnberg Beschluss vom 31. 3. 1981 - 10 WF 865/81, zit. nach juris), jedoch dürfte es auch dabei auf die Umstände des Einzelfalls ankommen.
e) Nach alldem ist festzustellen, dass hier zwar ein ehelicher Treubruch vorliegt, der sich dadurch hervorhebt, dass er bereits wenige Tage nach der Eheschließung offenkundig geworden ist und zudem mit einer engen Freundin der Antragstellerin begangen wurde. Es ist auch nachvollziehbar, dass dies die Antragstellerin erheblich psychisch belastet hat. Jedoch ist vor dem Hintergrund des dargelegten Vergleichsmaßstabs nicht zu erkennen, dass diese Umstände allein eine unzumutbare Härte im Sinne von § 1565 Abs. 2 BGB begründen würden, welche bereits eine Abkürzung des gesetzlich grundsätzlich vorgegebenen Trennungsjahres rechtfertigen würden. Dass die Ehe im Übrigen von den Ehegatten als gescheitert angesehen wird und beide Ehegatten inzwischen eine grundlegend unvereinbare weitere Lebensplanung haben, genügt für sich genommen nicht."
OLG Dresden, Beschluss vom 16.04.2012 − 23 UF 1041/11
Ernsthafte Bedrohungen und Tätlichkeiten rechtfertigen eine sofortige Scheidung wegen unzumutbarer Härte
Links & Literatur
Links
Literatur
- Annegret Will, Gewaltschutz in Paarbeziehungen mit gemeinsamen Kindern, in FPR 2004, 233
- Ludwig Bergschneider, Härtefallscheidung vor Ablauf des Trennungsjahres, in NZFam 2016, 158